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Eine liebenswerte Angewohnheit hatte Alf all die Jahre für sich verinnerlicht: Ab einer nicht näher zu bestimmenden Alkoholmenge wurde Alf rührselig und sprach in höchsten Tönen von seiner Ehefrau, die er trotz all der von mir beschriebenen Eskapaden über alles geliebt haben musste.
Es ist daher auch nicht weiter erstaunlich, dass mir nach all den Jahren (immerhin ein Vierteljahrhundert), die ich Alf bis zu seinem Tod kannte, hauptsächlich diese überaus große Liebe zu seiner Ehefrau einfällt, wenn ich an Alf außerhalb des Arbeitsumfeldes denke. Außer der Kirchenarbeit und das Musizieren auf der Orgel, wobei er seine Frau wohl kennengelernt hatte, gab es so gut wie nichts aus seinem Privatleben zu berichten.
Deshalb sprach Alf auch über nichts anderes als seine geliebte Ehefrau, als wir auf dieser Parkbank am Tankum See saßen, während Mike und der singende Slawe schon wieder auf dem Rückweg zu den Kollegen am Sandstrand waren, da sich ihre Biervorräte dem Ende neigten und sie noch Durst verspürten.
Zwischenzeitlich hatten sich auch Detzer und die rote Zora zu uns gesellt. Der freudig angenommene Obstler weckte bei Alf ungeahnte Kräfte. Als ob er sich nüchtern gesoffen hätte!
Flugs sprang er auf und holte das Messer raus. Nein, nicht um uns abzustechen, sondern um etwas in den Baum neben unserer Sitzbank zu ritzen. Schnell hatte Alf ein Herz in die Rinde gefräst und schrieb dann noch die Namen von seiner Frau und ihm hinein. Das er ein Charmeur vor dem Herrn war, wusste ich ja bereits. Doch seine romantische Ader war mir bis zu diesem Zeitpunkt verborgen geblieben.
An dieser Stelle muss ich jetzt einen Zeitsprung einfügen. Ca. Zehn bis Elf Jahre später bin ich mit meiner Löwin und Marie, meiner damals noch lebenden Schwiegermutter, am Tankum See Spazieren gegangen. Den Betriebsausflug hatte ich da längst vergessen gehabt.
Aber wie der Zufall es so will... Auch wir gingen an den Bäumen am Ufer des Sees vorbei. Als ich das Herz, welches Alf Jahre vorher eingeritzt hatte, sah, musste ich lächeln. All die Jahre hatte das „Kunstwerk“ von Alf überdauert. Wahrscheinlich ist es noch heute dort zu bewundern.
Alf hatte ja schon immer einen Riecher für große Szenen. gehabt. Detzer und ich führten den mittlerweile nicht mehr ganz so standsicheren Alf zu unseren Kollegen zurück. Die rote Zora war hier keine Hilfe; Wenigstens konnte sie noch alleine laufen. Der Jelinek war da natürlich von uns schon ad Acta gelegt worden.
Als wir dann endlich wieder bei unserer Betriebsfeier am Strand des Tankum Sees angekommen waren, konnten wir unschwer erkennen, dass hier bereits der gemütliche Teil dieser Veranstaltung begonnen hatte. Unter einem wolkenfreien Himmel saßen all die Kolleginnen, die ansonsten wohl eher selten zu Strandparties eingeladen wurden, entspannt im Sand und ließen sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
Die Damen waren der Jahreszeit entsprechend sommerlich bekleidet und cremten sich Arme und Beine ein. Die Herren der Schöpfung trugen selbstverständlich ihr langes Beinkleid und hatten einen Sonnenschutz nicht nötig. Die 90er waren ja noch so was von 80er, meine lieben Kinder. Außerdem war dies ein Behördenausflug.
Doch jetzt kam Alf. Irgendwie schien er die zweite Luft bekommen zu haben. Wo er sonst an Ort und Stelle eingeschlafen wäre, zeigte er sich unvermutet quicklebendig, ja er wirkte beinahe nüchtern. Natürlich nur für jemanden, der ihn nicht näher kannte. Was nun folgte, dürfte für viele der anwesenden Kolleginnen ein Kulturschock gewesen sein, sofern sie in einem anständigen Haushalt aufgewachsen waren.
Laut juchzend wie ein kleines Kind fing Alf an, wie wild herumzuzappeln. Als ob ihn jemand eine Spritze mit Speed gesetzt hätte, zeigte Alf sich extrem hyperaktiv. Die Sonne hatte es ihm angeblich angetan. Und so fing er an, sich flugs seines Hemds und der langen Hose zu entledigen.
Natürlich hatte er das Ganze mit den Schuhen angefangen. Und er hörte nicht auf. Das Unterhemd und Socken waren ihm auch noch hinderlich, so dass er kurz darauf nur noch mit seiner weißen Baumhüter Doppelfeinripp mit Eingriff Unterhose bekleidet war. Da stand er und freute sich wie ein König. Er wird doch nicht....
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