Samstag, 16. Januar 2021

Udorallala: Dictators again

 Tja, wo fang ich an? Am Besten am Samstag, dieses Wochenende oder auch: Heute. Da hatten wir morgens um halb Neun Besuch von einem Typen vom Angelverein meiner Löwin, der die Fangkarten für die beginnende Angelsaison von der Druckerei abgeholt hatte. Beiträge wollte er noch zahlen und Brötchen hatte er mitgebracht.
Wir hatten ein nettes Schwätzchen zu Salami- und Nutellabrötchen, als die Sprache auf den Webauftritt des Angelvereins kam. Der brauchte ein neues Outfit und sollte deshalb vorübergehend zum Neudesign aus dem Web entfernt worden sein, was es nachzuprüfen galt. Zur Kontrolle zückte ich mein Tablet hervor.
Die Webseite war down, so weit so gut. Aber meine Löwin entdeckte einen Facebookeintrag. Da sie kein Facebookkonto ihr eigen nennt, musste ich hier aushelfen und konnte bestätigen, dass momentan auch dort nur ein Foto der Angelhütte am See zu bewundern ist. Alles gut also. Ich wischte auf der Seite irgendwie drüber und erhielt einen Eintrag der Dictators (!). Da musste ich in der Vergangenheit wohl mal die Seite gebookmarkt (was für ein Sch...wort) haben.
Ich erhielt auch gleich die deutsche Übersetzung angezeigt: „Die Diktatoren präsentieren stolz unser neues Video... Verdammt New York. Unserem Waffenbruder gewidmet: Sylvain Sylvain, Ruhe in Frieden.“ Yeah, Man: R.I.P. Sylvain Sylvain - Urmel hatte am Abend vorher diese mehr als traurige Nachricht per Whatsapp geschickt. Der Gitarrist der New York Dolls wurde nur 69 Jahre alt.
 
  

Aber zunächst: Ein ganz frisches Video der Dictators. Ein neuer Song; und was für einer. Leck die Katze am Arsch! Andy Shernoff hat Ross the Boss bei der Stange halten können und sogar Scott Kempner wieder mit ins Boot geholt. Leider ist Handsome Dick Manitoba nicht mehr dabei, wohl weil er sich seinen Soloprojekten widmet.
Da gibt es von ihm eine Soloscheibe aus 2019 („Born in the Bronx“), ein Kochvideo (!) auf Youtube und nen Podcast, den er wohl regelmäßig befüllt. In die CD hörte ich kurz rein und musste sofort an die unsägliche Soloplatte von Angry Anderson denken. Rose Tattoo Fans wissen, wovon ich rede, so dass ich „Born in the Bronx“ nicht kommentieren muss.
Aber „God damn New York“ dagegen fängt mit einem zwar nicht neuem, dafür aber unwiderstehlichen Riff an. Ross the Boss kann es noch immer und ist natürlich im Zusammenspiel mit Scott Kempner von kaum einer anderen Gitarrenwand zu schlagen. Andy Shernoff steigt nach kurzer Zeit mit dem Gesang ein; hier hätte ich mir zugegebenermaßen auch Handsome Dick oder noch besser Joey Ramone („Er“ sei seiner Seele gnädig) vorstellen können.
Die sehr eingängige Melodielinie mit ihren Harmonien im Background erinnern dann tatsächlich eher an die späten Ramones, aber diese Feststellung ist nur für Puristen interessant. Es gibt bessere Sänger als Shernoff, doch so einen Song musst Du erst einmal schreiben und vor allem arrangieren.
Shernoff beklagt in dem Song den bedauerlichen Wandel New Yorks zur Banker-Town und verpackt dies in einem Ohrwurm, den heutzutage niemand hören will, so dass wir hier leider nicht über den Hit der Saison reden. Dieser Song ist Old-Style und wird nicht die Beachtung finden, den er zweifelsohne verdient hätte.
Ein weiteres Mitglied der aktuellen Besetzung ist der Drummer Albert Bouchard. Er war Gründungsmitglied von Blue Öyster Cult, einer Band, mit der die Dictators bereits in den 70ern über die Plattenproduzenten verbandelt waren. Als BÖC Mitte/Ende der 70er ihre größten Erfolge feiern konnten, war er dabei.
Bekanntermaßen konnten die Dictators seinerzeit keinen vergleichbaren Erfolg einheimsen, gelten aber wie BÖC unter Kritikern bis heute als stilbildend für das Genre. 1973 fingen sie an. In jenem Jahr nahmen die New York Dolls ihre erste LP auf. Nach der zweiten Platte war 1974 erst einmal Schluss für Sylvain Sylvain und die Dolls.
Sylvain und seine Mitstreiter David Johansen und Johnny Thunders konnten sich von ihrem Kultstatus nichts kaufen. Auch das ist eine weitere Parallele zu den Dictators, die es ebenfalls nie über den Status der Kritikerlieblinge hinaus geschafft hatten. Beide Gruppen waren halt zu früh unterwegs.
Zum Glück sind die prägenden Aufnahmen beider Bands heute nach wie vor abrufbar; genau wie die Songs all der anderen verkannten Genies der Rockmusik. Ich bin auch nach wie vor davon überzeugt, dass kommerzieller Erfolg den Ruf, sprich Nachruf, eher versaut. Elvis Presley oder die Stones sind meiner Ansicht nach hierfür gute Beispiele.
Was bleibt, ist ein herausragend guter neuer Song der Dictators, der auf ein Album hoffen lässt. Und Sylvain Sylvain bleibt unvergessen. Ich werde heut Abend mal die alten Scheiben wieder anhören. Skol!

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