Ende November hatte ich mal wieder das zweifelhafte Vergnügen, den Schienenersatzverkehr nutzen zu dürfen. Und zwar am Donnerstag, dem 19. – einem Tag nach der Neufassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes durch den Bundestag. Also einen Tag, nachdem das Parlament die Regierung im Gesetz ermächtigt hatte, in einem Pandemiefall Notverordnungen zu erlassen.
Ich selber war zu der Zeit zu 50% im Home Office - bin es vielleicht ja noch – und war gerade kurz vor 5.30 Uhr in der Früh am Bahnhof angeradelt gekommen, um turnusmäßig nach Salzgitter in mein Büro zu fahren. Heute war ich also wieder im Büro, würde zunächst meine ganzen Bescheide und anderen Dokumente ausdrucken, die ich tags zuvor im Home Office als Druckauftrag abgeschickt hatte.
Anschließend würde ich mein Postfach sichten. Nein, nicht das Email Postfach. Bei der Stadt haben wir natürlich (noch) kein papierloses Büro. Da steht keine Aushilfe in der Poststelle, welche die eingesandten Anträge, Rechnungen etc. einscannt und eben diese in mein Email Postfach sendet.
Hier passt Westernhagen: „Der Junge auf dem weißen Pferd… der kommt nicht mehr! Da müsstest Du schon selber geh`n…“ Dauert halt noch etwas. Die öffentliche Verwaltung lebt ja von der Präsenz des Mitarbeiters. Da ist das gerade eingerichtete „mobile Arbeiten“ über eine Virtual Desktop Infrastructure (VDI) bereits ein sensationeller Fortschritt. Und das Ganze läuft sogar auf meinem privaten PC! Da spart mein Arbeitgeber Kosten und wirft mir den Knochen der gesparten Fahrtzeit und –kosten hin.
Aber zuerst zurück zu 5.30 Uhr und dem Bahnhof. Da schnallte ich mir schnell den Mund Nasen Schutz vor und betrat frohgemut die Eingangshalle des Bahnhofs. Schon von weitem konnte ich erkennen, dass mein Zug an der großen Anzeigetafel mit einer Bemerkung versehen war. Fuhr die Deutsche Bahn heute wieder mal nur mit einem statt zwei Wagen?
Nein. Der Begriff, den es heute beim Glücksrad zu erraten gilt, heißt Schienenersatzverkehr. Toll. Als nützliche Zusatzinformation scrollte dann noch „Abfahrt Bahnsteig A hinterer Bereich“ über die Tafel. Diese Verschlüsselung konnte ich glücklicherweise dank jahrelanger (vor allem leidvoller) Erfahrungen mit dem Unternehmen Deutsche Bahn auflösen.
Morgens im Zug - diesmal nicht
Kurz darauf stand ich also wieder draußen - Bahnsteig A hinterer Bereich - und schaute auf meine Ticktack. 5.34 Uhr und ergo (nein Danke, bin schon versichert) noch 17 Minuten bis zur planmäßigen Abfahrt. Da hockte ich mich auf einem dieser festgeschraubten Metallsitze und holte ihn raus, nein, selbstverständlich es. Mein Smartphone. Dort habe ich doch die Power App drauf, sprich den DB Navigator.
Auf den schaue ich immer wieder gern drauf. Leider erst dann, wenn der Schaden, sprich der Zugausfall oder die Verspätung, bereits eingetreten ist. Und auch jetzt wurde ich nicht enttäuscht! Die App zeigte den Zugausfall korrekt an. Hinzu kam noch eine Zusatzinformation als Belohnung für mich: Grund des Zugausfalls war ein unvorhergesehener Personalausfall.
Corona? Könnte natürlich sein. Aktuell ist das ja die Begründung für alles Mögliche. Hieß es noch vor kurzem „hierzu habe ich keine Lust“, so sagt man neuerdings „tut mir leid, ich würde ja gern. Aber wegen Corona ...“. Angewandt bei Freunden, in der Familie oder im Kollegenkreis sorgt dieses eine Wort für Ruhe und Gemütlichkeit, wo sich vorher eine gesellige Runde fröhlich gefunden hatte.
So kann man in Corona-Zeiten einen Zugausfall auch mit fehlendem Personal begründen. In der Zeit vor Corona kam es interessanterweise niemals zu Personalausfällen, da gab es nur „Störungen im betrieblichen Ablauf“. Das klang immer so herrlich unkonkret, ja fast schon geheimnisvoll.
Doch neuerdings hat alles Negative, was einem so widerfahren kann, etwas mit Corona zu tun. Das ist praktisch, weil man dagegen ja nichts tun kann. Außer vielleicht die Maske aufsetzen und Abstand halten. Obwohl.... das hatte ich ja gemacht, aber mein Zug nach Salzgitter war trotzdem ausgefallen.
Zu meiner großen Freude hatte mein DB Navigator zusätzlich noch eine brandheiße Information für mich parat. Der Bus des Schienenersatzverkehrs würde von der Firma Sausewind gestellt werden. Donnerwetter! Da war ich baff. Ob der Name des Busunternehmens hier Programm ist? Ich zweifelte daran, weil der Bus auf sich warten ließ.
Er fuhr aber pünktlich um 5.52 Uhr (eine Minute nach der ursprünglichen Zugabfahrt) am Bahnsteig A vor. Will sagen, er fuhr am hinteren Bereich, wo ich mit zwei anderen Pendlern stand, vorbei und preschte bis zum Anfang der Haltestelle - und die ist 50 Meter lang - vor. Wir Pendler gingen sicherheitshalber sofort in den Laufschritt über.
Als ich dann endlich meinen Sitzplatz eingenommen hatte (was bei lediglich drei Passagieren anspruchsvoll war - welchen Platz soll ich nehmen?), fiel mir augenblicklich die doch recht schwache Deckenbeleuchtung unangenehm auf.
Diese schummrige Beleuchtung erinnerte mich unwillkürlich an den Verhörraum in all diesen Fernsehkrimis, in dem die Leute bei solch trüben Licht in trister Umgebung stundenlang hingesetzt werden, derweil sich der vernehmende Officer (oder Gestapobeamte) draußen einen Kaffee zieht, nicht ohne die Reaktion des Verdächtigen auf der anderen Seite der schwarzen Scheibe genau zu analysieren.
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