Sonntag, 23. Juni 2019

Hartmudo: Mutter


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Ob das „Loch" in der Wand also einen Aktivposten beim Verkauf der Wohnung darstellt, erschien auf alle Fälle fraglich. Anders als der Makler glaubte ich nicht, dass ein potentieller Käufer den großen Raum halbiert und die Tür dann nützt, um einen zusätzlichen Raum zu erhalten. Als Kinderzimmer womöglich, wie der Makler mutmaßte. Welche Familie mit Kind ist so verstrahlt, in eine für 3 Personen verhältnismäßig kleine Wohnung im 3. Stock ohne Fahrstuhl einzuziehen? Vielleicht musste sich der Makler aber auch einfach nur mal kurz die Nase pudern.
Nach dem Gang durch die Wohnung setzten wir uns erst einmal alle um den kleinen Tisch mit den schönen alten Stühlen. Reiner wie Bud hielten sich im Hintergrund, sie kamen an diesem Tag untereinander gänzlich ohne Kommunikation aus. Ich denke, dass sich die beiden niemals vorher so fremd waren. Eins war klar: Freunde werden die Beiden nie mehr wieder.
Der Makler packte sein schwarzes Mäppchen aus und erklärte uns seine Sicht der Dinge. Dies tat er ruhig und sachlich, denn er wusste um die Schwierigkeiten, die wir Geschwister im Umgang miteinander hatten. Berta hatte ihn im Vorfeld gebrieft. Dies ließ sich dieser Profi natürlich nicht anmerken. Wenn ich so darüber nachdenke, erinnerte er mich ein bisschen an Saul Goodman. „Better call Saul", ich kann die dritte Staffel kaum noch abwarten.
Zuerst zählte er die „Baustellen" noch einmal auf. Da hätten wir die Elektrik mit dem fehlenden FI-Schalter. Dann die mit einer Fermacellplatte versteckte Tür; diese verkaufte er uns immer noch als möglichen Vorteil. 3. Obergeschoss ohne Fahrstuhl - wenigstens erwähnte er dies noch.
Er empfahl uns, das Bad nicht mehr renovieren zu lassen. Nicht, weil es so toll aussah, sondern weil jeder einen eigenen Geschmack hat und sein Bad lieber selbst gestaltet. Er erwähnte dabei, das sich ein Badumbau nicht wertsteigernd auswirken würde. Gleiches galt selbstverständlich auch für die Küche. Die sollten wir aber ruhig drinlassen. Schlecht war sie ja nicht; ein Käufer würde sie vielleicht sogar behalten.
Der Makler kannte das Haus natürlich - ein richtiger „Tough Guy" saß da also mitten unter uns. Und natürlich kam dann die Story von der von ihm verkauften Wohnung aus dem Erdgeschoss im selben Hauseingang wie Mutters Wohnung. 80.000,-€ hätte die gebracht.
Sunny warf dann schnell ein, dass sie auch recherchiert hatte und die Immobilienpreise ja nahezu explodiert seien. Obwohl sie auch die Konnektion über Dörtes Freundin erwähnte, war ich dankbar für ihren Einwurf. Denn nun kamen wir endlich zur Sache, Schluss mit dem Vorspiel, jetzt waren nackte Tatsachen gefragt.
Während Sunny noch redete, zückte der Makler schon seinen Taschenrechner und fing an, wie wild darauf herumzutippen. Dazu nickte er wissend und signalisierte uns damit, dass er alles unter Kontrolle hat. Ich denke, dass die im Auto gebliebene langhaarige Blondine diese mentale Stärke an ihm schätzt. Keine Frage, der Makler ist ein erfolgreicher Mann. Ein Typ zum Anlehnen, einer, der ihr immer neue Schuhe kauft.
Nachdem der Makler alles durchgerechnet hatte, kam er mit der klaren Kante. Er taxierte die Wohnung auf 112.000,-€ und machte uns ein großzügiges Angebot. Er vergaß nicht zu erwähnen, dass der Steuerberater von Mutter ihn gebeten hatte, einen fairen Verkauf anzubieten.
Er schlug uns vor, den Verkauf der Wohnung vorläufig mit 125.000,-€ anzusetzen. Die übliche dreiprozentige Provision würde er lediglich bei einem Verkaufspreis zwischen 120.000 und 125.000 verlangen. Sollte der Verkaufspreis unter 120.000,-€ liegen, würde er keine Provision verlangen.
Uns Geschwistern war sofort klar, dass der Makler zumindest 120.000 herausschlagen würde. Darunter würde er nicht gehen, weil er da nichts verdient. Da würden ihn auch Nebenabsprachen mit einem potentiellen Käufer nichts bringen. Wir würden uns zwar für ein halbes Jahr an diesen Makler binden, aber wir hatten eh keinen anderen an der Angel. Und das Ganze selbst über Immoscout organisieren.... Forget it!
Berta und ich waren voll begeistert, Sunny noch nicht so ganz. Ihr waren 125.000 zu wenig und deshalb schlug sie 130.000 vor. Zuguterletzt einigten wir uns auf einen Angebotspreis von 129.000,- €. Die 999,99 am Ende sparten wir uns, Hauptsache unter 130.000. Sieht dann doch gleich viel besser aus.
Der Makler bat uns noch, ihm hierzu einen schriftlichen Auftrag zu erteilen, damit er tätig werden könne. Er bräuchte darin unsere Adressen und Unterschriften. Dies nahm ich in die Hand und würde das Schreiben zur Unterschrift zum nächsten Termin in Mutters Wohnung mitbringen.
Berta wollte dem Makler nach der Wohnungsräumung noch die Schlüssel aushändigen, damit er Fotos machen könnte. Berta übernahm auch noch die Aufgabe, in den Unterlagen nach dem Grundriss sowie andere Papieren wie Grundbucheintrag oder Kaufvertrag, Protokolle der Eigentümerversammlungen etc. zu suchen und dem Makler auszuhändigen; Weitere noch benötigte Informationen würde dieser sich von der Hausverwaltung besorgen. Der Makler drückte uns allen nochmal die Hand und verabschiedete sich. Ich denke, er musste sich jetzt um die Blondine kümmern.
Kaum war er weg, schlug die große Stunde von Reiner. In ausführlichen Worten und sehr gestenreich berichtete er uns von dem Termin mit dem Teppichschätzer. Die Quintessenz war, dass wir kein oder kaum Geld für die Teppiche bekommen würden. Um dieses Ergebnis plausibel zu erklären, benötigte Reiner einige Zeit.
Sein Fachmann war wohl mal bei Wittlake gewesen, dem größten Gangster in dieser Branche, das jetzt nur so nebenbei. Die Teppiche sind echt und haben einen hohen Wert, den allerdings keiner bezahlen würde. Und da der Schätzer deshalb lediglich Hundert oder Zweihundert ausgeben wollte, obwohl die Teppiche erheblich mehr wert wären, lohnte sich ein Verkauf nicht.
Quod erad demonstrandum. Der Typ würde allerdings die 4 antik wirkenden Stühle, auf denen wir die ganze Zeit schon saßen, sowie den dazugehörigen Tisch übernehmen. Das hörte sich erst einmal gut an, aber da Sunny eine Firma zum Ausräumen der Wohnung an der Hand hatte, fiel dies notgedrungen aus.
Für die Wohnungsräumung würden wir kein Geld bekommen, sondern noch 500,-€ zahlen müssen. Und da sich keiner von uns nach den Erfahrungen mit der Auflösung von Walters Wohnung damit befassen wollte, war die Hinzuziehung eines Dritten unverzichtbar. Und der wollte die Stühle halt auch selbst mitnehmen, andernfalls würde er mehr Geld verlangen oder den Auftrag gänzlich ablehnen.
Berta und ich waren es zufrieden. Wir wollten die Angelegenheit jetzt bloß noch abschließen. Von den hohen Beträgen am Verkaufspreis war mir eh schon schwindlig. Da kam es mir auf den einen oder anderen Tausender schon nicht mehr an. Sonst schmeiße ich einen Tausender nicht so einfach weg, aber bei den Überlegungen zur Findung eines Verkaufspreises war mir das zu viel.
120.000 waren mehr, als ich gedacht hatte. Und ich wollte lieber schnell verkaufen als einen Verkauf wegen ein oder zwei Tausendern platzen zu lassen. Die Zahlungen für die Wohnung laufen eh weiter. Und wenn wir Pech hätten, kriegen wir am Ende nicht einmal die 120.000 und müssten für weitaus weniger verkaufen.

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