Thomas Wieczorek – Die geschmierte Republik
Hurra, ich hab ihn durch, meinen letzten Wieczorek. Er war wie alle gut zu lesen und auch wieder informativ. Diesmal beschäftigt sich Wieczorek mit der allgegenwärtigen Korruption in unserer Gesellschaft. Anders als sich „der Deutsche“ selbst gerne sieht, läuft bei uns in Politik, Verwaltung und freier Wirtschaft nicht ohne Schmiermittel.
Anhand von Beispielen weist Wieczorek dies in gekonnter Manier nach und nach knapp 310 Seiten ist man dann schlauer, es sei denn, man hat es wie Contramann eh schon vorher gewusst. Die ideale Lektüre also, um abends auf der Party bei den Diskussionen zwischen zwei Bieren mit Wissen glänzen zu können.
Fakten, Fakten, Fakten. Und wie gewohnt knallt uns Wieczorek seine Beispiele um die Ohren, das es nur so kracht. Das Ende vom Lied ist dann, das Du nach Lektüre des Buches fast alles schon wieder vergessen hast. Und was Du behältst, ist mehr so ein grober Eindruck von der Korruption in Deutschland.
Aber das ist ja immerhin auch schon was, oder?
James Corey – Cibola brennt
Bereits zum vierten Mal ist Captain Holden mit seiner Crew und der Rosinante unterwegs. Die Menschen haben das heimische Sonnensystem durch „Abaddons Tor“ verlassen können. Dies ist die Geschichte über den Beginn der Besiedelung des ersten Planeten außerhalb unseres Systems und sie ist wirklich gut wie fesselnd.
Unabhängige Siedler, eigentlich Flüchtlinge vom zerstörten Ganymed, haben sich mehr oder weniger illegal auf dem Planeten Ilus niedergelassen. Denn eigentlich hat der Megakonzern Royal Charter Energy den Zuschlag zum Abbau der Bodenschätze, hauptsächlich Lithium, bekommen und rauscht gerade mit einem Kolonisierungsschiff an.
Als radikale Siedler das Landungsschiff des Konzerns beim Anflug zerstören, droht die Situation zu eskalieren. Der brutale Sicherheitschef Murtry landet auf dem Planeten und übernimmt dort die Kontrolle.In dieser Situation soll Holden im Auftrag von Erde und Mars, den beiden großen Machtblöcken im Sonnensystem, vermitteln.
Von Anfang an rücken andere Figuren als Holden und seine Crew in den Vordergrund, was dem Roman sichtlich gut tut. Dadurch kann das Autorenteam Daniel Abraham und Ty Franck, die unter dem Pseudonym James Corey arbeiten, den Leser mit immer neuen Figuren leichter in der Serie halten, als dies üblicherweise der Fall ist.
Ob die Wissenschaftlerin des Konzerns namens Elvi als positiv besetzte Figur, die Holden auf dem Planeten unterstützt, oder der Siedler Basia, der für den ersten Anschlag mit verantwortlich ist und zu seinem eigenen Schutz auf der Rosinante in Haft genommen wird… Die Figuren sind einfach klasse in ihren Höhen und Tiefen gezeichnet.
Und dann noch der Sicherheitsmann im Mutterschiff des Konzerns. Havelock tauchte bereits im ersten Roman als Partner von Miller auf Ceres auf und hat seinen großen Auftritt, als er im Verlauf der Handlung die Seiten wechselt und die gefangen genommene Naomi befreit. Zusammen mit Basia, der über sich hinauswächst, bringen sie Naomi zurück zur Rosinante, wo sie letztendlich alle Personen der Schiffe im All retten kann.
Denn die automatische Planetenverteidigung einer untergegangenen Alienrasse dieses Planeten blockiert die Energieerzeugung der Schiffe im All, so dass diese sich nur noch dank restlicher Batteriekapazitäten in der Umlaufbahn halten können.
Das Protomolekül, eine Hinterlassenschaft einer immer noch unbekannten Alienrasse, sorgt auch in diesem Roman für Bewegung, sprich actionlastigen Momente. Miller, der endlich auch wieder eine Rolle spielt, existiert eigentlich nur noch als Bewußtsein, welches durch das Protomolekül unterstützt wird. Ganz am Ende zerstört er im Körper eines Roboters mit Hilfe von Elvi die Zentrale der Planetenverteidigung, nicht ohne schöne Kämpfe a la Transformer.
Die giftigen „Schnecken“, deren Biss tödlich ist und Bakterien in der Luft, die zur Erblindung führen, halten die Menschen – Siedler wie Konzernsoldaten – in Atem. Eine unterirdische Explosion durch die Planetenverteidigung, alte Artefakte der Aliens…. Das alles treibt die Handlung richtig an.
Wie ein Blockbuster im Kino fesselt das Geschehen den Leser und Holden hat natürlich alles im Griff. Auch Amos und Alex, die beiden jetzt noch nicht erwähnten Crewmitglieder der Rosinante, haben starke Auftritte. Da noch viele Rätsel zu klären sind, dürfen wir noch auf einige Fortsetzungen hoffen.
Eins fällt mir noch zu diesem Knaller ein: „Game of Thrones“ wurde auch dank seiner epischen Ausmaße in der Verfilmung als Serie zum Hit. Der „Expanse“ Zyklus von James Corey, dessen 4. Band hier vorliegt, hat ebensolche Qualitäten. Leider ist dies Science Fiction und nicht Fantasy, ansonsten wäre es schon in Serie.
Wie schade.
Joe Haldeman – Camouflage
Der Altmeister mal wieder mit einem relativ kurzen Roman von ca. 350 Seiten. Im Jahr 2021 holt der Meeresbiologe Russell Sutton m it seinem Partner Jack Halliburton ein außerirdisches Artifakt aus dem Pazifik bei Samoa. Zusammen mit Experten der NASA versuchen die Beíden dem Geheimnis des großen metallischen Eies zu entschlüsseln. Das widerstandsfähige Metall hält aber selbst den stärksten Lasern stand.
Nur der geneigte Leser weiß, dass dieses Artefakt auf zwei außerirdische Lebensformen wartet. Der eine – der Wechselbalg – hat Jahrtausende als Fisch und ca. ab dem 20. Jahrhundert als Mensch überlebt. Er passte sich an seine Umgebung an und verliebt sich schließlich in seiner Gestalt als Wissenschaftlerin in Sutton.
Das Chamäleon dagegen ist schon länger als Mensch unterwegs und hatte bereits während der Menschheitsgeschichte vielfach seinen sadistischen Neigungen gefröhnt, unter anderem als Assistent von Josef Mengele.
Sanft und leidlich spannend plätschert die Story dem Ende entgegen, in dem sich Halliburton als Chamäleon entpuppt und schließlich vom Wechselbalg getötet wird. Das Artefakt ist das Raumschiff des Wechselbalgs und verlässt am Schluss des Buches mit dem Wechselbalg und Sutton, der seine menschliche Gestalt opfert, um bei seiner Liebe – dem Wechselbalg – bleiben zu können.
Dieser Roman ist wahrlich nicht zu den Höhepunkten von Haldeman`s Schaffen zu zählen. Vielleicht ging es dem Autor um den ewigen Kampf Gut gegen Böse; da kann man mühelos noch mehr hineininterpretieren. Insgesamt aber ein Buch, das man nicht gelesen haben muss.
Andreas Brandhorst – Ikarus
Wieder so ein für sich stehendes Werk des mit Abstand besten deutschen Autors der Science Fiction. Und was für eine geile Geschichte!
Auch in diesem Roman stellt Brandhorst wieder mal ein vollkommen neues, aber komplexes Universum vor. Anders als noch in seinen letzten Romanen jedoch reden wir hier nicht über galaxisweit reichende Imperien und Aristokratien a la Star Wars.
In Ikarus bleibt das politische System der Menschen blass im Hintergrund. Es ist eher eine Organisation, wie wir sie hier im Jahre 2015 auf der Erde schon gewohnt sind. So gibt es Kreditoren, sozusagen die Oberschicht und mit den entsprechenden Privilegien gesegnet. Noch darüber stehen die Holder, hyperreiche und entsprechend mächtige Wirtschaftskapitäne, die mit ihren Wirtschaftsimperien sich gegenseitig bekriegen
Dann wären da noch die Debitoren, die Schuldner, also Du und ich. Politische Machtblöcke wie heuer auf der Erde gibt es dagegen auf Tayfun im Tau-Ceti-System nicht. Dieser Planet sowie 16 andere Kolonien gehören zur Independenz, die zum Zeitpunkt der Handlung bereits seit 400 Jahren von den Regulatoren, einem Verbund von 12 Alienvölkern, vom Rest der Galaxis und damit von der Erde und anderen Kolonialplaneten, die wiederum von den Protektoren abgeriegelt wird, getrennt ist.
Der Holder Jamis Takeder wurde ermordet, hat aber dank seines Kopiaten (Klon) 20 Tage Zeit, um seinen eigenen Mörder zu finden. Dafür bleiben ihm 20 Tage Zeit, bevor sein violetter Körper unwiderruflich zerfällt und stirbt. Gegen das vorherrschende System existiert noch eine Widerstandsgruppe, die Liberalisten, die die 400 Jahre währende Isolation beenden wollen.
Im Laufe der Handlung raufen sich die Todfeinde Takeder und Mercurio, der Anführer der Liberalisten, zusammen und beenden die Umklammerung der Alienvölker in einem dramatischen Finale auf einem Mond des Saturn.
Als der Kopiat Takeder mit letzter Kraft den mehrfachen Schwindel und die Manipulation durch sein Original, der nicht wirklich gestorben war, durchschaut, wählt er eine alternative Zukunft zur von seinem Original erwünschten Welt aus und befreit damit die Menschheit von den Aliens sowie dem anfangs beschriebenen Gesellschaftssystem.
Zu diesem Zeitpunkt sind sowohl Mercurio und seine Partnerin Nadia als auch Lokri und Bashra, zwei Debitoren in einem immer wieder eingeschobenen Handlungsstrang, vermeintlich tot. Hatte ich schon die „neuen Menschen“- halb Mensch, halb Maschine, sogenannte Rigger, erwähnt? Die greifen nämlich die Aliens an und unterstützen in Gestalt von Clatim Undenyr die Protagonisten.
Ganz ehrlich: Die ersten 200 Seiten fielen mir sehr schwer. Immer wieder musste ich ins Glossar am Ende des Buches schauen, um die vielen Begriffe wie auch Alienvölker in Zusammenhang bringen zu können. Die Handlung habe ich oben nur kurz umrissen; da passiert dermaßen viel, da machen andere über 10 Romane draus. Wahnsinn.
Zum Glück führen die 2 Hauptstränge (Mercurio und Takeder) nach 200 Seiten mehr und mehr zusammen, so dass das Geschehen überschaubar wird. Eigentlich scheinen da die Rätsel schon gelöst, aber dann gibt Brandhorst erst so richtig Gas. Auf einmal wird das Gewusel der ersten 200 Seiten verständlich, obwohl mit den Zeitlosen und den Unparteiischen nochmals neue Parteien die Bühne betreten.
Am Schluss blieb ich atemlos, aber begeistert zurück. Bitte verfilmen und schnell. Brandhorst hat sich nochmals steigern können. Eine derartige Fülle an Ideen in nur einem Roman hab ich auch bei den Stars des Genres noch nicht erlebt.
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