14
Irgendwann im September meldete sich das Amtsgericht. Ich hatte ja vorsichtshalber noch meinen Anspruch auf Erstattung der Bestattungskosten angemeldet, damit ich überhaupt ne Chance auf das Geld hätte. Und, oh Wunder, das Amtsgericht teilte mir die Kontaktdaten von dem Nachlassverwalter mit, obwohl ich ja kein Verfahrensbeteiligter war.
Wahrscheinlich liegt es aber daran, das ich mich beim Amtsgericht Ende Juli noch mal in Erinnerung gebracht hatte. Die bisherigen Ereignisse, auch die mir gegenüber abgegebenen mündlichen Äußerungen, hatte ich bei dieser Gelegenheit schriftlich fixiert. Nicht das es hinterher heißt „...davon haben wir nichts gewusst...“. Außerdem hatte ich explizit noch einmal die Bestattungskosten geltend gemacht für den Fall, das das Amtsgericht mir den Nachlassverwalter nicht mitteilt. Ich versprach mir von diesem Schreiben eine Regreßmöglichkeit für den Fall der Fälle.
Zum Glück war dies alles ja gar nicht nötig. Die Antwort, dass die Schwägerin aus Florida zu diesem Zeitpunkt noch nicht reagiert hatte, kostete mich 10,- € Gebühr an das Amtsgericht. Meinen Dank ans Amtsgericht hierfür äußerte ich Anfang August schriftlich mit der Feststellung, dass zwischen dem Amtsgericht und mir Einigkeit über Inhalte und Ablauf der vergangenen Gespräche herrscht, weil sich die Rechtspflegerin ja nicht anders äußerte. Soviel Paranoia muss sein.
Der Nachlassverwalter kam übrigens Anfang September auf mich zu, weil ich ja noch die ganzen Unterlagen hatte und bat um einen Termin zwecks Übergabe sämtlicher Unterlagen. Nach der Arbeit schaute ich in seiner Kanzlei vorbei und schilderte ihm die ganze Geschichte. Mitte September forderte ich meine Aufwendungen für die Bestattung nochmal schriftlich von ihm ein, auch die zusätzlichen Kosten für Blumen, Beköstigung usw.. Die Unterlagen hatte der Notar bereits unmittelbar nach dem ersten Meeting von mir zuhause persönlich abgeholt.
Mann, war der schnell. Ich war richtiggehend begeistert. Nach all dem Nerv in den Monaten zuvor lief die Sache auf ein gutes Ende hinaus. Eine Frist zur Begleichung meiner Auslagen hatte ich gesetzt; Ja ich konnte dann Mutter sogar mehr als die reine Rechnung des Bestattungsinstituts zurückzahlen. Mit meinen Schwestern überlegte ich noch kurzzeitig, ob ich Mutter denn auch den Teil der sonstigen Kosten weiterreichen sollte. Schließlich hatte sie mich total im Regen stehen lassen und auch nur 3000,- € an mich gezahlt.
Aber nein, nachtreten wollte ich nicht. Mutter sollte diese Kosten auch noch kriegen, da wollte ich mir nichts nachsagen lassen. Alles war gut, der Herbst war schön. Mit Dora und Herbert verbrachten meine Löwin und ich einen schönen Tag in Lüneburg, um ein Kusinentreffen zu planen. Ein wirklich sonniger und schöner Samstag im Oktober. Wir gingen gerade bei Lüneburg durch ein Waldstück, das Licht schien golden durch die regenbogenfarbigen Blätter.... Da klingelte mein Handy.
Es war der Notar. Und er war ganz konsterniert, weil er beim Versuch, die Kaution des Heims von Walters Konto einzusammeln, feststellen musste, dass Mutter vom Konto die 8000,- € abgehoben hatte. Ob ich darüber etwas wüsste?
Ich konnte dem Notar am Telefon gerade noch glaubhaft versichern, dass ich mit Mutter schon seit längerem keinen Kontakt hatte und selbst vollkommen perplex war. Mit der Versicherung, mich sofort darum zu kümmern und Mutter anzurufen, legte ich auf. So was!
Hatte Mutter sich einfach mal so eben 8000,- € unter den Nagel gerissen. Und mir was von der armen alten Frau erzählen. Und keiner kümmert sich um einen.... Boah, war ich sauer! Der Notar erwähnte am Telefon richtigerweise, dass Mutter sich strafbar machen könnte. Wie wahr, wie wahr. Wutentbrannt rief ich bei Mutter an.
Mich mühsam beruhigend erklärte ich ihr, dass sie nicht einfach so das Geld nehmen könne. Schließlich ist das Diebstahl. Sie solle das Geld gefälligst sofort auf das Konto wieder einzahlen. Mutter glaubte mir nicht und steigerte sich in den Wahn, ich wolle ihr was Böses. Sie wollte angeblich nur das Geld in Sicherheit bringen, weil die Bank ihr gesagt hätte, das das Konto aufgelöst würde. Dann wäre das Geld weg.
Typisch Bank. Erst musste ich vor Wochen feststellen, das Daueraufträge und Einzugsermächtigungen für Firmen weiter gelten und dann noch so was. Diese Heckenpenner! Mit letzter Kraft nahm ich meine Stimme zurück und beendete das Gespräch mit Mutter. Sofort rief ich den Notar an und bat ihn, mit Mutter zu sprechen, weil ich hoffte, das sie wenigstens auf ihn hören würde. War dann auch so, wie er mir kurze Zeit später bestätigte.
Was für ein Schreck in der Abendstunde. Mutter hatte es ja faustdick hinter den Ohren, war mein erster Gedanke. Auf der Rückfahrt nach Braunschweig beruhigte ich mich aber wieder und verstand dann doch irgendwie Mutters Handeln. Abgebufft auf alle Fälle, aber zu guter Letzt hatte sie dann ja doch ein Einsehen und zahlte das Gelds ein paar Tage später aufs Notaranderkonto ein.
Wenn Ihr jetzt denkt, das ich damit das Geld endlich zurückbekommen hatte, habt Ihr Euch getäuscht. Mitte Januar des nächsten Jahres hatte ich das Geld immer noch nicht. Da war ich aber auf den Notar richtig sauer. Schließlich hatte ich ja eine Menge an Vorarbeiten erledigt und seinerzeit eine Vermögensaufstellung erstellt und alle möglichen Stellen von Walters Tod informiert. Das wäre eigentlich sein Job gewesen!
Ich schickte dem Notar also nochmal eine Erinnerung und mahnte gleichzeitig Verzugszinsen an. Und siehe da, er zahlte! Endlich. Hurra, Konfetti, Senf unter die Decke! Jetzt war es vorbei. Mutter hat ihre 3000,- € zurückbekommen plus ca. 200,- € für Blumen und Bewirtschaftung vor Ort. Die Verzugszinsen habe ich natürlich behalten.
Jetzt war es endlich ausgestanden.
Ein Resümee fällt mir jetzt schwer. Schließlich sind beim Schreiben dieser Zeilen auch schon wieder mehr als 12 Monate vergangen und meine jeweiligen Feelings habe ich ja beschrieben. Interessant ist vielmehr eher, wie der Kontakt zu Mutter heute aussieht.
Letztes Mal haben wir sie beim traditionellen Weihnachtsessen im Familienkreis bei Berta und Bud am zweiten Weihnachtsfeiertag getroffen. Mittlerweile kann ich die ganze Zeit neben ihr sitzen und mich mit ihr unterhalten. Sie erzählt dann von ihren Reisen und auch wie sehr sie Walter vermisst. Einmal die Woche trifft sie sich in der Kirchengemeinde beim Seniorenkreis mit anderen „Oldies“, damit sie nicht so einsam in ihrer Wohnung hockt. Sunny ist auf einmal die Beste, weil Sie „die Einzige ist, die sich mal meldet“.
Ich selbst hatte nur zum Muttertag und lang nach ihrem Geburtstag angerufen (an ihrem Geburtstag war sie in der Türkei). Unser Verhältnis ist immer noch unterkühlt, aber wir sprechen ja miteinander. Quasi als ob nichts gewesen wäre. Eigentlich wollte ich sie ja zur Rede stellen, bevor ich überhaupt noch ein Wort mit ihr wechsle. Aber ich habe mittlerweile eingesehen, das dies keinen Wert hat.
Mutter würde es sowieso nicht verstehen. Sie lebt in ihrer eigenen Welt. Andere – selbst ihre eigenen Kinder – sind da nicht so wichtig. Ich habe jetzt nur noch Angst, das ich im Alter genau so drauf kommen könnte. Das will ich nicht.
Mit meiner Löwin gibt sie sich sogar auch wieder die Hand, nennt sie sogar wieder beim Vornamen. Ansonsten haben sich die Beiden nichts zu erzählen. Entschuldigen wollte sich Mutter nicht und meine Löwin hatte irgendwann auch nur abgewunken. Hat halt auch für meine Löwin keinen Wert. Sie will sich nicht mehr über Mutter aufregen müssen und lässt es mehr oder weniger ablaufen.
So mache ich es auch.
Insgesamt bleibt mir nur die Feststellung, das dies alles vollkommen unnötig war. Hätte Mutter den Auftrag zur Bestattung anstatt meinereiner unterschrieben, hätte die Welt ganz anders ausgesehen. Mutter hätte das Geld einfach vom Konto genommen und davon die Beerdigung bezahlt. Ich wäre offiziell nicht involviert gewesen und mich somit auch nicht strafbar machen können.
Und den Richter möchte ich sehen, der eine über 90jährige Frau ins Kittchen steckt! Es hätte sicherlich Probleme gegeben, aber letztendlich hätte das Amtsgericht zähneknirschend nachgegeben. Da bin ich nach wie vor felsenfest überzeugt.
Mutter und meine Löwin und ich hätten sich nach wie vor gut verstehen können, auch wenn unsere „Freundschaft“ einige Kratzer behalten hätte. Diese Eskalation wegen der Telefonnummer der Schwägerin war sowas von unnötig. Meine Fresse.
Aber Mutter wollte es ja so haben. Ich bin immer noch traurig, das ich diese negative Seite meiner Mutter so heftig kennenlernen musste. Aber vielleicht war das auch unausweichlich, nachdem offenbar vieles in den Jahren zuvor von Seiten Walters und auch Mutterns mehr gespielt als alles andere war.
Diese ewige Angst und das Misstrauen von Walter (Heimkindsyndrom) hat er bis zum Tode für sich behalten können. Es tut mir immer noch weh, das ich mich so in diesem Menschen getäuscht hatte. Meiner Löwin geht es genauso. Und Mutter unterstützt dies immer noch; auch über seinen Tod hinaus.
Das ist bitter. Aber jetzt nicht mehr zu ändern. Schade, so sollte ein Mensch nicht abtreten. Walter, warum nur? Meine Löwin und ich sind immer noch erschüttert, auch wenn wir es mittlerweile abgehakt haben.
Bei dieser Aktion haben also alle draufgezahlt. Meine Löwin und ich hoffen aber, daraus etwas für uns selbst gelernt zu haben. Egal was ist, aber das Vertrauen zueinander darf nicht verloren gehen. Schade, das Mutter dies nicht kapieren will.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen