Freitag, 29. März 2019

Hartmudo: Vitalium


3
Der Mann im Arztkittel, der nach kurzer Zeit auf dem Flur vorbeiging, musste wohl der Arzt sein. Und tatsächlich; gleich darauf ging die Tapetentür auf und der Doc erschien. Mit einem kräftigen Händedruck begrüßte er mich freundlich und bat mich in sein Behandlungszimmer, welches hinter einem Büro lag, in dem schon eine Schwester lauerte.
Dr. Hönck von Plachy - so der Name des Arztes und Betreibers der Klinik - hatte meine Frisur, war aber schätzungsweise Mitte 60 bis Anfang 70. Routiniert fragte er nach meinen Vorerkrankungen und den Medikamenten, die ich so ständig zu mir nehme. Das hatte ich bereits im Vorfeld aufgeschrieben, so dass er die mitgebrachte Liste schnell abschreiben konnte.
Währenddessen plaudern wir nett unseren Small Talk. Ich hatte sofort ein positives Bild von Dr. Hönck, der bei mir einen freundlichen und zuvorkommenden Eindruck hinterließ. Wichtiger hierbei war natürlich, dass er bei seinen Ausführungen Kompetenz ausstrahlte. Als Facharzt würde ich ihn zwar nicht bezeichnen, aber zu einem vernünftigen Hausarzt reicht es auf jeden Fall.
Nach der Abklärung meiner Beschwerden maß er meinen Blutdruck, der mit 136:83 im unauffälligen Rahmen blieb. Wie auch bei meinem Hausarzt üblich, legte ich mich auf eine Liege, so dass der Doktor alles abklopfen konnte. Leber unauffällig, das hört man gern. Er quetschte mir sogar noch einen Mitesser auf meiner Brust aus. „Ich bin Arzt. den kann ich nicht dort lassen“ meinte er hierzu nur lapidar. Danach musste ich einfach auf einer Linie auf und ab gehen; der Doktor war zufrieden, weil es auch hier keine Auffälligkeiten gab.
Anschließend setzte ich mich wieder vor seinen Schreibtisch, die 20 Minuten waren gerade abgelaufen. Beim Blick auf meine Medikation bat er mich , für die Zeit meines Aufenthalts in der Klinik den Betablocker morgens sowie den Cholesterinhemmer abends wegzulassen. Sollte ja auch beim Fasten überflüssig sein.
Für jeden Morgen schrieb er mir abwechselnd Bein- und Lendenwickel auf. „Für das offene Bein“, wie er meinte. Leberwickel würde ich nicht benötigen, die Lendenwickel morgens wären für mich besser. Meine beiden im Preis inbegriffenen Massagen terminierte der Arzt für Montag und Donnerstag. Daneben hätte ich noch die Gelegenheit, ab Montag morgens um 7.45 Uhr am Frühsport teilzunehmen.
Zum Abschluss kam er auf das Bittersalz zu sprechen, welches in der Klinik zum Entschlacken benutzt wird. Dieses Salz würde jeden Abend beim Abendessen auf dem Tisch stehen. Viele würden das Salz gleich abends nehmen, er jedoch empfahl die täglich erfolgende Einnahme des Bittersalzes am Morgen. Danach waren wir durch und er verabschiedete mich aus seinem Reich.
Draußen wartete meine Löwin bereits auf ihren Termin. Da ich nichts besseres vorhatte, blieb ich gleich dort mit meinem Buch sitzen, bis meine Löwin ihrerseits fertig war. Zwischendurch tauchte dann Pocke zu seinem Termin auf. Wir tauschten uns noch etwas aus, bevor Pocke meine Löwin im Arztzimmer ersetzte.
Pocke hatte bereits das Frühstück zuhause an diesem Tag sein gelassen und schob jetzt richtig Kohldampf. Daher beschlichen ihn bereits kleine Zweifel, ob das mit dem Fasten wirklich so richtig sei, aber aufgeben wollte er deswegen noch lange nicht. Zu seiner (hoffentlich) Beruhigung konnte ich ihm aus eigener Erfahrung berichten, dass sich das mit dem Hungergefühl nach kurzer Zeit geben wird.
Zusammen mit meiner Löwin ging ich dann die Stufen in den dritten Stock hinauf, weil wir uns schnell umziehen wollten. Um 18.00 Uhr war Abendessen angesagt, da wollten wir nicht fehlen, obwohl wir sicherlich leer ausgehen würden. Wieder im Erdgeschoss, gingen wir in den Vorraum des Speisesaals, wo für uns vier ein Extratisch gedeckt worden war.
Kurz darauf kam Pocke in den Speisesaal - ohne Patti. Die hatte sich laut Pocke kurz hingelegt und darüber den Arzttermin verpennt. Eine Bedienung brachte uns das Abendessen - eine Fastensuppe - und fragte nach Patti.. Pocke rief deshalb Patti an, die daraufhin vollkommen übermüdet zum Arzt hechelte.
Die Fastensuppe war tatsächlich richtig lecker. Die Konsistenz würde ich schlicht mit dem Wort „dünn“ beschreiben, dafür war die salzarme Plürre wenigstens mit gestifteltem Gemüse gesegnet. Mit Salz und Pfeffer aufgepeppt schmeckte sie sogar richtig lecker.
Das Abendessen, welches ansonsten lediglich aus einer Kanne Anis Fenchel Kümmel und zwei Orangenschnitzen für jeden bestand, war bereits abgeräumt, da rauschte Patti um die Ecke. Nach dem Gespräch mit dem Arzt hatte sie sich für ein Basenfasten statt des von uns praktizierten Heilfastens entschieden.
Ich denke, dass war eine gute Wahl von ihr. Denn im Gegensatz zu uns wiegt sie eher zu wenig. Für sie ging es in erster Linie darum, das Gleichgewicht in ihrem Magen Darm Trakt wieder herzustellen.
Die Serviererin meinte dann, dass Patti sich in den Hauptteil des Speisesaals setzen müsste, da das Servieren der basischen Speisen für die Heilfaster nicht so gut wäre. Befürchtete sie etwa Tumulte? Jedenfalls wollten wir anderen drei Patti nicht allein im Speisesaal für die nächste Woche sitzen sehen, so dass wir uns aufdrängten, mit ihr sofort in den Hauptsaal umzuziehen.
Wir versicherten der Serviererin, dass es uns nichts ausmachen würde, zwischen all den Leuten mit der basischen oder gar Vollkost zu sitzen. Die Serviererin war allerdings so freundlich, uns ganz hinten am äußersten Rand dieses Raumes zu platzieren. Das war also nun unser Tisch für die nächste Woche.
Nachdem Patti dann mit ihrem Essen fertig war und wir unsere Kannen Anis Fenchel Kümmel hineingequält hatten, blieben nur noch 4 Wassergläser mit einem weißen Pulver darin über. Das Bittersalz! Meine Löwin und Patti nahmen diese Hürde sofort zu dieser Gelegenheit, während Pocke und ich uns zierten. Wir beriefen uns auf den Doktor, der eine Einnahme frühmorgens empfohlen hatte. Jedenfalls wusste meine Löwin zu berichten, dass dieses Bittersalz nicht so schlimm wie Glaubersalz sei.
Wir blieben noch ein bisschen sitzen und mutmaßten, was uns in dieser Woche so alles blühen würde. So nach einer halben bis ganzen Stunde hatte meine Löwin es plötzlich eilig, auf ihr Zimmer zu kommen.
Für den Ausklang des Abends wollten wir zusammen im Appartement Fernsehen schauen. Während meine Löwin noch an ihr Zimmer gefesselt war, gingen Patti und ich mit Cooper raus, Pocke war nach dem opulenten Abendmahl zu schlaff. So konnte ich Patti beim Koffertragen helfen, denn ihr Gepäck hatte Pocke am Nachmittag nicht ausgepackt, da er verständlicherweise nicht mehr mit Patti gerechnet hatte.
Hinterher saßen wir alle Vier ziemlich abgeschlafft vor der Glotze und schauten „Last Vegas“, einen wunderschönen Film mit Robert de Niro, Michael Douglas, Morgan Freeman und Kevin Kline. Meine Löwin musste nach der Hälfte des Films aufbrechen, irgendein Zwang zog sie in ihr Zimmer, genauer gesagt ins Badezimmer.
Ich schaute mir noch mit Patti und Pocke das rührende Happyend an, dann schlich auch ich auf mein Zimmer und las noch ein paar Seiten in meinem Buch. Mein Magen knurrte nicht, als ich das Licht ausmachte und mich schlafen legte.

Dienstag, 26. März 2019

Hartmudo: Vitalium


2
Samstag, 9. Februar. Es geht los. Oder doch nicht? Sushi bereitet Probleme. Unsere bald 20 Jahre alte Katze frisst wie ein Scheunendrescher und hat Kacka an den Füßen, am Fell und so weiter. Doch nach einem kurzem Gespräch mit Diana, unserer Catsitterin, konnten wir das entspannter sehen.
Charles und Diana werden vor allem Sushi beobachten, ob sie Symptome einer Krankheit zeigt. Sollte dies der Fall sein, rufen sie uns an und dann ist es von Bad Lauterberg bis nach Hause vielleicht eine Stunde. Das sollte für den Tierarzt reichen. Meine Befürchtung, dass meine Löwin wegen Sushi die Fastenkur absagt, erfüllten sich zum Glück nicht.
Nach einem ausgiebigen Frühstück, sozusagen der Henkersmahlzeit, sind wir dann bereits um kurz nach 12.00 Uhr losgefahren. Geplant war, dass wir uns noch vor Ankunft im Vitalium eine Mahlzeit gönnen würden.
Meine Löwin wollte dies in Braunlage tun, deshalb machten wir den kurzen Schlenker dorthin. In Braunlage wollte sie nochmal nach ihrer alten Lehrstelle, dem Kurhotel Rögner, schauen. Dieses war vor Jahren abgebrannt und ist mittlerweile abgerissen worden. Nicht mal eine Ruine gab es zu sehen; und umdrehen konnten wir auch nicht, weil sich der Verkehr dort fies staute.
Deshalb fuhren wir geradeaus weiter und nahmen einen großen Umweg in Kauf, waren aber kurz vor 14.00 Uhr im Vitalium. Dorthin unterwegs erreichte uns eine Whatsapp von Pocke. Er war alleine losgefahren; Cooper und Patti waren in Braunschweig geblieben. Patti war schlecht drauf, weil es Probleme mit ihren Kindern gab. Aber sie wollte eventuell nachkommen. Ob sie nicht vielleicht doch einfach nur Angst vor dem Fasten hatte?
Kurz vor 14.00 Uhr kamen wir im Vitalium an. Das Hotel liegt an einer Steigung; es gibt lediglich zwei Einbuchtungen zum Be- und Entladen. Meine Löwin fragte an der Rezeption nach, dann stellte ich den Wagen an der unteren Bucht ab und wir konnten unser Gepäck die 48 Stufen hinauf schleppen.
Eine Frau Müller, eine korpulente Dame in unserem Alter mit Brille, begrüßte uns freundlich und wies uns unsere Zimmer zu. Für mich ging es in Zimmer 322, meine Löwin war für die 321 vorgesehen.
Frau Müller gab uns einen Rollwagen fürs Gepäck und dann fuhren wir gemeinsam mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Ich stellte mein Gepäck nur schnell ins Zimmer hinein, ohne es mir großartig anzuschauen. Als nächstes verließ ich das Vitalium zum Auto, um den Wagen auf einen Parkplatz zu fahren.
Etwas die Steigung hinunter und dann rechts ist eine Zufahrt zu den vom Vitalium angemieteten Parkplätzen. Dort waren noch zwei frei, einer davon für uns. Noch auf dem Parkplatz telefonierte ich mit Pocke, um ihn zu fragen, wo er jetzt sei. Und tatsächlich befand er sich schon in Bad Lauterberg.
Ich ging ihm ein Stück entgegen und wartete. Ruhig und still war es in den Seitenstrassen von Bad Lauterberg am Samstag Nachmittag. Ab und zu fuhren ein paar Autos vorbei, aber Fußgänger waren nicht zu sehen. Der triste graue Himmel ließ lediglich ein schummriges Licht zu. Dabei war es nicht einmal kalt, obwohl vereinzelt noch verharschter Schnee lag.
Und plötzlich bog Pocke mit dem Mercedes um die Ecke und hielt an. Ich stieg ein und zusammen fuhren wir zum Parkplatz. Ich half ihm bei seinem Gepäck mit dem Tragen, trug seinen schweren Rollkoffer. Einige Koffer und eine Kiste blieben im Auto, da dort Sachen von Patti und Cooper waren und Pocke nicht wusste, ob Patti noch kommt. Beim Schleppen des Rollkoffers über die 48 Stufen kam ich ganz schön ins Keuchen. An der Rezeption angekommen, musste ich lange Zeit nach Luft schnappen.
mein Zimmer in der Woche

Das Appartement von Pocke befand sich im Nebengebäude, von der Rezeption vielleicht 50 Meter weit weg. Während er sein Kram dorthin verfrachtete, ging ich auf mein Zimmer und räumte endlich meine Klamotten in den Kleiderschrank ein.
Das Zimmer war schon mal super. Das Bett befand sich gleich rechts neben der Zimmertür. Direkt daneben befand sich das gut eingerichtete Badezimmer, welches gehobenen Ansprüchen durchaus genügte. Da der Raum länglich zugeschnitten war, konnte man gut von dem Bett aus dem gegenüberliegenden Fenster gucken.
Gleich links davon der Schreibtisch mit einem gepolsterten Stuhl - ideal zum Schreiben. Fehlt noch der Kleiderschrank an der linken Zimmerseite, die von einer Einbuchtung zum Berg hin gekrönt wird. Dort stand ein bequemer Sessel mit ausfahrbarem Fußteil. Dort sitzend hatte man einen hervorragenden Blick auf den großzügigen Fernseher an der Wand neben dem Kleiderschrank. Satellit TV, Wlan - alles da. Herz, was willst Du mehr.
Nicht lange darauf trafen wir uns zu Dritt im vorderen Teil des Speisesaals zur Ausfüllung der vom Haus und dem Arzt erwünschten Fragebögen. Zur Begrüßung kredenzte uns der gute Geist des Hauses einen Anis Fenchel Kümmel Tee (den von Goldmännchen). Der gute Geist des Hauses ist eine wohl weit über 80jährige Dame mit Buckel, die permanent lächelt und durch die Gänge schlurft.
Dazu passt die Hausdame. Diese Frau ist schätzungsweise Ende 60 und erklärte uns
Neuankömmlingen einige Gepflogenheiten des Hauses. So hätten wir an dem Tag noch einen Arzttermin, pro Tag konnte man sich eine eineinhalb Liter Flasche Volvic nehmen und Tee könnte man sich auch immerzu selbst zubereiten. Auch sie war äußerst höflich und vor allem zuvorkommend. Uns fiel sofort auf, dass alle Beschäftigten des Hauses engagiert und mit Freude an die Arbeit gingen.
Bis zum Arzt hatten wir noch etwas Zeit. Ich selbst würde um 17.00 Uhr beginnen, danach meine Löwin, Pocke und zum Schluss die abwesende Patti. Für jeden waren 20 Minuten vorgesehen. Bis dahin wollten Pocke, meine Löwin und ich die Stadt erkunden.
In Bad Lauterberg ist die Hauptstraße quasi eine Fußgängerzone, da der PKW Verkehr stark eingeschränkt ist. Zu unserer Freude waren die Läden noch geöffnet. Es gab alles, was das Herz begehrt. Es war noch "Sale" für Schuhe und Kleidung, da ging meiner Löwin das Herz auf. Am Montag würde es scharf gehen.
Zwischendurch meldete sich Patti bei Pocke. Sie war erfreulicherweise doch unterwegs und saß mit Cooper in einer Taxe. In einer halben Stunde würde sie im Vitalium sein. Wir gingen rechtzeitig zum Hotel zurück und setzten uns in den Eingangsbereich. Zur Erfrischung standen dort Gurken- und Zitronenwasser bereit.
Von der Atmosphäre leicht euphorisiert, sprach ich eine junge Frau an, die an uns auf dem Weg nach Draußen vorbeiging. Ich wünschte ihr einen schönen Feierabend, worauf sie lachen musste, da sie selber wie wir Gast im Hotel war. Als sie gleich darauf wieder hereinkam, erzählte sie, dass sie bereits zum dritten Mal mit 2 Freundinnen hier verweilte. Sie war richtig bezuckert vom Vitalium.
Die Frau redete noch, als Cooper wenig später die Treppen heraufgerannt kam und uns überschwänglich begrüßte. Cooper freut sich immer, wenn er meine Löwin und mich sieht. Eine Minute später erschien dann auch Patti mit dem großen Hundekörbchen in den Armen.
Pocke war da schon zum Taxi hinuntergegangen; Patti sagte mir, das ich schnell zu Pocke kommen sollte. Unten am Taxi lieh ich ihm das fehlende Geld für das Taxi. Ach ja: Schon vor dem Gang in die Stadt hatten meine Löwin und ich das Appartement von Cooper und Co gesehen. Wie gesagt in einem Nebengebäude gelegen, hatten die 3 in zwei ebenerdigen Zimmern reichlich Platz. Wir unterhielten uns noch kurz im Speisesaal, dann gingen wir alle auf unsere Zimmer, um uns für den Arzt fertigzumachen.
Schnell streifte ich meine Kleidung ab und stand dann im Schlüpper da. Elegant kuschelte ich mich in den weißen Bademantel, der an der Garderobe hing. Adiletten an und ab zum Arzt im Erdgeschoss.
Für jeden von uns hatte der Arzt 20 Minuten eingeplant. Ich würde um 17.00 Uhr den Anfang machen, danach wären meine Löwin, Pocke und Patti an der Reihe. Laut der Hausdame sollte ich im Aufenthaltsraum warten, bis der Doktor mich zu sich holen würde.
Die Hausdame meinte noch, dass ich mich nicht wundern solle, weil die Tür mit Tapete überklebt wäre. Nun gut, da ich noch etwas Zeit hatte, nahm ich mein Buch mit, um noch etwas zu lesen, bevor es losging. Direkt gegenüber der Treppe befand sich dieser ominöse Aufenthaltsraum.
Zum Flur hin voll verglast, konnte ich drinnen einige Tische und gepolsterte Stühle erkennen. An einem Tisch spielten vier Damen angeregt Karten, auf einem anderen Tisch lag die Tagesausgabe der Welt herum. Ich setzte mich an den freien Tisch vor der bereits erwähnten Tapetentür und schlug mein Buch auf.

Samstag, 23. März 2019

Hartmudo: Mutter


41
Zur Vorbereitung des Wohnungsflohmarktes am folgenden Samstag bauten wir erst einmal den Tapeziertisch zusammen, den Sunny und Reiner bereits Tage zuvor in Mutters Wohnung deponiert hatten. Begleitet wurde dies von Sunnys Haßtiraden, die Berta und mich wie unartige Kinder, die etwas Schlimmes angestellt hatten, behandelte. In einer irgendwie unausgesprochenen Übereinkunft ertrugen Berta und ich die aggressiven Anfeindungen ohne Widerrede.
Ich selbst war von der ganzen Aktion nur noch genervt. Das Gezänk um ein schnelles Verramschen von Mutters Schmuck sowie die zu der Zeit schon täglichen Anfeindungen per WhatsApp oder auch Telefon nebst langen Gesprächen mit Berta, wie wir mit der Situation umgehen sollen, hatten mich ausgelaugt. Nicht allein dank irgendwelcher Termine wegen Mutter hatte ich den Sport in der Mukkibude quasi auf Null gefahren. Das ganze Gezerre um Mutters Nachlass zog mich dermaßen herunter, dass ich nicht einmal mehr die Kraft fand, um morgens mit dem Fahrrad zum Bahnhof zu fahren.
Meine sonstigen Verpflichtungen, wie z.B. die Betreuung der Gräfin oder die Abwicklung meiner Kündigung des alten Mobilfunkvertrages, schob ich immer weiter vor mir her, weil es mir einfach zu viel wurde. Meine Laune litt spürbar darunter, fragt einfach meine Löwin. Ich fühlte mich in der Zeit vollkommen zermürbt; so wie nach einem Waterboarding in Guantanamo.
„Ihr habt doch gesagt, das ihr nen Tapeziertisch mitbringen wolltet. Nichts, aber auch gar nichts habt ihr gemacht. Nun macht mal hin, ich will hier nicht den ganzen Abend stehen!" Solche und noch andere Sprüche warf uns Sunny an den Kopf. Auf der einen Seite waren die Vorwürfe sachlich nicht unbegründet, aber andererseits macht ja der Ton die Musik und das laute Bellen war einfach nicht angemessen.
Ihre ganze Aufregung wegen dieses schwachsinnigen Flohmarktes war vollkommen überzogen. Für mich bedeutete dies nach einer anstrengenden Arbeitswoche einen unangenehmen Freitagnachmittag sowie einen ebensolchen Samstag mit Sunny, die ich zu der Zeit bereits nicht mehr ertragen konnte. Innerlich wurde ich bei jeder Hasstirade wütender, schluckte meinen Ärger aber immer wieder runter.
Zudem hatten wir noch nicht mal ungefähre Vorstellungen von der Preisgestaltung für die einzelnen Gegenstände, welche wir direkt am nächsten Tag verkaufen wollten. Keiner von uns, auch Sunny nicht, hatte sich z.B. über die Preise von Käthe Kruse Puppen informiert. Geschirr, Teppiche, Schmuckstücke... keiner hatte wirklich einen Plan. Was für Preise wollten wir da eigentlich drauf kleben? Dieser Termin am Freitag vor dem eigentlichen Flohmarkt war unnütz. Wir hätten genauso gut am Samstag Vormittag in ein bis zwei Stunden alles aufbauen können und dann Pi mal Auge die Preise verhackstücken können.
Ergo sträubte ich mich innerlich komplett gegen diese Aktion, hoffte insgeheim, das der Flohmarkt in der Wohnung ausfallen möge. Berta war ja fein raus. Die hatte am Samstag ihren Termin auf dem Weihnachtsmarkt und konnte deshalb nicht anwesend sein. Eveline und/oder Gundula würden sie vertreten. Somit würde ich da planlos wie Pik Sieben herumstehen müssen, um Mutters Haushaltsgegenstände für 5 oder 10 Euro zu verticken.
Und während uns Sunny immer weiter munter durchbeleidigte, setzte sich meine Löwin auf einen Stuhl etwas abseits, weil ihr das Bein weh tat und sie das Gemassel wohl auch nicht mehr hören konnte. Auch Bud hatte seine Ohren bereits auf Durchzug geschaltet. Als er dann doch irgend etwas anmerkte und Reiner ihm sagte, das er sich nicht einmischen sollte, ging es fast scharf. Mit geballten, aber hängenden Fäusten stand Bud Reiner fast Auge in Auge gegenüber. „Das war es mir nicht wert, das er mich dann auch noch anzeigt" erklärte mir Bud später zu dieser Szene.
Der Satz ist wohl so nicht gefallen, aber die Richtung passt. Meine Wenigkeit hatte sich zwischenzeitlich aus dem Aufbau der Verkaufstische abgemeldet. Als ich auf der Suche nach Gegenständen für den Verkauf Vaters altes Schränkchen öffnete, fielen mir Alben und Mappen mit alten Fotos entgegen. Ebenso Zeugnisse, Urkunden und ähnliches - der Flohmarkt interessierte mich jetzt nicht mehr.
Die Bilder und Unterlagen waren wichtig und mussten gesichtet werden, bevor sie noch verloren gehen könnten. Im Schrank fand ich einen Stapel zusammen gebundener Briefe, die sich Vater und Mutter wohl während seiner Kriegsgefangenschaft am schwarzen Meer geschickt hatten. Wen interessieren da schon Puppen, Schmuck oder der ganze andere Tünnef?
Und während der Suche hatte ich wieder ein schwarzes Täschchen in der Hand. „Sunny, ist das hier vielleicht die Tasche?" Ich schöpfte noch ein letztes Mal Hoffnung, das Sunny diese Tasche wiedererkennen würde, damit wir die ganzen Missverständnisse, die uns schon seit Tagen quälten, aus der Welt räumen konnten.
„Nein, das war eine mit Strass. Das ist sie nicht." Sunny schaute gerade eben kurz drüber. Schade, wie sehr hätte ich mir gewünscht, das sie es gewesen wäre, dann hätten wir eine vernünftige Auflösung der Streitereien erreichen können. Ich denke immer noch, das wir 3 uns nach einem friedlichen Ende sehnten. Aber leider war Sunny nach wie vor davon überzeugt, das sich Berta und ich gegen sie verbündet hatten.
Zusammen mit der obskuren Sichtweise, das sie schon immer zu kurz gekommen sei und sich jetzt nicht „unterbuttern" lassen wollte, ergab das die explosive Mischung, die sie zur Furie werden ließ. Sie setzte ihre Beleidigungen immer weiter fort; Obwohl ich es mir nicht anmerken ließ und mich offenbar voll in Vaters altes Schränkchen vertiefte, kochte ich innerlich. Ich zwang mich lediglich, ruhig zu bleiben, da ich mich nicht weiter provozieren lassen wollte. Ein gegenseitiges Anpöbeln bringt nun mal gar nichts, außer tagelangem erhöhten Blutdruck und im Falle von Berta schlaflose Nächte. Deshalb hatten sich Berta und ich schon im Vorfeld gegenseitig zu pushen versucht, damit wir einen Eklat auf alle Fälle vermeiden können.
Und dann kam dieser laut gekreischte Satz: „Seid nicht so gierig nach den Sachen, jetzt erst einmal hier aufbauen!" Da machte es bei mir „klick", gierig war genau der falsche Begriff in diesem Moment. Ich assoziierte gierig sofort mit geldgeil, weil Sunny dies ja Berta und mir in völliger Verdrehung der Geschehnisse nach dem Juwelier per WhatsApp vorgeworfen hatte. Wenn man es mal nüchtern betrachtet, wäre es natürlich erst einmal an der Zeit gewesen, den Flohmarkt vorzubereiten. Schließlich waren wir genau deshalb an diesem Freitag Nachmittag hier zusammengetroffen.
Aber nicht mit mir, jetzt konnte ich doch nicht mehr ruhig bleiben. Scheiß Flohmarkt, immer nur das verschissene Geld. Ich saß soeben auf dem Boden vor Vater's Schränkchen und hatte das gesamte Leben unserer Eltern vor mir. Das war wichtig, nicht all der Nippes aus der Wohnung. Allein die Briefe...
„Bin ich hier denn der Einzige, der sich für die persönlichen Gegenstände von Vater und Mutter interessiert?" Ich brüllte voller Inbrunst, so wie John Goodman in der klassischen Szene aus „the Big Lebowski". Ihr wisst schon, da wo er auf der Bowlingbahn die Knarre aus seiner Sporttasche holt, entsichert und sie dem Hippie auf die Stirn setzt, weil dieser angeblich übertreten hatte.
Ich hatte bereits eine erhebliche Menge an Fotos und Mappen sowie Taschen gesichtet und aus dem Schrank entnommen. Ich würde sie mitnehmen und einscannen. Das sagte ich zwischendurch auch irgendwann, wohl auch vor meinem Wutausbruch. Der Flohmarkt war da für mich schon längst gestorben, scheiß der Hund drauf. Es interessierte mich alles nicht mehr, ich wollte nur noch die wirklich wichtigen Sachen, die Fotos und sonstigen Unterlagen, sicherstellen und dann konnte mir das ganze andere Zeugs aus Mutters Wohnung gestohlen bleiben.

Sonntag, 17. März 2019

Contramann: kurz gesehen im März


https://www.focus.de/finanzen/boerse/studie-zum-weltfrauentag-frauen-droht-altersarmut-das-koennen-sie-dagegen-tun_id_10425310.html
Passend zum Frauentag am 8. März erschien dieser wunderschöne Artikel auf Focus Online.
Danach geraten Frauen in die Altersarmut, weil sie zu dämlich sind, sich mit der Börse zu beschäftigen.
Da gibt es sogar so krude Sachen wie den Frauenfinanzdienst in Köln. Alles nur, um die private Altersvorsorge zu fördern.
Da kriegt man glatt das Kotzen bei so einem Artikel. Wenn du denkst, das Niveau geht gar nicht mehr tiefer, dann kommt Focus Online um die Ecke.
 
https://www.heise.de/tp/features/Venezuela-Humanitaere-Hilfe-fuer-den-Regime-Change-4323037.html
Zu Beginn einfach nur mal als Zitat den letzten Absatz:
„Auch die deutsche Bundesregierung pocht noch immer auf das Narrativ, eine Alternative zum Hilfskonvoi sei nicht gegeben. Eine Antwort darauf, weshalb man sich konsequent weigert, als Mitglied des UN-Sicherheitsrates mit den nachweislich im Land aktiven unabhängigen UN-Organisationen zusammenzuarbeiten, gibt das Auswärtige Amt bis heute nicht.“
Prägnanter kann man das aktuelle Versagen der deutschen Politik, aber auch der Medien, nicht beschreiben. In der Tagesschau z.B. wird dieses simple Gegenargument zur angeblichen Verweigerung von Hilfen durch Maduro nicht mal erwähnt.

http://www.spiegel.de/auto/aktuell/stellungnahme-von-lungenaerzten-soll-mehrere-rechenfehler-enthalten-a-1253117.html
In die Dieselaffäre kam Anfang des Jahres etwas Bewegung. Es fanden sich doch tatsächlich 100 Lungenärzte, die den Grenzwert für Feinstaub und Stickoxide für aus der Luft gegriffen erklärten. Sofort stürzte sich die Medien auf diese Meldung, und die Automobilindustrie atmete wieder auf.
Leider musste der Haupt-Autor, der pensionierte Lungenfacharzt Dieter Köhler, anfang Februar eingestehen, dass ihm mehrere Rechen- und Zahlenfehler unterlaufen waren. Für den Arzt war das natürlich kein Grund, jetzt kleinere Brötchen zu backen und seine ursprüngliche Aussage zurückzunehmen. Die Größenordnung sei weiterhin richtig.
Wie zu erwarten war, wurde diese Meldung nicht weiter ausgeleuchtet. Die Medien begruben den Fehler von Dieter Köhler ganz einfach. Ob da wohl die Automobilindustrie ihre Finger mit im Spiel hatte?

http://www.spiegel.de/auto/aktuell/hamburg-hochbahn-schafft-wasserstoffbusse-wieder-ab-a-1253009.html
Dies ist eine Meldung, welche ich nicht ganz so schön fand. Die Hamburger Hochbahn hatte vier Wasserstoffbusse ausgemustert und bereits wieder an den Hersteller, Mercedes-Benz, zurückgegeben. Von wegen deutsche Technik. Mercedes war einfach noch nicht so weit. Stattdessen soll jetzt der polnische Hersteller Solaris den Zuschlag bekommen und 35 Busse liefern.
Da sieht man es wieder. Anstatt sich um die Feinstaub Affäre zu kümmern oder ihre alten Benziner weiterverkaufen zu wollen, sollten die deutschen Hersteller lieber in die Zukunftstechnologien investieren. Elektroautos sind hierfür weniger geeignet. Wasserstoff, das ist das neue Ding.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/handelsstreit-mit-den-usa-autobranche-kritisiert-drohende-zoelle-a-1253648.html
Eine ganz krasse Meldung aus dem Februar. Die USA könnten deutsche Autoimporte als mögliche Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen. So einen Quatsch habe ich ja schon lange nicht mehr gelesen. Liegt es etwa daran, dass deutsche Automobilfirmen russische Hacker Software verbaut haben?
Bis vor ca zwei bis drei Jahren war TTIP angesagt. Alles sprach vom Freihandel, ohne den angeblich die Wirtschaft zusammenbrechen würde. Dann musste TTIP gecancelt werden, und jetzt? Jetzt werden wieder Zölle erhoben und Handelsschranken errichtet, was für eine Widersprüchlichkeit.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sahra-wagenknecht-aufstehen-initiatoren-rechnen-ab-a-1258120.html
Letzte Woche hatte sich Sahra Wagenknecht aus der Vorstandsarbeit der Sammlungsbewegung „Aufstehen!" verabschiedet. Jetzt weiß der Spiegel sogar vor zu berichten, dass Aufstehen am Ende sei. Die Grünen Antje und Ludger Vollmer sowie der ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD, Marco Bülow, behaupten das.
Was in diesem kleinen Artikel nicht drin steht, ist, dass Fabio De Masi, seines Zeichens Linke Präsidiumsmitglied, seinerseits erklärt hatte, dass die Sammlungsbewegung noch nicht am Ende sei. Hier wird in aller Klarheit deutlich, dass der Graben in der Sammlungsbewegung zwischen der SPD und den Grünen auf der einen und der Linken auf der anderen Seite verläuft.
Ich bin mal gespannt, ob es mit Aufstehen tatsächlich noch einmal weitergeht. Viel Hoffnung habe ich nicht, weil ich solche Sachen bereits erlebt habe. Ohne eine funktionierende Parteiorganisation hat Opposition gar keine Chance in diesem Land. Die letzte Hoffnung, native Politik durchzusetzen, bestünde also in der Gründung einer neuen Partei.
Nachdem Sahra Wagenknecht nun kalt gestellt worden ist, dürfte sie keine Zukunft mehr in der Partei “die Linke" haben. Für mich ist diese Partei ab sofort nicht mehr wählbar, mal sehen, ob es noch eine Alternative gibt.

http://m.spiegel.de/lebenundlernen/schule/schueler-streiken-fuer-klima-ministerium-in-nrw-will-hart-durchgreifen-a-1253529.html

Genau. Arbeitslager. Beim Führer hätte es das nicht gegeben! Wo kämen wir denn dahin, wenn die Jugendlichen einfach mal so demonstrieren, bloß weil sie befürchten, dass die Umwelt in ihrer Zukunft zerstört sein könnte. Die wollen doch nur die Schule schwänzen!
Meine Güte, was haben wir unseren Kindern nur beigebracht. Jetzt nehmen die Demokratie doch tatsächlich ernst. Unfassbar!

Dienstag, 12. März 2019

Contramann: Sahra Wagenknecht


http://www.taz.de/Kommentar-Sahra-Wagenknecht/!5576442/
Es ist ja wirklich unfassbar, was Anna Lehmann in ihrem Kommentar zum Rückzug von Sahra Wagenknecht aus der Sammlungsbewegung „Aufstehen!“ und ihrem Verzicht auf eine Kandidatur bei der Wahl eines Fraktionsvorsitzenden der Linken im Herbst schreibt.
Den Machtkampf mit Kipping und Riexinger hat sie sicherlich verloren, da hat Frau Lehmann natürlich recht. Das Sahra Wagenknecht eine „das Boot ist voll“ Haltung vertreten hätte, ist jedoch eine gewollt arg verkürzte Darstellung ihrer Position, welche im Übrigen auch von vielen prominenten Mitgliedern der Linken wie Sevim Dagdelen, Dieter Dehm oder Fabio de Masi geteilt wird.
Die Welle an Flüchtlingen nach Deutschland im Jahr 2015 kam nur deshalb zustande, weil die führenden Industriestaaten ihre Gelder für die Flüchtlingsorganisation der UN stark zusammengestrichen hatten, so dass die Flüchtlinge der Lager in Jordanien, Türkei und Syrien nicht mehr ernährt werden konnten. Dass Frau Merkel dann auch noch auf das Dubliner Abkommen pfiff und die große Masse an Flüchtlingen ins Land ließ, bloß um hinterrücks über Erdogan (wohl auch Orban) die Grenzen endgültig dicht zu machen, sollte man auch nicht vergessen.
Es war Sahra Wagenknecht, die als einzige etablierte Politikerin in Deutschland darauf hingewiesen hatte. Dazu beharrte sie mit wenigen anderen darauf, dass es vorrangig darum gehen muss, die Kriegsursachen im Nahen Osten wie den Waffenhandel (gerade der Deutschen) oder den militärischen Einsatz der USA zu bekämpfen. Kipping und Riexinger hielten sich hierbei vornehm zurück.
Wenn ich dann noch lesen muss, dass Herr Riexinger bei der Leonberger Bausparkasse gelernt hatte und über die dortige Gewerkschaftsarbeit zur Politik gekommen ist, wundert mich seine EU-freundliche Haltung in Finanzfragen gar nicht mehr. Und Frau Kipping ist, wie Frau Lehmann auch, für mich leider ein Beweis für die unschöne These, dass die Frauenquote in der Politik dieselbige qualitativ verschlechtert. Stutenbissigkeit hat in der Politik nichts zu suchen.
Vollends zum Horst macht sich Anna Lehmann am Ende ihres Kommentars mit der unverschämten Idee, Sahra Wagenknecht bei den nächsten Landtagswahlen noch als populäres Zugpferd für die Linke zu nutzen, um die drohenden Stimmenverluste abzumildern. Jemanden zu diffamieren und ihn trotzdem noch für sich arbeiten lassen zu wollen zeugt von einem Menschenbild, welches ich in meiner näheren Umgebung nicht dulden möchte.
Witzigerweise traut selbst der Spiegel in seiner aktuellen Kommentierung Sahra Wagenknecht einen Zuspruch von 35% bei der imaginären Kanzlerfrage zu. Dies zeigt auf, dass die Ansichten einer Sahra Wagenknecht in weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung geteilt werden, bloß offenbar in ihrer eigenen Partei nicht. Die Linke wird über kurz oder lang unterhalb der 5% Hürde landen, mein Tipp. Eher schneller, falls sich die Linke jetzt spaltet und Wagenknecht einen neuen Versuch mit einer neuen Partei startet.
Generell kann ich Sahra Wagenknecht nur zu ihrem Entschluss beglückwünschen, sich weitgehend aus der Verantwortung zurückzuziehen. Zurückzustehlen, würde es Frau Lehmann nennen. Doch gerade diese Journalistin, die als Ressortleiterin Inland der Taz aufzeigt, wie tief der professionelle „linke“ Journalismus mittlerweile gesunken ist, ist ein Grund mehr, sich nicht mehr von Kipping und Co weiter angreifen zu lassen – auf Kosten der eigenen Gesundheit, wohlgemerkt.
Wer etwas anderes meint, ok. Der möge mich aber nicht auf das Thema Mobbing ansprechen, denn dann werde ich griffig!
Ich persönlich hatte mich ursprünglich bei Aufstehen! registrieren lassen, bin aber nie aktiv geworden. Aus eigener leidvoller Erfahrung als Ansprechpartner eines Nachdenkseiten Gesprächskreises weiß ich, dass nur zwei Arten von Menschen bereit sind, sich für eine „gute“ Sache wie den politischen Neustart einer gerechten Gesellschaft einzusetzen.
Es handelt sich dabei entweder um machtgeile Typen, die wissen, wie die Welt sich dreht und die ihre Ansichten bei Bedarf schneller als die Windrichtung wechseln, wenn es ihrem Machterhalt dient. Oder aber es sind verbohrte und dogmatische Spinner, die bereits ob ihrer kruden Weltsicht bei anderen Parteien oder Organisationen abgeblitzt sind. Ich denke, Sarah Wagenknecht hat das jetzt endlich selbst begriffen und die notwendige Konsequenz gezogen. Bravo, Sahra! Meinen Respekt hast Du.
Aufstehen heißt aufwachen. Und das funktioniert nur durch die Zerstörung des Luxus. Indem das gesamte Internet gekappt wird, alle Medienlandschaften und Fernsehprogramme zerstört werden. Dann, und erst dann, stehen die Leute auf.
Das ist der Grund, weswegen die Aufstehen Bewegung scheitern musste.
So kann ich sagen: Willkommen im Club, Sahra. Falls Du doch irgendwann wieder die Kraft findest, die Politik aufzumischen und die Menschen daran erinnerst, dass es auch anders, weil besser, geht, dann bekommst Du von mir eine positive Kritik.

Freitag, 8. März 2019

H. Lecter: Alf

1
Am 10. Dezember letzten Jahres war ich am späten Vormittag bestürzt, als mein ehemaliger Kollege Frank-Walter (inzwischen im Ruhestand) meinem Team einen Besuch abstattete. Die Woche zuvor lief bereits das Gerücht über den Flur, dass der gerade mal seit 2 Monaten im Ruhestand befindliche Kollege Alf nach langem und schwerem Leiden verstorben sein sollte.
Nun erhielt ich die bittere Gewissheit; es stand am Wochenende in der Zeitung. Ich war bestürzt, obwohl sich mein Kontakt zu ihm in den letzten Jahren auf einige wenige Gespräche im Jahr verringert hatte. Das lag einerseits an seinen vielen Krankheitstagen, andererseits an einer gewissen Entfremdung, die in unserer Beziehung über die Jahre eingetreten war. Mittlerweile hatte ich mich in den letzten 5 Jahren mehr und mehr aus fast allen Privataktivitäten mit Kollegen zurückgezogen; dazu zählen für mich selbst kurze Gespräche in der Bürotür.
All die Geschichten und Szenen, die mir im Kopf herumschwirren, sind aus einer Zeit, in der Alf und ich gern auch mal mit anderen „Mitstreitern“ nach Feierabend einen picheln gingen. Sei es im „Köludu“ (König Ludwig Dunkel), im „Malaria (Moravia) Eck“ bei Pedder oder in der „Jever“ (Klause) – Zusammen mit Mike (leider auch schon tot), Sylvester, Wastl und Onkel Hotte hatten wir den einen oder anderen sichergestellt.
Und auch wenn die ganzen kruden Szenen den guten Alf in einem schlechten Licht erscheinen lassen, sei versichert, lieber Leser, dass Alf einer der witzigsten und auch liebsten Menschen gewesen war, die ich jemals in meinem Leben kennenlernen durfte. Zumindest bis zum Erreichen eines gewissen Alkoholpegels. Und keine Angst, meine Damen: Auf den Tisch hat er „ihn“ nie gelegt. Dazu hatte Alf viel zu gute Manieren, als dass ihm das hätte passieren können.
Gern denke ich zurück an die Zeit, als ich im August 1991 im Sozialamt als Sachbearbeiter angefangen hatte. Meine Vorgängerin auf dem Arbeitsplatz war gerade mal an meinem ersten Arbeitstag da und ich selbst hatte zwar die Voraussetzungen an Ausbildung (diplomierter Verwaltungsfachwirt FH – so viel Zeit muss sein) erfüllt, war aber seit 7 Jahren ohne Berufserfahrung direkt vom Fahrersitz eines City Car ansatzlos in die Amtsstube gewechselt.
In meiner Anfangszeit wurde mir jeden Tag ein anderer Kollege als Einarbeiter zugeteilt. Am liebsten waren mir von Anfang an Alf und Knödel Willi (leider auch schon verstorben). Wir waren dank unseres Hobbys (Saufen!) Seelenverwandte, lediglich Detzer (auch schon im Ruhestand) hatte in der Abteilung vergleichbare Referenzen vorzuweisen.
Und Alf bildete seinerzeit mit Knödel Willi ein unnachahmliches Gespann, bei dem ich mir zwischendurch immer mal wieder gerne Tipps holte, zumal beide immer ein offenes Ohr für mich hatten. Knödel Willi (Spitzname „häsischä Mesastecha“ – hessische Messerstecher) kam ursprünglich aus Offenbach und hatte den Slang und Humor eines Heinz Schenk schon mit der Wiege aufgesogen. Und Alf mit seiner schallenden Lache trug bereits damals ausschließlich Hemden der Marke Walbusch.
In ihrem Kühlschrank hatten sie im Eisfach ständig 2 Schnapsgläser vorrätig, die sie ab und an auch mit einem edlen Tropfen befüllten und leerten. Da konnte ich mich natürlich gar nicht lumpen lassen und zog gerne mit, Solidarität wird ja bekanntlich groß geschrieben.
Fasziniert war ich gleich zu Beginn meiner Tätigkeit. Ich saß ja genau gegenüber der beiden Schwerenöter und stand bei Knödel Willi vor dem Schreibtisch, als Detzer aus der Mittagspause kam und für die Beiden (und wohl auch für mich) einen 0,1 Liter Flachmann Zinn 40 mitgebracht hatte. Detzer stellte die Fläschelchen auf den Tisch, Alf kam um die Ecke von seinem Büro und dann ging die Bölkerei los. Mit wüsten Beschimpfungen pöbelten sich Detzer auf der einen und Knödel Willi / Alf auf der anderen Seite an. Voller Geifer und Hass, so schien es, beleidigten sie sich gegenseitig durch. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre der Grad an Besorgnis hoch gewesen. So aber…

Samstag, 2. März 2019

Uncle Fester: grad gelesen März 2019

Peter F. Hamilton - Das Dunkel der Sterne (Faller Chroniken 2)
Prolog: Paula Myo besucht Nigel Sheldon, der sich auf einen Planeten in der Andromeda Galaxis zurückgezogen hat. Mittlerweile sind es 250 Jahre her, dass sich sein Klon in die Leere begeben hatte und die Menschen von Bienvenido dank eines Quantenzerstörers aus der Leere befreit hatte. Er träumt immer noch von Kysandra, der er versprochen hatte, Bienvenido aus der Leere zu befreien und ihr das Commonwealth zu zeigen.
Nigel Sheldon glaubt, dass sein Rettungsversuch gescheitert und Bienvenido vernichtet sei. Deshalb ist er ins Exil gegangen. Um sich zu bestrafen.
Nach diesen paar Seiten steigt Hamilton voll in die neue Geschichte ein. Bekanntlich wurde Bienvenido aus der Leere herausgelöst und kreist nun um eine einsame Sonne außerhalb der Milchstraße. Doch es gibt noch andere Planeten um diese Sonne, auf der andere Alienvölker leben. Leider leben auf dem Planeten Ursell Angehörige des Volkes der Prime.
Diese Erzfeinde der Menschheit hätten die Erde 3000 Jahre zuvor (siehe 1. Commonwealth Zyklus) beinahe ausgelöscht. Und auch jetzt greifen sie mit überlegenen Kräften die im Mittelalter steckende Welt Bienvenido an, deren Bewohner sich nicht mehr auf telepathische Kräfte stützen können.
Slavsta herrscht über Bienvenido als Diktator mit eiserner Hand, die Parallele zu Lenin hatte sich ja bereits im ersten Teil herausgestellt. Obwohl sie Slavsta hasst, unterstützt Laura Brandt den verzweifelten Abwehrkampf des Regimes um Slvasta. Dieser hatte seine Frau Bethaneve in den Gulag geschickt, weil sie mit Kysandra zusammengearbeitet hatte. Durch die Zusammenarbeit begründete Bethaneve die Bevölkerungsgruppe der Elitären, welche biologische Erweiterungen des Commonwealth nutzen kann. Diese waren Slavsta schon immer ein Dorn im Auge, weil sie ihn an die Fähigkeiten der Faller erinnerten.
In der entscheidenden Schlacht gegen die Prime taucht auch Kysandra im Hauptquartier auf, um sich Lauras Aktivitäten anzusehen. Sie ist der Kriegerengel und Kopf der Elitären, deshalb bei Slvasta verhasst. Laura schafft es letztendlich dank eines verschiebbaren Wurmlochs die Atmosphäre von Ursell mit der toxischen Atmosphäre eines Gasplaneten im System zu verbinden und damit zu fluten. Die Prime werden mit einem Schlag vernichtet, allerdings verliert auch Laura Brandt dabei ihr Leben.
Die eigentliche Story von Buch 2 spielt ca. 250 Jahre später; Slavsta ist da schon tot, doch seine Nachfolger beherrschen den Planeten dank des PSR (People`s Security Regiment) nach wie vor mit eiserner Hand. Als ersten neuen Protagonisten lernen wir Captain Chaing kennen. Zusammen mit seinem Assistenten Lurvri jagd er in Opole, einer Großstadt 1500 Meilen südöstlich von Varlan, Faller, welche die menschliche Gesellschaft unterwandert haben.
Die Faller sammeln sich in Nestern, die durch sogenannte Brüter-Faller in den dunklen Ecken der Städte auf dem Hauptkontinent Lamaran gegründet werden. Die Existenz der Brüter-Faller wird auf Weisung von Stonal, dem mächtigen Leiter der "Sektion 7" der PSR, vor der Öffentlichkeit verheimlicht, um der Bevölkerung weiterhin weismachen zu können, dass die monatlich ausgesandten Raketenschiffe die Bäume der Faller über Bienvenido nach und nach mittels Atomraketen zerstören. Doch die Faller sind eben mitnichten am Ende - im Gegenteil. Sie bereiten die Apokalypse für die Menschen vor. Deshalb möchte sich der Premierminister Adolphus mit seinem Stab und engsten Getreuen auf die Insel Byarn zurückziehen und den Kontinent Lamaran mit Atomraketen von den Fallern säubern. Die Menschen sind dem Premierminister hierbei entbehrlich.
Chaing und Lurvri können ein Faller Nest dank der Hilfe von Corilla, einer Elitären, die als Spitzel eingesetzt wird, und Jenifa, einer Undercoveragentin der PSR, ausheben. Leider wird Lurvri hierbei von einem Brüter Faller getötet. Chaing wird von Stonal in die Sektion 7 aufgenommen; Jenifa wird ihm als Assistentin zur Seite gestellt. Jenifa wiederum ist die Tochter der Gegenspielerin von Stonal und ahnt, dass der ihr sexuell hörige Chaing ein Geheimnis hat.
Chaing ist selbst ein Elitärer, der dies allerdings verbirgt, denn Elitäre werden von der PSR ähnlich wie die Faller verfolgt. Die Elitären stehen im Verdacht, dank uralter Commonwealth Technologie die Macht an sich reißen zu wollen. Und Chaing träumt bereits seit der Kindheit vom Kriegerengel und tatsächlich ist es Kysandra, die Chaing beim Stürmen des Faller Nestes den Arsch rettet. Kysandra will, dass er auch weiterhin unerkannt für die PSR arbeitet, aber je länger der Roman dauert, desto klarer wird, dass Chaing die Philosophie des Staates gutheißt und seinerseits gegen die Elitären brutal vorgeht.
Ry Evine ist Astronaut und fliegt mit einem Raketenschiff in den Wald der Faller. Zur Überraschung aller wird sein Schiff gehackt und von außen gesteuert. Der anvisierte Baum wird zwar noch vernichtet, aber Evine beobachtet hierbei eine kleine Raumkapsel, welche sich vom zerstörten Baum entfernt. Niemand glaubt ihm seine Beobachtung, so dass Evine, ein direkter Nachfahre des allerersten Captains Cornelius Brandt, aus der hermetisch abgeriegelten Anlage der Astronauten ausbricht und sich auf Spurensuche nach dem Verbleib der auf Bienvenido notgelandeten Kapsel nach Opole begibt.
Der nächste wichtige Akteur ist der Förster Florian, der als Elitärer ein zurückgezogenes Leben im Forst bevorzugt. Hierbei stolpert er über die notgelandete Raumkapsel, die sich als Gedächtnisspeicher von Joey entpuppt. Bevor seine Batterien den Geist aufgeben, übergibt Joey Florian einen Embryo, der binnen einen Monats zu einem erwachsenen Menschen mit Fähigkeiten des Commonwealth, welche den des Kriegerengels in den Schatten stellen, heranwachsen wird.
Florian soll das kleine Mädchen diesen Monat lang beschützen. Deshalb flieht er vor Chaing und Jenifa nach Opole. Doch auch die Faller in Gestalt des Gangsterbosses Roxwolf, der in der Bar Cameron residiert, sind hinter Florian und dem Säugling her. Lange kann sich Florian bei einer entfernten Tante verstecken, bis er und das Mädchen von Roxwolfs Häschern entführt werden. Roxwolf entpuppt sich schließlich als Brüter-Faller und hatte den Pistolenlauf bereits an die Schläfe des Säuglings gehalten, doch sein Schuss prallt an einem Kraftfeld ab, welches die Kleine aufbauen konnte.
Von nun an verläuft die Entwicklung der Kleinen immer schneller. Und während Roxwolf, der auch bei den Fallern dank seiner zwitterhaften Gestalt verhasst ist, fliehen kann, entkommt Florian mit der Kleinen ihren Häschern um Chaing und Jenifa. Ry Evine fährt sie mit einem Tuk Tuk zum Hafen, wo es zwischen Chaing und Kysandra zum Duell kommt. Schwer verletzt liegt Chaing am Boden; Kysandra flieht mit den Flüchtenden dank eines U Boots. Mehr und mehr drängt sich ab jetzt Jenifa in den Vordergrund, da sie ihr eigenes Süppchen kocht.
Im Unterschlupf wächst die Kleine sicher heran und entpuppt sich als Klon von Paula Myo. Dieser Klon war von Nigel Sheldon als Notlösung zur Rettung der Menschen in der Leere gedacht; ausgewachsen versucht Paula eine Rettungsmission, bei der die verbliebenen Alienvölker in dem Sonnensystem eine Wurmlochverbindung zum örtlichen Gasgiganten nutzen, um die dort gefangen gehaltenen Rail zu befreien.
Während die Faller einen Großangriff auf die Menschen starten und Chaing, Jenifa und Stonal alle Hände voll zu tun haben, die Faller aufzuhalten, entpuppt sich die Wissenschaftlerin Faustina als Inkarnation von Bethaneve, der Witwe von Slavsta. Diese interessante Figur verschwindet aber leider sang- und klanglos im turbulenten Showdown des Romans.
Chaing knallt die vollkommen durchgeknallte Jenifa ab, um das Leben von Roxwolf, der sich am Ende für eine Zukunft als Mensch entschieden hatte, zu retten. Die freigelassenen Rail markieren sämtliche Lebewesen auf dem Planeten; die Menschen werden auf ein Habitat gerettet und die Faller werden getötet. So einfach ging das.
Am Ende sind alle Helden des Romans dank der Rail ins Commonwealth zurückgekehrt und nehmen dort ihr Leben auf. Kurz wird noch einmal jede Figur bei ihren ersten Schritten vorgestellt, dann ist dieser schöne Zyklus auch schon vorbei. In der letzten Szene trifft Kysandra endlich auf den echten Nigel Sheldon - ach, kann Liebe schön sein.
Nicht erwähnt hatte ich die Vatni, ein amphibisches Alienvolk, welches an den Küsten des Kontinents Lamaran siedelt. Genauso wie Premierminister Adolphus, der irgendwann von einem Joey-Klon übernommen wird, sind das alles Handlungsstränge, die wichtig für die Story sind, aber am Ende mehr oder weniger ins Leere laufen. Ich wurde am Schluss das Gefühl nicht los, dass Hamilton selbst den Überblick verloren hatte und das Finale förmlich aufs Papier schleuderte, weil er bereits mit dem nächsten Roman beschäftigt war.
Dennoch bleibt mir der Zyklus in lebhafter Erinnerung - das ist schließlich wesentlich. Hier steckt tatsächlich alles drin: Krimi, Horror, Historienroman, Fantasy und Rosamunde Pilcher. Hamilton ist wie Haribo Colorado: Für jeden etwas dabei.
Eine Verfilmung bitte - jetzt!

Montag, 25. Februar 2019

Hartmudo: Vitalium


1
Übermorgen geht’s los mit der Fastenkur in Bad Lauterberg – ich bin schon gespannt. Aber ich fang mal von vorne an.
Mitte des letzten Jahres hatte Pocke mich angesprochen. Beide versuchen wir dank freundlicher Bitten unserer Hausärzte seit dem Sommer 2017 von unseren hohen Gewichten herunterzukommen. Nach anfänglichen Erfolgen stockte die anfangs gute Entwicklung bzw. erfolgreiche Gewichtsreduktion, so dass wir wohl oder übel schwerere Geschütze auffahren mussten.
Pocke schickte mir ein Prospekt vom der Klinik Dr. Plachy (Vitalium) in Bad Lauterberg. „Entschlacken und entgiften mit Heilfasten nach Buchinger - Abnehmen mit Heilfasten“ für eine Woche wollte er mit mir machen. Eine Woche sollte die Aktion dauern; Unsere Frauen würden mitkommen und selbst Pattis Hund Cooper wäre mit dabei. Das klang irgendwie verlockend, denn schon seit Jahren wollte ich eine Fastenkur machen.
Meiner Löwin, die bereits Erfahrung mit Fasten hatte, war sofort hellauf begeistert. Und da wir auch Patti begeistern konnten, buchten wir uns für die Woche vom 9. Bis 16. Februar im Vitalium ein. Samstag auf Samstag also. Auf den Rat meiner Löwin hin buchten wir für uns jeweils ein Einzelzimmer zu je 560,- €. Das ist quasi der Preis für Vollpension, bloß ohne was zu essen.
Pocke und Patti entschieden sich für ein Appartement. Klar, die hatten ja auch noch Cooper dabei. Wir werden es vor Ort sehen, welche Art der Unterbringung hier für Paare wirklich empfehlenswert ist. Ist es besser, sich gegenseitig im Appartement zu unterstützen, wenn der Hunger zu groß wird und die Laune in den Keller geht? Oder ist es vielmehr so, dass man (Frau) bei zunehmenden Hunger unleidlich und unausstehlich wird, keinen sehen will, allein sein und nur noch schlafen möchte?
Ich tippe auf letzteres. Zumal ich da noch das Totschlagargument fürs Einzelzimmer parat habe: Nach der Einnahme von Glaubersalz sollte die Toilette frei sein! Die nächste Woche wird es zeigen. Irgendwie freue ich mich drauf. Individuelle Behandlungen, Leberwickel, Massagen und Wassergymnastik sind neben einer ärztlichen Betreuung die Highlights dieses Kuraufenthalts. Da werde ich einiges zu berichten haben.
Zuvor aber noch hatte ich diese Woche Fastenkur als Rehabilitationsmaßnahme bei meiner Krankenkasse und der Beihilfe beantragt. Meine private Krankenversicherung zahlt mir lediglich 14,- € pro Tag statt 50% der Kosten wie sonst zumeist. Die andere Hälfte wäre eh von der Beihilfe zu tragen; darüber entscheidet der Amtsarzt. Da war ich gespannt.
Irgendwann im Dezember hatte ich an einem Freitag den Termin beim Amtsarzt. Da wollte ich natürlich vorbereitet sein und hatte meinen Hausarzt, die Rheumatologin und auch den Hautarzt um positive Stellungnahmen gebeten, die die Notwendigkeit einer Fastenkur unterstreichen sollten.
Alle Ärzte befürworteten die Maßnahme wegen des jeweils von Ihnen betreuten Krankheitsbildes und waren nur zu gerne bereit, eine entsprechende Stellungnahme zu fertigen. Bei der für mich aber wichtigsten Frage biss ich aber insbesondere bei meinem Hausarzt auf Granit.
Ich sag mal so: Mein Amtsarzt steht in dem Ruf, bei Beamten stationäre Maßnahmen abzulehnen. Eine ehemalige Kollegin wusste zu berichten, dass sie anstatt einer Kurmaßnahme ambulante Anwendung bei gleichzeitigem Sonderurlaub bewilligt bekommen hatte. Irgendwie bildete ich mir deshalb ein, dass der Amtsarzt die Fastenkur komplett ablehnen würde. Motto: Das können sie doch nebenbei machen, da holen Sie sich was aus der Apotheke und gut ist.
Als ich deshalb bei meinem Hausarzt nach einer möglichen Krankschreibung fragte (mir ging es um den Sonderurlaub, weniger wegen der Bezahlung), da meinte er nur lapidar, dass es ja nur eine Woche wäre und er dafür niemanden krankschreiben würde. Ist ja eigentlich auch richtig.
Doch letztendlich waren meine Befürchtungen unbegründet. Als ich nämlich an jenem Freitag im Dezember gen Salzgitter ins Gesundheitsamt im ehemaligen Krankenhaus Salzgitter Bad fuhr, war ich erstaunt, dass mich der Amtsarzt nach schneller Prüfung der ärztlichen Stellungnahmen fragte, warum ich die Maßnahme nur eine Woche machen würde.
Er befürwortete die Fastenkur und damit den Sonderurlaub sofort, hätte von sich aus aber eher 2 bis 3 Wochen befürwortet! Das war ja ein Ding! Meine Erklärung dazu war relativ simpel: Es ist meine erste Fastenkur und da ich einen Großteil der Kosten eh selber tragen muss, reicht mir eine Woche hin. Ich weiß ja gar nicht, ob ich das überhaupt eine Woche durchhalte. Und wenn ich abbreche, dann bringt mir der Sonderurlaub auch nichts.
Frohgelaunt machte ich mich nach dem Gespräch beim Amtsarzt auf die Rückfahrt ins Büro. Die Bewilligung des Sonderurlaubs durch meinen Arbeitgeber erhielt ich in der zweiten Januarwoche. Alles tutti also. Sonderurlaub, ein Teil der Kosten wird übernommen und meine Löwin ist auch dabei.
Ich sehe uns schon zu viert mit Cooper durch Bad Lauterberg wandern. Abends wollen wir Karten spielen. Da ich meinen Chromecast mitnehme, können wir sowohl Netflix als auch das nächste Spiel der Eintracht live schauen. Wlan haben sie da ja. Doch ob Pocke und ich es schaffen, das Fasten über die Woche hinaus zuhause fortzusetzen, müssen wir sehen.
Uns fehlen da natürlich die Erfahrungswerte. Es wäre allerdings ein großer Erfolg, falls das klappt. Ich bin auf alle Fälle gespannt. Und noch entspannt.

Samstag, 23. Februar 2019

Hartmudo: Mutter


40
An diesem Nachmittag war das Treffen zur Vorbereitung des Wohnungsflohmarkts in Mutters Wohnung angesetzt. Freitag, der 25. November war kühl und nasskalt. Unangenehm also, genau wie ich diesen Termin empfand. Lieber wäre ich zu einer Zahnoperation gegangen als zu diesem Treffen.
Um 16.00 Uhr wollten wir uns alle in Mutters Wohnung treffen. Alle, das heißt auch unsere jeweiligen Ehepartner. Meine Löwin kam deshalb in den zweifelhaften Genuss einer RTL-reifen Darbietung. Aber zuerst einmal mussten wir ja dorthin fahren. Das war allerdings eine sehr stille Fahrt, denn keiner von uns beiden sagte einen Ton, waren wir doch nach der Arbeitswoche ausgelaugt ohne Ende.
Erschwerend hinzu kam für meine Löwin ihre gerade diagnostizierte Venenentzündung im linken Bein. Oder anders gesagt: Nach der Arbeit fuhr sie zum Orthopäden und danach holte sie mich ab. Den Termin hätte ich auch ohne sie wahrgenommen, das hätte sie sich nicht antun müssen. Doch meine Löwin ist vergnügungssüchtig und wollte mich natürlich in der zu erwartenden geselligen Runde unterstützen, das ließ sie sich nicht nehmen.
Nach der gesprächsarmen Fahrt waren wir die letzten vor Ort. Sowohl Berta und Bud als auch Sunny und Reiner saßen in ihren Autos. Schon die Blicke der Vier - jeder schaute mit seinen Augen starr geradeaus - deutete auf einen spannungsgeladenen Nachmittag hin. Ich rief ein mühsames „Hallo" in Richtung von Sunny und Reiner, blieb bei der Begrüßung von Berta und Bud bewusst cool.
In einer grünen Plastikwanne hatte Berta die in der Vorwoche beim Juwelier nicht zerkloppten und daher noch heilen Schmuckstücke (metallfrei) mitgebracht. Der Plastikschmuck lagerte in verschiedenen Ledertäschchen, so wie auch schon am letzten Samstag. Kommentarlos nahm ich die Wanne in die Hand und machte mich an den Aufstieg in den dritten Stock.
Sunny und Reiner gingen hinter mir. „Guck mal, ist das die Tasche?" hörte ich Sunny leise zu ihrem Mann flüstern. Die Antwort bekam ich nicht mit, auch machte ich hiervon hinterher nicht so einen Bohei wie wegen Sunnys fast gleichem Ausruf am Tresen am Wochenende zuvor beim Juwelier. Ich war so richtig genervt von der ganzen Aktion, weil ich mir vom Wohnungsflohmarkt nicht sehr viel versprach. Und bei der Stimmung, die zwischen uns herrschte, hatte ich keine Lust, mir für die paar Euro das Wochenende versauen zu lassen.
Meine Abneigung spürte ich förmlich direkt am Körper. Ich war abgespannt ohne Ende und fühlte mich wie gerädert, saft- und kraftlos halt. Stumm gingen wir alle zusammen die Treppen bis zum dritten Stockwerk, bis zu Mutters Wohnung noch. Voller Stolz möchte ich hier nochmal meine Löwin erwähnen, die sich trotz großer Schmerzen im linken Bein die Stufen bis zur Wohnung hinauf quälte.
In der Wohnung angekommen, ging gleich das Gemaule von Sunny los. Wir wollten doch einen Tapeziertisch mitbringen; Reiner und sie hatten schon vor Tagen ihren Tapeziertisch sowie Decken mitgebracht. Wir anderen dagegen hätten nichts mitgebracht.
Recht hatte sie, denn ich hatte wohl im Vorfeld großspurig etwas von einem Tapeziertisch gesagt. Aber wie ich bereits mehrfach erwähnte, war ich wegen dieser Schwachsinnsaktion derart abgenervt, dass ich mich innerlich sperrte. Ich wollte nicht, basta! Im Nachhinein kann ich Sunnys Unmut über die mangelnde Begeisterung von Berta und mir verstehen, da sie sich als einzige hier engagiert hatte.
Etwas engagiert, wohlgemerkt. Denn mit einem großen Umsatz war bei dem kurzfristig angesetzten Wohnungsflohmarkt nicht zu rechnen. Und das wir jetzt auf die Schnelle in zwei oder drei Stunden die gesamte Wohnungseinrichtung auspreisen könnten, nebenbei noch einzelne Stücke auf Tischen präsentieren würden, daran glaubten Berta und ich eh nicht. Bei meiner Löwin und mir kam dann noch die gerade überstandene Arbeitswoche hinzu, außerdem gab es in den vergangenen Wochen, gerade auch Wochenenden, immer wieder Trouble oder Nerv wegen der Abwicklung von Mutters Nachlass, vorher mit der Heimunterbringung etc.
Reiner arbeitet zugegebenermaßen auch, aber der redete sich permanent damit raus, das er „mit der Sache nichts zu tun" hätte. Aber es ist auch mit Abstand einiger Monate müßig, darüber zu hadern, warum an diesem Tag die Situation noch weiter eskalierte. Selbst ein wenig Verständnis für Sunny ändert ja nichts an der Tatsache, das sie sich an diesem Nachmittag von Minute zu Minute weiter in eine aggressive Furie verwandelte.
Denn da Berta und ich auf ihre Vorwürfe, nichts mitgebracht zu haben, nicht weiter eingingen und eher mit Gleichgültigkeit reagierten, uns eher wie in Trance bewegten, wurde Sunny in ihrer Sprache immer schriller, keifender. Sollte es wirklich so gewesen sein, das Sunny einfach nur mal austestete, wieweit sie gehen kann?

Freitag, 15. Februar 2019

Uncle Fester: grad gelesen Februar 2019


Peter F. Hamilton - Der Abgrund jenseits der Träume (Faller Chroniken 1)
Manche Menschen haben merkwürdige Hobbies. Da räumt jemand allen Krimskrams aus seinem dunklen Keller und schließt sich dann Abende lang dort ein. Eine große Arbeitsplatte wird angeschafft, darauf dann künstliche Gebirgswelten angelegt. Mit kleinen Kunststoffbäumen und -sträuchern die Landschaft verziert, künstlicher Schotter ausgelegt. Hinzu kommen Ortschaften aus Miniaturgebäuden und winzige Figuren, mit detailgenauer Kleidung und einmaligen Gesichtszügen. Zum Schluss werden dann die Gleise verlegt und beinahe ehrfürchtig die Lok auf ihre Jungfernfahrt geschickt. Zeitverschwendung findet Ihr? Auch der Engländer Peter Hamilton hat eine merkwürdige Passion: Er denkt sich Science-Fiction-Geschichten aus, und das mit Erfolg.
Sein Armageddon Zyklus Anfang der 90er Jahre brachte das Genre der Science Fiction wieder zurück in die Erfolgsspur. Der vorherrschende Cyberpunkstil der 80er Jahre hatte sehr viele Fans an das Genre herangeführt, aber noch mehr abgeschreckt. Hamilton als genialer Geschichtenerzähler hat sich bildhafte Welten ausgedacht und mit epischer Breite ausgestattet. Er stattet seine Welten mit Zombies und Vampiren aus; hinzu kommen noch weitere Elemente der Fantasy.
Und trotzdem muss man den Armageddon Zyklus in den Bereich der Hard SF einordnen. Sein Commonwealth Universum perfektioniert das noch weiter. Der 3. Zyklus aus dem Commonwealth - Die Faller Chroniken - ist mal wieder hervorragend gelungen. Warum ist das noch nicht verfilmt?
Hamilton beginnt auch gleich mit einer Katastrophe. Die Physikerin Laura Brandt erwacht aus der Suspensionsröhre (Tiefkühlschlaf) auf dem Archenschiff Vermillion, das auf dem Weg zur Kolonisierung eines Planeten vom Weg abkommt und in die Leere gezogen wird. Die Leere ist ein sich ausbreitendes und lebensfeindliches Gebiet inmitten der Milchstraße, in dem die normalen Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt sind. Die Leere ist der Dreh- und Angelpunkt des Commonwealth Universums des Autors.
Entsetzt stellen Captain Cornelius Brandt und seine Crew fest, dass komplizierte Technologie in der Leere nicht funktioniert. Dazu gibt es nur sehr wenige Sternensysteme dort - zu einem davon kann sich die Vermillion schleppen. In der Nähe eines Planeten mit erdähnlicher Atmosphäre befindet sich eine Ansammlung von riesigen, länglichen Objekten - der "Wald".
Laura Brandt erforscht den Wald mit einem Shuttle. Ihre 4 Mitstreiter werden nach und nach durch Berührung mit den "Faller Eiern" zu Zombies, die auch Laura töten wollen. Anders als in Alien werden die Opfer in das Ei hineingesaugt. Dort entsteht dann ein Klon des Opfers, welches lediglich durch ihr blaues Blut als Faller zu erkennen ist.
Mit Geschick kann sie sich auf den Planeten retten. Von der Vermillion ist weit und breit nichts zu sehen;
Laura hat die Crew nicht warnen können. Einsam strandet sie auf dem Planeten und muss am Ende feststellen, dass sie in eine Zeitschleife geraten ist. Alle 27 Stunden und 42 Minuten erwacht eine neue Laura Brandt aus der Suspension und strandet auf dem Planeten. Laura tötet die erste Doppelgängerin; damit endet der kurze erste Teil.
Der zweite Teil ist gar noch kürzer. Der 1300 Jahre alte Nigel Sheldon hatte einst ein Wurmloch auf dem Mars entdeckt und damit der Menschheit das Tor ins All geöffnet. Nun wird er im 34. Jahrhundert von den Rail, welche die Leere seit Millionen Jahren bewachen, um Hilfe gebeten. Der Schlüssel ist die Living Dream Bewegung von Inigo, der als einziger die Träume des "Wasserwanderers" Edeard aus der Leere empfängt und immer mehr Anhänger um sich scharrt, die in die Leere aufbrechen möchten.
Im 2. Zyklus wurde Edeards Geschichte erzählt. Er lebte in einer mittelalterlichen Welt, in der die Menschen mit telepathischen Kräften ausgestattet sind. Jetzt erfährt Nigel, dass die Metropole von Edeards Welt namens Maccarel eigentlich ein Raumschiff der Rail ist.
Dank der Unterstützung der genialen Detektivin Paula Myo kann Nigel bei Inigo einbrechen und mit ihr sämtliche 47 Träume ansehen. Es führt für Nigel kein Weg dran vorbei: Er muss selbst, bzw. ein Klon von ihm, in die Leere aufbrechen, um nach den verschollenen Schiffen der Familie Brandt suchen, von denen ihm die Rail erzählen. Die bringen Nigels Klon mit dessen Schiff Skylady in die Leere - Ende zweiter Teil.
Nach diesen beiden mehr oder weniger kurzen Vorgeschichten schickt uns Hamilton in die Leere zu dem Planeten Bienvenido und in die dortige Fantasywelt. Dankenswerterweise gibt es auch eine Weltkarte zu dem Planeten am Anfang des Buches, welche ich bei der Lektüre häufiger zu Rate gezogen hatte.
Die Story in dieser mittelalterlichen Welt beginnt mit einer Säuberungsaktion. Das Cham (Name einer Stadt) Regiment sucht einige Fallereier, die immer mal wieder auf dem Planeten gelandet sind, um Menschen zu assimilieren und ein Nest mit dem Ziel zu errichten, die Millionen von Menschen zu vernichten. Wie die Sirenen werden die Soldaten um den neuen Soldaten Slvasta von einer betörenden Bäuerin angelockt bzw. aufgegeilt.
Die Bäuerin entpuppt sich als Faller und bis auf Slvasta verliert die gesamte Gruppe ihr Leben. Nur Slvasta verliert einen Arm, der schon in ein Ei eingesunken war. Als Held kehrt er in die Zivilisation zurück und dient als Leutnant und damit Befehlshaber einer eigenen Suchtruppe in einem Eliteregiment der Hauptstadt Varlan. In der dekadenten Gesellschaft um den Captain Philious, einem Nachfahren von Cornelius Brandt und daher Alleinherrscher des Planeten, fühlt sich Slvasta äußerst unwohl.
Einige von ihm vorgeschlagene Verbesserungen zur Bekämpfung der Fallereier werden im Bürokratiedschungel begraben. Der frustrierte Slvasta zweifelt an der Regierung und gerät in eine Widerstandsgruppe um die ehemalige Steuerbeamtin Bethaneve, ihren Exfreund Coulan, einem Bürokraten, und dem Fleischfabrikarbeiter Javier.
Dieser Teil des Romans entpuppt sich als Parabel auf die russische Revolution und die Machtergreifung Lenins, sieht man davon ab, dass die Menschen in dieser Fantasy- und Zombieumgebung sich mit Telepathie verständigen. Unter Führung von Slvasta bilden Bethaneve und ihre Freunde eine Widerstandsstruktur mit voneinander unabhängigen Zellen heraus, die Trevene, der grausame Chef der Captain`s Police, nicht knacken kann.
Dank mehrerer koordinierter Sabotageaktionen wie. Zerstörung der Wasserversorgung der Hauptstadt schüren sie den Hass der verarmten Bevölkerung auf die Privilegierten, die dekadent in Saus und Braus auf deren Kosten leben. Zum Schein lässt sich Slvasta mit einem leicht zu gewinnenden Wahlkreis korrumpieren, doch die herrschende Klasse hat Slvasta unterschätzt. Er nutzt dies, um peu a peu immer mehr Anhänger um sich zu scharen mit dem Ziel, die Regierung gewaltsam zu stürzen.
Vermittelt von Bethaneve, begibt er sich mit der ursprünglichen Widerstandsgruppe zur Blair Farm in der Nähe der Provinzstadt Adeone, um mit dem dortigen Farmer – Nigel Sheldon – eine Vereinbarung zur Lieferung von Waffen abzuschließen. Hier muss ich erwähnen, dass Slvasta Nigel bereits als Leutnant bei einer Säuberungsaktion kennengelernt hatte. Nigel geriet da in Verdacht, Fallereier illegalerweise zu unbekannten Zwecken an sich genommen zu haben. Jedenfalls zieht Hamilton einen kurzen Cut in der Erzählung als Slvaska sich total überrascht Nigel als Waffenlieferant gegenübersieht.
Ab jetzt nimmt der Roman nochmals Fahrt auf, denn nun werden die Handlungsfäden zusammengefügt. Kysandra ist die hübsche Tochter der verwitweten Farmerin von der Blair Farm und soll mit einem nichtsnutzigen Sohn von Ma Ulvon, der Puffmutter von Adeone, verheiratet werden. Überrascht muss die heiratsunwillige Kysandra nach einer Betäubung jedoch feststellen, dass sie mit Nigel Sheldon verheiratet wurde.
Dieser ist selbstverständlich als reicher Mann heimlich auf dem Planeten gelandet und sucht nun ein ruhiges Eckchen wie die Blair Farm, um die Zerstörung des Waldes und der Leere vorzubereiten. Dank starker telepathischer Fähigkeiten ist er wie die Faller in der Lage, Menschen zu beeinflussen, gar zu dominieren und diese für sich einzunehmen.
Kysandra und Nigel werden zu guten Freunden, nicht zu einem Paar. Nigel kann dank noch funktionierenden Messgeräten seines Schiffes, der Skylady, eine elektromagnetische Anomalie in einer Wüste des Planeten entdecken. Bei einer Expedition dorthin finden sie die quasi millionenfachen Überreste von Laura Brandt, die ja alle 27 Stunden eine Zeitschleife erlebte. Dies und ein Blick ins Kellergewölbe der Villa des Captains dank eines modifizierten Insekts bringt Nigel auf die Lösung.
Es geht darum, eine Revolution anzufachen, damit er mit seinen ANAdroiden einen Quantenzerstörer aus der alten Vermillion stehlen kann. Die von ihm notdürftig hergerichtete Skylady soll damit den Wald vor dem Planeten zerstören. Dadurch würde der Planet aus der Leere herausfallen.
Ein ANAdroide nimmt in Varlan eine neue Identität als Coulan an und dominiert und rekrutiert die Revolutionäre. Erst eine Beziehung mit Bethaneve, danach mit Javier und schließlich ergibt sich mit Slvasta der ideale Revolutionsführer. Jetzt erscheinen die langen Beschreibungen des Aufbaus der Widerstandsgruppe in einem anderen Licht. Die Farm wird immer weiter ausgebaut, die Waffen für die Revolutionäre werden verteilt.
Nun beginnt eigentlich ein dritter Akt im Revolutionsdrama – abwechselnd fängt die „Kamera“ das Geschehen um Slvasta und Nigel ein. Und während Kysandra und Coulan den Quantenzerstörer in den Wirren der blutigen Straßenkämpfe der Revolution stehlen und zur Farm bringen, kann sich Slvasta die Macht sichern.
Und wie einst Lenin verändert sich Slvasta blitzschnell vom Revolutionshelden zum despotischen Diktator, der die Menschen befreien will, aber keine abweichende Meinung duldet. Dieser urplötzliche Wechsel des Charakters ist ein ganz starker Schachzug von Hamilton, der den Leser dazu verleitet, den Rest des Buches auf einen Rutsch zu verschlingen.
Slvasta wähnt Nigel als Faller und nimmt die Verfolgung der Diebe auf, kann Coulan noch töten, aber letztendlich den Flug von Nigel in den Wald nicht aufhalten. Beim Start stirbt er sogar dank der Raketenflamme, kann aber dank der Zeitschleife von Bethaneve ins Leben zurückgeholt werden. Kurz danach rettet Nigel noch Laura Brandt aus ihrer Zeitschleife und lässt sie nach Bienvenido fliegen.
Im Epilog hat Nigel den Wald zerstört und damit die Leere vernichtet. Bienvenido schwebt allerdings mit anderen Planeten um eine Sonne abseits der Milchstraße im Nirgendwo. Keine Chance, das Commonwealth zu erreichen. Nigels Klon hat sich geopfert und Slvasta kann sich die Macht sichern. Bethaneve hat er allerdings in den Gulag geschickt, weil ihm ihre Meinung nicht gepasst hatte.
Obwohl sich die Story wie schon tausendmal gelesen anfühlt, habe ich sie mit Begeisterung verschlungen. Hamilton schreibt es einfach nur gut.

Mittwoch, 13. Februar 2019

Buddy Holly 3/7

Buddy konnte die Bosse von Decca nicht davon überzeugen, das er seinen eigenen Sound mit ihm fremden Studiomusikern nicht erzeugen konnte, die ihren jeweiligen Part zwar perfekt runter spielen konnten, aber häufig kein Feeling für seinen Sound hatten. Leider waren Buddy`s langjährige Weggefährten Larry Welborn und Bob Montgomery bei den Aufnahmen in Nashville außen vor. Jerry Allison, damals noch an der High School, durfte nur für einen Song an die Drums und Buddy durfte nicht einmal selbst Gitarre spielen. Er war lediglich als Sänger vorgesehen. Bei Decca war man zu der Zeit noch so konservativ, dass man für diese neue Musikrichtung nicht von den erfolgreichen Gewohnheiten der Schlagerbranche abweichen wollte.
Bei den zwei Sessions kannte Buddy lediglich Sunny Curtis und den Bassisten Don Guess, weil dieser ebenfalls aus Lubbock stammte. Sicherlich waren Martin und Boots Randolph, auch Grady Martin anerkannte Studiomusiker, aber eben nicht aus Buddys langjähriger Band und daher auch nicht mit seinem Sound vertraut. Aus diesen Sessions entstand lediglich die Single „blue Days, black Nights“/ „Love me“, die von der Kritik tatsächlich wohlwollend aufgenommen wurde, aber kommerziell komplett durchfiel.
Nun endlich hatten die Manager von Decca ihr Einsehen. Buddy konnte in einer dritten Session die von ihm gewünschten Musiker hinzuziehen. Er nannte seine Band „Three Tunes“ und spielte die Session mit Sunny Curtis und Jerry Allison ein. Das Resultat verlief jedoch ähnlich wie zuvor. Lediglich eine Single („Modern Don Juan“/ „You are my Desire“) wurde daraus veröffentlicht. Die Platte verkaufte sich ebenfalls nicht, obwohl die Kritiker voll des Lobes ob der Platte waren. Für Paul Cohen standen die Schuldigen sofort fest: Selbstverständlich lag es an den jungen Musikern, die zwischen 17 und 18 Jahre alt waren. Cohen beklagte die Unprofessionalität und als Folge wurde der Vertrag von Decca mit Buddy Holly nicht verlängert. Enttäuscht kehrte Buddy nach Lubbock zurück. Die nicht veröffentlichten Songs der Session verblieben bei Decca, darunter frühe Versionen von „That`ll be the Day“ und „Rock around with Olli Vee“.
Buddy gab in Lubbock seinen Traum nicht auf und nahm weitere Demos mit Amateur Equipment in seiner Garage auf; er glaubte an seine Songs. Kurz darauf wechselte er das Studio und ging zu Sessions in die Nor Va Jak Studios in Clovis, New Mexico. Eigner dieses Studios war der unabhängige Produzent Norman Petty, der eher zur Pop-Musik tendierte, wo er auch schon für kleinere Hits wie „almost Paradise“ verantwortlich zeichnete. Doch immer wieder gab er Rock `n` Roll Musikern eine Chance, da er ein feines Gespür für Hits hatte. Typisches Beispiel dafür ist „Party Doll“ von Buddy Knox, einem Song, der trotz seiner poppigen Grundstruktur als Rock `n` Roll Song durchgeht.
Buddy Holly`s Chance kam genau zu diesem Zeitpunkt, als Norman Petty für den unbekannten Sänger Gary Tollet Begleitmusiker für eine Demoaufnahme suchte. Zuerst dachte Petty hierbei an Jerry Allison, zu dem Tollet Kontakte hatte, der für Roulette Records als Studiomusiker arbeitete. Allison sagte seine Teilnahme an einer Session bei Petty unter der Bedingung zu, dass Buddy Holly als Gitarrist mit dabei war.
Und weil nach den Demos noch etwas Zeit übrig war, leisteten sich die beteiligten Musiker noch den Spaß, zwei weitere Songs als Demo aufzunehmen. Bei „Looking for Someone to love“ und „That`ll be the Day“ sang Buddy Holly endlich selbst und Tollet kümmerte sich um den Background. Zusammen mit den Aufnahmen für Gary Tollet gelangte auch diese Demo zu Roulette Records. Doch die Hoffnung einer Veröffentlichung erfüllte sich weder für Tollet noch für Holly. Die Songs fanden bei den Verantwortlichen von Roulette Records zwar durchaus Gefallen, aber die Verantwortlichen scheuten die Veröffentlichung der Songs mit den einem breiteren Publikum unbekannten Musikern. Mit Jimmy Bowen und Buddy Knox hatte Roulette bereits zwei vermeintliche Rock `n` Roll Stars unter Vertrag. Und noch schien der Markt nicht groß genug für mehr Stars. Gerade in den 50ern waren die Strukturen im Musikbusiness festgefahren und in fester Hand einiger weniger großer Plattengesellschaften. Daher war die Risikobereitschaft entsprechend gering.
unterwegs auf Tour

Stattdessen kamen die Verantwortlichen bei Roulette auf die übliche Idee, das sehr gute Songmaterial von ihren eigenen Stars neu einspielen zu lassen. Damit war Buddy Holly in keinster Weise einverstanden; er wollte seine Songs selbst singen und auch als Musiker bekannt werden, nicht nur als schlecht bezahlter Songschreiber im Hintergrund.
Die Band hatte durch die eher zufällig entstandenen Demoaufnahmen mittlerweile eine feste Besetzung gefunden. Buddy Holly, Jerry Allison und Don Guess gaben sich den Namen „the Crickets“ (auf Deutsch: die Grillen).
In der Frühphase des Rock `n` Roll wählten viele Bands Namen, die auf Juwelen, Blumen, Vögel oder gar astronomische Objekte zurückgingen. Es war Jerry Allison, der auf Crickets kam. Er sagte hierzu: „Nun, weißt Du, die machen ein glückliches Geräusch. Sie sind eine glückliche Insektenart.“ Und:“Sie machen Musik, indem sie ihre Beine aneinander reiben.“ Dieses Argument gab den Ausschlag und die Crickets hatten den passenden Namen gefunden.
Norman Petty hatte darüber hinaus noch einen in Petto: Er schickte die Demoaufnahmen an den Musikverlag Peer-Southern, bei dem er in der Vergangenheit einige Titel veröffentlichen konnte. Peer-Southern reichte die Demos an Bob Thiele von Brunswick Records weiter. Die Ironie hierbei ist, das ausgerechnet Brunswick Records eine Tochtergesellschaft von Decca war.
Thiele war von den Aufnahmen sofort überzeugt. Schnell ließ er davon eine Platte pressen und im Juni 1957 wurde „That`ll be the Day“ von Buddy Holly und den Crickets endlich veröffentlicht. In Billboard`s R&B Singles Charts erreichte der Song Platz 2; und in England blieb der Song im November 1957 gar für drei Wochen lang auf Platz 1. Die Rock `n`Roll Junkies von Amerika bis Großbritannien kannten den Text im September auswendig.