Mittwoch, 23. April 2025

Hartmudo: Belgien

10
Im Gegensatz zu Antwerpen ist der Bahnhof von Brügge keine Schönheit. Der klobige Betonklotz, welchen die Belgier mitten in die schöne Parklandschaft geknallt hatten, ließ Schlimmes für unseren heutigen Abstecher befürchten. Hätten wir vielleicht doch eher Gent besuchen sollen? Wir parkten den Wagen ab und gingen los Richtung Innenstadt.
Und immer den anderen Touristen hinterher. Und ich sah da schon einen stundenlangen Gewaltmarsch auf mich zukommen. Da schlug wieder mein allgegenwärtiger Pessimismus durch; meine Ungeduld, die Abneigung gegen übermäßige Anstrengungen… wie auch immer: Die ganzen negativen Gedanken lösten sich - wie zumeist eigentlich - schon nach wenigen Minuten der Unrast in Wohlgefallen auf.
Denn bereits nach knapp 100 Metern überquerten wir einen der zahlreichen Kanäle und konnten von der Brücke aus auf eine schöne Parklandschaft, aufgeheitert dank Wasserfontainen, blicken. Der herrliche Sonnenschein leuchtete dazu das Bild optimal aus, auch wenn die immer noch relativ kühle Witterung das Öffnen der Jacke verhinderte.
Was für ein Kontrast zu Ostende. Hier in Brügge war wirklich Frühling angesagt. Es dauerte dann nicht lange, da waren wir bereits in die engen Häuserschluchten des Stadtkerns vorgedrungen. Rote und gelbe Ziegelstein Bauten prägten die zusammenhängenden Häuserschluchten in Backsteingotik, fast fühlte ich mich an mittelalterliche Burgmauern erinnert.
Und etwas weiter im Hintergrund erblickten wir auch schon eine bekannte Sehenswürdigkeit von Brügge, die wir uns nicht entgehen lassen wollten. Die Liebfrauenkirche ist ein besonders schönes Werk der Backsteingotik und außerdem Grabstätte von Karl dem Kühnen, durch dessen übermäßigen Ehrgeiz das ehedem mächtige Herzogtum Burgund 1477 unterging und zunächst der französischen Krone anheimfiel.
Brügges mittelalterliches Stadtbild nebst den historischen Gebäuden sind nie durch Kriege direkt bedroht worden, selbst in beiden Weltkriegen nicht. Im 15. Jahrhundert galt Brügge als eine der wirtschaftlich und kulturell reichsten Städte Europas; dank der florierenden Textilindustrie nebst dem angeschlossenen Fernhandel wurde Brügge zu einer der wichtigsten Geburtsstätte des Frühkapitalismus.
Im Zentrum des mittelalterlichen Kerns befindet sich der Grote Markt, welcher im Mittelalter noch mit einem Schiff direkt angefahren werden konnte. Wie der Markt im 13. Und 14. Jahrhundert gebaut, überragt der Turm Belfort die gesamte Stadt; im Mittelalter diente er als Brandwache. Bis heute darf ihn kein Neubau überragen.
Brügge erwies sich für uns also schon nach kurzer Zeit zu einem wirklich schönen Kontrast zu Ostende und vor allem Antwerpen. Hier spürt man noch die vergangene Größe burgundischer und flandrischer Kaufleute, welche den Übergang von einer adligen Ständegesellschaft zur modernen bürgerlichen Lebenskultur angestoßen hatten.
In einer richtig engen Gasse - knappe drei Meter breit - wurde dies deutlich spürbar. Saubere und renovierte Hausfassaden mit gelben Ziegeln. Selbst das Kopfsteinpflaster war moosbefreit und wirkte wie grad frisch angelegt. Der Tisch mit den zwei Stühlen mitten in der Gasse vermittelte den liebevollen Eindruck, dass hier das Leben auch auf der Straße stattfindet.
Ein oder zwei Ecken nach dieser kleinen Gasse betraten dann endlich die langgezogene Straße mit den vielen kleinen Geschäften - umgangssprachlich auch als Touristenrennbahn bekannt. Diesen schönen Begriff hatte zugegebenermaßen mein alter und schwedischer Freund Pan für die Einkaufsmeile in Stockholm geprägt.
Wobei sich hier als Vergleich eher die irischen oder auch deutschen Kleinstädte anbieten, denn daran erinnerte mich diese Straße in Brügge sofort. Eine reine Fußgängerzone zwischen zwei durchgehenden, maximal dreigeschossigen Häuserreihen mit kleinsteinigem Straßenpflaster. Und dazu am späten Vormittag voller Menschen, besser gesagt Konsumenten.
Willkommen also in Kilkenny oder in Minden, wie es beliebt. Wobei es in Brügge, da Belgien, eine Vielzahl kleiner Schokolaterien gibt, tatsächlich auch landesweite Ketten. Meine Löwin zeigte sich auch hier begeistert, mich dagegen nervte es bald eher, da mir spätestens im dritten oder vierten Laden aufgefallen war, dass sich das Warenangebot überall stark ähnelte. Ich kenne das von den selbstgestrickten Schals und Pullovern aus Schafswolle in Irland.
Dessen ungeachtet machte es mir großen Spaß, bei anhaltend blauen Himmel durch Licht oder Schatten zu schlendern. Und den vielen Kutschen, hier wohl eine unverzichtbare Attraktion für Touristen, auszuweichen, die uns alle naselang entgegenkamen. Da wurde es so langsam an der Zeit, in einem Cafe eine Pause einzulegen.
Wir fanden dieses Cafe am Ende der Fußgängerzone an einem kleinen Platz. Dort konnten wir die Fuhrwerke mit Schmackes in die Fußgängerzone einfahren sehen. Gegenüber befand sich ein Diamantmuseum; kurz überlegten wir noch, ob wir etwas für die kulturelle Bildung unternehmen könnten. Geschenkt, das Museum war am Sonntag geschlossen.
Im Cafe "De Katelijne" hatten wir uns nach drinnen gesetzt, obwohl die Bedienung bei unserem Eintreffen gerade die Außenbestuhlung hergerichtet hatte. Nun ging ja ein wenig Wind und die Luft war immer noch frisch, so dass wir uns drinnen einen gemütlicheren Platz erhofft hatten. Durch das große Fenster, neben dem wir saßen, hatten wir einen guten Blick auf das bunte Treiben in diesem Teil von Brügge, das ungleich angenehmer auffiel als Antwerpen oder Ostende.
Da bot es sich für mich förmlich an, den Vormittag mit einem Jupiler ausklingen zu lassen. Meine Löwin gönnte sich eine heiße Choki und ein "Croque Monsieur", welches 15 € kostete und aus zwei jeweils doppelten Toastbrotscheiben bestand, welche dann beide auch eine hauchdünne Scheibe Schinken und eine nicht dickere Scheibe Käse umschlossen.
Die Salatbeilage dazu sorgte zwar für eine angenehmere Optik, konnte aber den negativen Gesamteindruck in der Relation zum Preis nicht verbessern. Aber wenigstens hatten wir einen bequemen Sitzplatz gehabt und ein Jupiler ist ein Jupiler ist ein Jupiler.
Nun war die Pause vorbei - wir begaben uns auf den Rückweg, besser gesagt, wir gingen die Fußgängerzone zurück, um uns auch noch das andere Ende der Innenstadt, sprich den groten Markt, anzuschauen. Und ja, mittlerweile schlug die Uhr 12 Uhr mittags. Da war es an der Zeit, eine "richtige" Mahlzeit einzunehmen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen