Erik Harlandt - Willkommen auf Gerry
Abgefahren. Seit neuestem stehe ich auf deutsche Science Fiction Autoren. Gerade bei den Briten und US-Amerikanern herrscht auf dem Gebiet gerade Flaute. Wenn die nicht gleich die Filmrechte vergolden können, lassen die wohl den Kuli liegen. Oder liegt es daran, dass der Markt für Bücher dank Streaming und anderen Freizeitvergnügungen geschrumpft ist?
Für Übersetzungen ins Deutsche gibt es wohl auch nicht mehr genügend Moos; da schreiben die Leute lieber eigene Romane im Self-Publishing. Erik Harlandt ist wohl einer dieser erfrischenden Newcomer. Er lebt in Hamburg und hat mit diesem eher kurzen Werk ein schöne „locked Room“ Geschichte geschrieben, die wirklich zu fesseln versteht.
Mitte des 24. Jahrhunderts erreicht eine riesig große Raumstation unser Sonnensystem und sendet ein Willkommenssignal: „Willkommen auf Gerry!“ Die beiden großen Machtblöcke des Sonnensystems - Erde und Mars - entsenden Schiffe nach Gerry; ebenso die „Freien“ von den Ansiedlungen im Asteroidengürtel oder den größeren Monden im äußeren Sonnensystem.
Ein Wettlauf um den Zugang zur Raumstation beginnt. Es gilt, sich als erster die erhofften neuen Technologien zu sichern, um nicht gegenüber dem anderen Machtblock ins Hintertreffen zu geraten. Erst als die Menschen versprechen, friedfertig zu sein, erhalten sie Zugang zu Gerry.
Dieses Geschehen nimmt allerdings nur einen kleinen Raum in der Geschichte ein. Hauptsächlich widmet sich Harlandt dem Schicksal zweier Stoßtrupps, die noch vor Eintreffen der Kontrahenten die Dschungelwelt im Inneren des ausgehöhlten Asteroiden, der Gerry eigentlich ist, erkunden. Zum einen die Gruppe um Unteroffizier Hoffmann, der eigentlich Baur heißt und ein Agent der schwächelnden Amis ist. Dank Bewusstseinstransfers (netter Einfall) ist dies möglich geworden. Die andere Gruppe um Hauptmann Peters soll die verloren geglaubte Gruppe um Hoffmann aufspüren; oder war es umgekehrt?
(Fast) den ganzen Roman über entdecken die beiden Stoßtrupps immer neue Räume hinter der Dschungellandschaft und kommen des Rätsels Lösung doch nicht näher. Mit jeder neuen Erkenntnis tauchen neue Fragen auf, zumal sich nach und nach herausstellt, dass Baur nicht der einzige per Bewusstseinstransfers tätige Agent ist. Gegen Ende vereinen sich beide Trupps, bloß um dann den Bodentruppen von Erde und Mars in die Arme zu laufen.
So baut man natürlich bis zum Schluss Spannung auf - das hat Harlandt prima durchgezogen. Am Ende macht er es dann kurz, aber schmerzhaft: Die sich friedfertig arrangierenden Verbände der menschlichen Machtblöcke nutzen das Potenzial von Gerry, um eine Kolonialisierung auf Gerry einzuleiten.
Im rasch erzählten Romanende wird Gerry zur blühenden Landschaft für glückliche Menschen, während die Erde dank der Massenemigration immer mehr verödet. Baur muss aber am Ende auf der Erde mit ansehen, wie Gerry mitsamt der glücklichen Menschen in einem Augenblick verschwindet. Da wird ihm etwas bewusst, was vorher bereits leicht angedeutet worden war.
Die Dschungelwelt und der Humus auf Gerry basieren auf toten Lebewesen, die wie die Menschen auf Gerry gelockt worden waren. Eine gigantische Fliegenfalle also. Hier hat Harlandt ein schönes Ende gefunden, welches einem Cyril M. Kornbluth zur Ehre gereicht hätte.
Andreas Brandhorst - Zeta
…Und gleich der Altmeister mit einem neueren Werk hinterher. Dass passt wie Arsch auf Eimer, denn die Ähnlichkeiten zu „Gerry“ sind frappierend. Auch hier taucht ein außerirdisches Artefakt unvermittelt im Sonnensystem auf; die Konfrontation zwischen Erde und Mars droht auch hier die Menschheit zu vernichten.
Die Exkursionen der einzelnen Gruppen auf Zeta treibt auch hier die Story voran. So startet die Astronautin Nightingale Loi das neu gebaute Raumschiff Excelsior nicht in Richtung Alpha Centauri, sondern zum Saturn, wo Zeta seine Reise beendet hat. Begleitet wird sie von Effraim Floyd, einem Anhänger von Terra Solar; einer Organisation, welche die alleinige Herrschaft der Erde über das Sonnensystem anstrebt.
Ebenfalls mit dabei sind die Enhus Chen und Newton; 2 genetisch optimierten Menschen, welche sich zu einer eigenen Spezies entwickeln. Und der Mars darf natürlich auch nicht fehlen. Roxa Mahwe ist Mitglied bei Ma Re, der marsianischen Entsprechung von Terra Solar. Ihr „Partner“ Hannibal ist als Schürfer eher zufällig dabei.
Bleiben noch Eusebius und Nora, welche sich vom Saturnmond Titan aus zu Zeta begeben. Und der ehrenwerte Skarabi, ein Mitglied des die Erde beherrschenden Gremiums und Mitglied von Terra Solar, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Denn weil er einzelne Artefakte, welche per Transmitter kontinuierlich auf dem Mond ankommen, zu einer vermeintlichen Waffe verbindet, kommt es im Sonnensystem zu einer Raum Zeit Kontinuums Störung, welche gar das gesamte Universum gefährdet.
Kaum sind die genannten Personen auf Zeta mit der Suche nach dem Zentrum unterwegs, fliegt Zeta wieder aus dem Sonnensystem hinaus. Dank Transmitter können zwar Newton und Floyd, wie auch Chen, zwischenzeitlich auf die in der gestörten Raum Zeit Blase gefangenen Erde umsehen, müssen aber erkennen, dass die Rettung der Erde nur auf Zeta möglich ist.
Der Roman endet mit dem Freitod der überlebenden Hauptpersonen auf Zeta, worauf ihre Persönlichkeiten in die Schwarmintelligenz (Konsens) von Zeta eingehen. In Gestalt eines Roboters tritt der Konsens im Epilog des Romans dem Gremium der Erde gegenüber und verkündet ein neues, goldenes Zeitalter dank der Technologien von Zeta.
Halleluja, möchte man meinen. Im Gegensatz zu Harlandt bietet Brandhorst hier ein optimistisches Ende. Das tut der Qualität des Romans zwar keinen Abbruch, aber ich halte den Pessimismus von Gerry für realistischer als die Hoffnung durch Zeta.
Sei’s drum - spannend ist Zeta alle Mal.
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