Samstag, 17. Dezember 2022

Udorallala: Hasselhoff

Von Knight Rider habe ich bis heute nicht eine Folge durchgeguckt. Meine Löwin hingegen war und ist Fan jener Kultserie der 80er Jahre, welche seinerzeit auf RTL lief. Über Baywatch brauche ich wohl keine Worte zu verlieren. Das hatte ich selbstverständlich auch gemieden, David Hasselhoff war für mich in all den Jahren mehr oder weniger eine Witzfigur.
Mit "I've been looking for freedom", dem Song, der während des Falls der Berliner Mauer dauernd gespielt wurde, konnte er sich in Deutschland unsterblich machen. Auch so ein Song, bei dem ich normalerweise das Radio ausschalte.
"The Hoff", wie er von seinen Fans liebevoll genannt wird, hatte irgendwann starke Alkoholprobleme bekommen. Diesbezüglich kursieren diverse Videos im Netz, mittlerweile jedoch hat er seine Alkoholprobleme überwinden können.
Alles in allem hätte dies mich nicht dazu bewegen sollen, eine neue Serie mit ihm - ausgerechnet auf RTL Plus - anzuschauen. Doch dass er sich - ähnlich wie Jean-Claude Van Damme - auf die Schippe nimmt, hatte mich neugierig gemacht. Hinzu kam, dass die Serie von den Machern von "Dogs of Berlin" entwickelt wurde.
Und tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil! Allein der Schluss der ersten Folge ist ein Highlight der ansonsten eher biederen deutschen Fernsehunterhaltung. Doch mal immer der Reihe nach.


David Hasselhoff ist 70. In den USA erhält er nur noch miese Rollen, möchte aber seine Karriere noch einmal durchstarten. Seine Tochter und Managerin verschafft ihm ein Engagement in Deutschland in einem Theaterstück - im herrlich abgewrackten Görlitz. Dort soll er die Hauptrolle in einem amerikanischen Bühnenstück übernehmen.
Eine weitere Hauptrolle ist für Henry Hübchen vorgesehen, der sich übrigens auch selbst spielt. Als Hübchen Hasselhoff gesteht, dass er Ende der 80er Jahre Hasselhoff für ein Netzwerk des DDR Geheimdienstes anwerben wollte, war ich schon gefesselt.
Passend dazu spielt Hasselhoff den alten Sack glaubwürdig und überaus sympathisch. Sein ständig überraschter Blick, wenn er mal wieder einen Zeitsprung erlebt (oder war er einfach nur eingeschlafen?) zeigt überdeutlich, dass David Hasselhoff keinesfalls Herr des Geschehens ist. Doch "The Hoff" macht das Beste draus.
Dieser rührend naiv-ehrliche Umgang mit Problemen, wenn er sich wie weiland Michael Knight aufbaut und genau das Richtige sagt, wirkt hier ausnahmsweise nicht lächerlich wie in Knight Rider oder Baywatch. Denn in dieser Serie ist David Hasselhoff ein Getriebener, der sich zwischen dem Netzwerk alter östlicher Geheimdienste und dem Emir eines arabischen Phantasiestaates, der hier als Bösewicht fungiert, aufreibt und sich letztendlich dazu entscheidet, für die gerechte Sache zu kämpfen.
Das Theaterstück ist eigentlich nur eine Tarnung für ein Attentat auf den Emir, aber dies stellt sich erst später heraus. Bis dahin sorgen die mimosenhaften Schauspieler und der genervte Regisseur des Theaterstücks für gute Unterhaltung. Die weibliche Hauptdarstellerin Andra Shandra, ein Social Media Star, sorgt dann auch für das angesprochene Highlight am Ende der ersten Folge, als sie bei einem Gerangel in Hasselhoffs Hotelzimmer auf eine Bombe fällt und wie ein Luftballon zerplatzt.
Das ganze Zimmer ist mit Knochen und Fleischfetzen übersät, Hasselhoff kommt gar nicht mehr klar und der Zuschauer fühlt mit ihm. Nach und nach wird Hasselhoff von Hübchen in die Verschwörung hineingezogen. Die neue Hauptdarstellerin ist eine absolute Zicke und der ermittelnde Kommissar, gewollt angelegt in einer Mischung aus Kojak und Columbo, stellt Hasselhof unangenehme Fragen zum Verschwinden von Andra Shandra, vor allem nach dem Fund ihrer Leiche.
Für die größten Lacher bei uns sorgte der Lkw-Fahrer auf der Autobahn, der den vermeintlichen gegnerischen Agenten (wunderschön: Das Brecheisen hinter sich herziehend wie einst Javier Bardem in "No Country for Old Men") verjagt und David Hasselhoff als Mitglied des A-Teams verortet.
Je weiter die Story voranschreitet, umso mehr kristallisiert sich eine Parallele zu „DejaVu" mit Denzel Washington heraus. So erlebt David Hasselhoff nicht nur Zeitsprünge, sondern kann etwaige zukünftige Szenarien im Voraus durchspielen und dadurch verhindern, dass das Attentat auf den Emir scheitert.
Keine Frage: David Hasselhoff spielt sich selbst glaubwürdig. Man nimmt ihm seine Frustration, aufs Altenteil abgeschoben worden zu sein und nur noch auf schlechte Rollen besetzt zu werden, einfach ab. Dass er kein Robert de Niro, Bruce Willis oder Cary Grant ist, wird allerdings auch überdeutlich.
David Hasselhoff verfügt halt nur über eine eingeschränkte Mimik und Gestik, darüber können auch die eingestreuten Gesangs- und Tanzeinlagen nicht hinwegtäuschen. Und doch stellt er in dieser Serie Henry Hübchen gewaltig in den Schatten. Hübchen kann mehr, das wissen wir alle. Doch hier spielt er den ehemaligen Ost-Agenten derart mürrisch und nahezu emotionslos, dass man sich irgendwann fragt, ob man dessen Rolle nicht besser mit jemand Anderem hätte besetzen sollen.
Dies ist sicherlich ein sehr kleiner Wermutstropfen, da die Serie ansonsten rundherum überzeugt. Eine derartig anspruchsvolle Produktion hätte ich RTL niemals zugetraut, Respekt. Dank kleinerer Cliffhanger wäre sogar eine zweite Staffel denkbar, da wäre ich mal gespannt drauf.
Obwohl sich die selbstironischen Szenen zwangsweise totlaufen müssen, bietet der Plot noch genügend Entwicklungsmöglichkeiten. Surrealistische Serien a la „Dark" oder „Stranger Things" haben ja gerade Hochkonjunktur, da müsste für David Hasselhoff auch noch Platz sein.
Auf alle Fälle solltest Du Dir diese Serie anschauen, falls Du die häufig wirren Tatort-Banalitäten eben nicht für anspruchsvoll, sondern nur noch für verkopft und schlecht hältst.

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