Sonntag, 17. Mai 2020

Hartmudo: Wie damals inner DDR

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Ausgerechnet am 8. Mai diesen Jahres, am 75. Jahrestag der Kapitulation des Dritten Reiches, kam mir der momentane Ausnahmezustand auf Grund der Convid 19 Pandemie zum ersten Mal so richtig bedrohlich vor. Bislang habe ich zwar einige Bedenken gegen die Einschränkung der Grundrechte gehabt, unterstütze aber die verhängten Ausgangsbeschränkungen durch unsere Exekutive.
Wie jeder gute Bürger im allgegenwärtigen Neoliberalismus beschäftigen sich meine Löwin und ich während des Corona Lockdowns mit Arbeiten in Haus und Garten (Letzteren haben wir nicht), sprich: Wir frequentieren den nahegelegenen Baumarkt. Und als wir am 8. Mai auf den Bauhaus Parkplatz fuhren, da sprach meine Löwin den entscheidenden Satz.
„Das ist ja wie inner DDR!“. Diese Assoziation hatte ich auch sofort, als ich die lange Schlange der Einkaufswilligen vor dem Eingang sah. Die Schlange der Leute mit vorgespannten Einkaufswagen zog sich bis hinter dem Gartencenter hin, also mehr als 100 Meter. Alle achteten peinlich genau auf den vorgeschriebenen Mindestabstand von zwei Metern. Teilweise hatten die Leute sogar schon ihre Masken auf, obwohl die Maskenpflicht erst innerhalb des Baumarktes gilt.
Direkt vor dem Eingang achtete ein maskierter Mitarbeiter des Hauses penibel darauf, dass immer nur so viel Leute in den Baumarkt hinein gingen, wie durch den Ausgang herauskamen. Ich hatte mir zuvor nicht vorstellen können, wie viele Leute im Home Office arbeiten.
Ich kann neuerdings gut nachvollziehen, wieso die DDR Bürger 1990 wider besseren Wissens Helmut Kohl und damit das schnelle Ende des Biotops DDR gewählt hatten, anstatt mit Oskar Lafontaine einen langsamen Weg ohne Massenarbeitslosigkeit Ost dank des Ausverkaufs mittels der Treuhand zu gehen.
Die hatten einfach keinen Bock mehr, sich im Extremfall den halben Tag vor dem HO Markt anzustellen, wenn das Gerücht durchgesickert war, dass es gerade Kartoffeln oder Fleisch zu kaufen gab, wo dies meistens ausverkauft war.
Im wiedervereinigten Deutschland gibt es die Mangelartikel ja in Hülle und Fülle. Wenn man das Geld hat, diese zu bezahlen wohlgemerkt. Das hatten die Ossis bei ihren ersten Bundestagswahlen 1990 nicht bedacht. Viele waren da bereits arbeitslos oder standen kurz davor. Doch dieses Anstehen vor dem HO oder die Reisebeschränkungen hatte die Menschen blind gemacht. Helmut Kohl brauchte diese Kinder einfach nur wie weiland der Rattenfänger von Hameln mit der Flöte einzusammeln.
Dank Corona haben wir die Reisebeschränkungen wieder. Wochenlang durften wir nicht einmal in benachbarte Bundesländer fahren - das gab es noch nicht einmal in der DDR! Und statt Kartoffeln oder Fleisch waren jetzt Toilettenpapier, Mehl und Hefe ausverkauft. Und mit der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen durften jetzt auch die Wessis nach 30 Jahren das Schlangestehen vor dem Einkaufsladen kennenlernen.
Dieses Bild vor Augen - dass ich mich zur Zeit so fühle wie „damals inner DDR“ (obwohl ich dort nicht leben musste) - gefällt mir nicht. Da fällt mir noch was ein: Wir tragen jetzt sogar noch Masken vor dem Gesicht - DAS gab es in der DDR nicht!
Gleichzeitig musste ich an diesem 8. Mai wie jedes Jahr an das 40jährige Jubiläum des Kriegsendes am 8. Mai 1985 denken. Da war ich noch im Auftrag des Volkes zum Schutz der Bundesrepublik gegen die Bedrohung aus dem Osten - auch der DDR - unterwegs. Ich will sagen, da war ich noch bei der Bundeswehr.
warten auf Einlass

Und an jenem 8. Mai 1985 hatten wir auf der Standortschießanlage in Hötzum ein Nachtschießen durchgeführt. Was für eine krasse Zeitplanung! Ausgerechnet an einem runden Jubiläum des Kriegsendes. Im 2. Weltkrieg starben 65 Millionen Menschen und die "Dritte Fünfundzwanzig" feiert dies mit einem Nachtschießen. Selbst heute noch bin ich fassungslos, wie dickefellig die deutsche Bürokratie so sein kann.
Das Argument, mit all diesen Maßnahmen die Pandemie einzugrenzen, damit das angeblich so gute Gesundheitssystem nicht zusammenbricht, habe ich die ganze Zeit mitgetragen. Ob es die Isolation in den Wohnungen, den Mindestabstand oder die Maskenpflicht waren; All dies und der wirtschaftliche Lockdown hat die Zahl der Todesfälle äußerst niedrig gehalten.
Da ist eine vorübergehende Einschränkung von Grundrechten wie der Versammlungsfreiheit, Gewerbeausübung oder gar der Freizügigkeit hinnehmbar. Die Betonung liegt hier jedoch auf "vorübergehend". Je länger der Lockdown und die Maskenpflicht andauern, desto mehr frage ich mich: "Wie lange soll das noch so weitergehen?"
Jetzt, Mitte Mai, ist die Anzahl der aktuell Infizierten von über 60.000 auf ca. 15.000 gesunken; In den Medien wird dies aber so nicht kommuniziert. Von den dort genannten über 175.000 Infizierten (Stand 12.5.) sind demnach 155.000 abzüglich 7000 Toter wieder geheilt. Die Zahl der aktuell Erkrankten sollte doch die Messgröße sein - nicht die Zahl derer, die davon überhaupt mal befallen waren.
Da kritisiert ein Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums die Maßnahmen der Bundesregierung als übertrieben und wird blitzschnell suspendiert. Da er diese persönliche Meinung auf einem dienstlichen Briefbogen niederschrieb, geht die Suspendierung wohl in Ordnung, dennoch bleibt ein Geschmäckle zurück.
Wie bei der Flüchtlingskrise vor 5 Jahren werden kritische Stimmen von Regierung und Opposition sowie den Qualitätsmedien in seltener Einmütigkeit heftig bekämpft. Da werden bei den momentan stattfindenden "Samstags Demos" gegen die Corona Beschränkungen stinknormale Leute mit Reichsbürgern und Rechtsradikalen in einen Topf geworfen. "Linke" gehören für Spiegel und Co ja eh schon als Putin-Versteher zur Querfront.
All die Einschränkungen der Grundrechte wurden nicht durch das Parlament abgesegnet. Das hatte sich durch die Änderung des Infektionsschutzgesetzes selbst entmachtet. Jetzt kann der Bundesgesundheitsminister bzw. die Regierung unsere Grundrechte einschränken, ohne dem Parlament auch nur zeitnah Rechenschaft ablegen zu müssen. Wenigstens das aber gehört für mich zu einer Demokratie.

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