Sonntag, 23. Februar 2020

Hartmudo: Mutter


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Ich hätte vielleicht misstrauischer sein sollen, so im Nachhinein betrachtet. Dass dieses Telefonat am Mittwoch so entspannt ablief, nach all unserem Streit, kann man einem Außenstehenden gar nicht vermitteln. Doch ich war dermaßen heilfroh, dass Sunny und ich uns nicht gegenseitig durchbeleidigt hatten, dass ich einfach keinen Argwohn hegte. Ich bin halt harmoniesüchtig, das hat sicherlich Nachteile.
Berta verfügte über Mutters Kontovollmacht über den Tod hinaus; ausführlich hatte ich Sunny geschildert, warum Mutter dies so geregelt hatte. Und Sunny begriff dies nach meinem Dafürhalten auch der Sache nach, denn sonst hätte sie garantiert noch längere Zeit lamentiert, obwohl das ja Quatsch gewesen wäre.
Schließlich fragte Sunny nach einer Teilauszahlung der 10.000 €, die vom aufgelösten Konto des Bankhauses Löbbecke wohl schon überwiesen sein sollte. Dem musste ich widersprechen, denn es waren ja noch Rechnungen zu bezahlen. Zwei Steuererklärungen, der Steuerberater... Dann waren da noch Heimkosten offen, im Zusammenhang mit der Wohnung konnten auch noch Kosten entstehen.
Dies sah Sunny zwar ein, wollte aber dennoch eine Teilauszahlung. Ich sollte hier noch erwähnen, dass Sunny anfangs des Gesprächs das Konto ganz auflösen wollte. Aus den im vorherigen Absatz genannten Gründen ging das natürlich nicht, das habe ich ihr wenigstens noch verständlich machen können.
Im Übrigen hätte mich allein die Tatsache, dass sie Frau Peters bereits namentlich kannte, darauf aufmerksam machen sollen, dass Sunny sich bereits vor ihrem Anruf bei mir bei der Bank erkundigt haben musste. Sie wollte mich lediglich aushorchen, weil sie sich hintergangen fühlte. Schon seit Monaten hatte sie ja bereits diese Gedanken geäußert; wahrer wurde dies jedoch auch diesmal nicht.
Zum Abschluss versicherte ich Sunny noch einmal ausdrücklich, dass ich Berta bitten werde, einen Kontoauszug zu holen und ihr zukommen zu lassen. Normalerweise sollte dies unter Geschwistern eigentlich nicht nötig sein, auch nicht unter Freunden. Ein solches Misstrauen ist eigentlich nur zwischen wildfremden Menschen oder Händlern angezeigt. Aber sei es drum; aufgrund der ganzen Streitereien konnte ich ihre Bedenken und Ängste nachvollziehen. Im Job muss ich auch jeden Tag Bedenken wie Vorurteile ausblenden und eine objektive wie faire Sicht walten lassen.
Donnerstag, 5. Januar 2017. Gleich am frühen Vormittag rief ich Berta an, um ihr von dem Telefonat mit Sunny zu berichten. Am Vorabend hatte ich es wohl nicht mehr versucht - außerdem ist Berta zu dieser Zeit normalerweise beim Yoga. Als ich ihr von Sunnys Preisvorstellungen berichtete, war Berta unverzüglich genervt. Sie sah das ebenso wie ich: 135.000 € sind einfach zu viel, zu dem Preis würden wir die Wohnung noch lange nicht verkaufen können und hätten auch noch die laufenden Kosten an der Backe.
Darüber hinaus war es ja Berta, die die ganzen Zahlungen abwickelte und sich um den Schriftverkehr bezüglich der Wohnung kümmerte; sie war der Ansprechpartner für die Hausverwaltung. Sunny war da fein raus. Die fabulierte nur rum, und dass allein durch imaginäre Preise, die ihr von Dörtes Freundin zugeflüstert worden waren. Bertas Frust konnte ich da vollkommen verstehen.
Kontoauszüge hatte Berta allerdings noch nicht geholt. Sie begründete dies ja stets mit den zusätzlichen Kosten. Ich selbst brauchte keinen aktuellen Kontoauszug, da ich Berta als meiner Sestra vertraute und auch heute noch traue. Das Sunny dagegen unbedingt einen aktuellen Kontoauszug sehen wollte, konnte ich aber auch nachvollziehen, denn wir hatten uns genug gefetzt in den Monaten vorher und da war mir Sunnys Paranoia, so unbegründet sie auch gewesen sein mag, erklärlich.
Berta sah dies endlich ebenfalls ein und wollte noch am selben Tag in den Heidberg fahren, um einen Kontoauszug drucken zu lassen. Den wollte sie mir per Mail schicken, auf das ich diesen an Sunny bzw. Reiner weiterschicken würde. Abgesehen davon fragte ich mich allerdings schon, warum Berta einen Kontoauszug noch nicht geholt hatte.
Sunny witterte deshalb eine Hinterlist - ich nicht. Berta hatte es mir zwar bereits mehrfach verklickert, dass sie es nicht einsah, dauernd zu springen, bloß weil Sunny etwas wollte und dabei selbst nie aus dem Ei kam. Der Zeitaufwand, die Aufregung bei Gesprächen mit Frau Peters wegen unberechtigter Kosten für Auszüge kam noch dazu. Das alles leuchtete mir ein. Und dennoch... Berta wusste auch, dass Löbbecke das Geld vom Konto nunmehr überwiesen haben musste.
Ich denke, dass es lediglich an der von unserem Vater vererbten Trägheit lag, dass Berta bis dahin noch keinen Kontoauszug von der Nord/LB geholt hatte. Diese Bequemlichkeit ist uns allen drei zu eigen, obwohl Sunny hiervon noch am wenigsten betroffen ist. Aber dies nur am Rande, ich hielt das Ganze eh nicht für so wesentlich, als dass wir dies am Telefon ausdiskutieren mussten.
Ansonsten war Berta richtiggehend überrascht, weil Sunny die ganze Zeit so freundlich und sanft gewesen war. Sie argwöhnte, wohl nicht zu Unrecht, dass Sunny mit ihr nicht so gut gelaunt und nett gesprochen hätte. Hier fielen Berta wieder einige Erinnerungen aus ihrer gemeinsamen Kindheit ein. Zu der Zeit (50er Jahre) war ich noch nicht auf der Welt gewesen und konnte deshalb nichts weiter dazu sagen. Betrifft mich selbstverständlich auch nicht, also murmelte ich dazu immer nur ein „hmh" als Kommentar.
Nach diesem Gespräch legte ich gut gelaunt auf und vergaß umgehend die Angelegenheit mit den Kontoauszügen. Der Job erforderte meine ganze Aufmerksamkeit. Donnerstag Nachmittag ist bei mir immer am meisten los, da sinniere ich nicht über andere Dinge.

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