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Udo war ja eigentlich der harmlosere von den Beiden. Das dieser vollbärtige, doch eher sanfte Löwe in den Knast gehen musste, will mir auch heute noch nicht recht einleuchten. Der durchtriebene Harry, sein bester Kumpel, hätte eigentlich dorthin gehört. Aber so läuft es halt manchmal.
Harry kannte auf der Bruchstraße die meisten der dort tätigen Mädchen. Es erstaunte mich daher nicht, als Angie von ihrem Besuch in der Bruchstraße erzählte. Als Frau kannst Du dort normalerweise gar nicht reingehen; mit Harry an ihrer Seite ging das natürlich. Sie waren wohl auf dem Weg in die Bratröhre und Angie war anscheinend auch wieder mal so richtig breit. Nur so ist es zu erklären, das sie zu einem Fenster hinging und sich über die schlaffen Brüste des Mädchens lustig machte. Jede(r) Andere wäre da nicht mehr verletzungsfrei raus gekommen, nicht so Angie. Dank Harry sicherlich.
Harry selbst hatte aber wohl trotz guter Kontakte ins Milieu nicht sehr viel Moos an den Füßen. Eines Tages bat er mich, ihn nach Hannover zum Bahnhof zu fahren, weil er sich dort mit einem Mädel treffen wollte. Ich willigte ein, schließlich zahlte er das Benzingeld und auch für mich blieb wohl noch etwas kleben.
Während der ganzen Fahrt nach Hannover unterhielten wir uns angeregt; ich kann sagen, die Fahrt hatte wirklich Spaß gemacht. Warum wir eigentlich da hin fuhren, erzählte er nicht und ich fragte auch nicht nach. Es handelte sich wohl aber um ein Mädel, welches von Harry Unterstützung in irgendeiner Form benötigte.
Auf dem Bahnsteig dann sagte er mir kurz, als der Zug einfuhr: „Warte hier mal kurz, ich suche sie.“ Kurze Zeit später kam er wieder und sagte mir, das das Mädchen nicht im Zug gewesen sei und wir zurückfahren könnten. Irgendwann später auf der Rückfahrt jedoch räumte er ein, das Mädchen getroffen zu haben und ihr etwas „Brown Sugar“ gegeben zu haben. Sie war wohl nur zum Umsteigen in Hannover und er wollte mich nicht in Verlegenheit bringen. Sagte er.
Ein typischer Harry. Einerseits kam er immer kumpelhaft rüber und verbreitete gute Laune, andererseits war er auch verschlagen hoch Zehn. Das sind ja nicht unbedingt Typen, auf die ich mich verlassen möchte, wenn es mal drauf ankommt. Dies wird sehr deutlich bei der nächsten Story, die mir zu Harry einfällt.
Ich sah ihn Jahre später überraschend wieder. Diesmal zu einer Zeit Ende der 80er, als Angie und ich nicht mehr zusammen wohnten. Mehr dazu aber an anderer Stelle. Jedenfalls besuchte ich zu der Zeit Angie noch häufiger, zumal sie in der Nähe wohnte und wir uns nach wie vor gut verstanden.
Nichtsahnend klingelte ich an Angies Tür und stand vor einer Szenerie, die man sich nicht ausdenken kann. So etwas gibt es tatsächlich nur im realen Leben, obwohl es absolut filmreif war.
Auf mein Klingeln öffnete ein hübsches Punkgirl die Tür. Kurze schwarze Haare mit einem Ring durch einen Nasenflügel und überhaupt: Die schönste Frau, die ich in meinem Leben gesehen hatte. Und das schließt den heutigen Tag mit ein, glaubt es mir, Männer.
Und wie sie mich anlächelte… Ich war sofort hin und weg und wäre sofort in den Jagdmodus gewechselt, wenn nicht der Rest der Szenerie meine Aufmerksamkeit benötigt hätte. Zum Beispiel lag Harry auf einer Matratze am Boden von Angies Wohnzimmer.
Harry war vollkommen bewegungslos, wie tot lag er da. Das er sich total zugedröhnt hatte, war nicht zu übersehen. Und ich hatte immer gedacht, zumal Angie dies auch immer wieder versicherte, das er mit dem „Brown Sugar“ nichts mehr zu tun hätte. Dies „hätte er hinter sich“ sagte Angie immer.
So kann man sich täuschen. Angie selbst stand daneben und telefonierte aufgeregt mit irgendeiner Person. Ich hörte eine weibliche Stimme laut kreischend aus dem Hörer, als Angie lapidar sagte: „Warte, ich geb Dir mal Udo.“
Und schon hatte ich den Hörer in der Hand und sprach mit Harry`s Frau, die ich noch nie in meinem Leben gesehen, geschweige denn gesprochen hatte. Oder besser gesagt: Sie sprach mit mir.
Es lief darauf hinaus, das sie felsenfest der Überzeugung anhing, das wir bei Angelika ein Gangbang veranstalten würden. Ich beteuerte mehrfach, das dies nicht der Fall wäre, aber da stieß ich bei Ihr auf taube Ohren. Im Gegenteil, das blöde Weibsbild wurde immer hysterischer und verrannte sich in den Wahn, dass Harry sie betrügen würde.
Da stand ich also inmitten dieser Szenerie – Harry platt auf dem Boden, Angie mit glasigen Augen ein Bier festhaltend und dann noch diese bildhübsche Frau, bei deren Anblick ich schon ein Jucken zwischen den beiden großen Zehen verspürte. Ich konnte Harry`s Frau doch nicht erzählen, dass er von einem Schuss total high war, soviel hatte ich im Vorfeld mitbekommen.
Harry war halt nicht da, behauptete ich steif (dieses Jucken…) und fest (oh ja, Baby!). Zum Glück konnte ich sie abwimmeln und griff mir erst mal ein Bier. Jetzt endlich war die Gelegenheit, das Punkgirl näher kennenzulernen. Etwas Quasselkraut in die große Zigarette gedreht und schon laberte ich los, sie lächelte zurück…
Jedoch erzählte mir Angie in einer stillen Minute, das dieses Mädel mit Harry angekommen war (ja und?) und als Prostituierte arbeitete (ist doch nicht schlimm…), um ihren Heroinkonsum finanzieren zu können (jaaa…., mmmh….).
HIV – positiv war sie wohl auch noch (Autsch!).
Ich blieb diesen Nachmittag nicht sehr lange da, meine Erregung war verständlicherweise schnell abgekühlt. Harry wachte natürlich auch nicht auf, so breit wie er war. Danach sah ich ihn nie mehr wieder.
Irgendwann später verstarb er wohl an einer Überdosis, so hatte es mir Angie wohl erzählt. Das Kapitel war somit abgeschlossen, Udo blieb wohl in Italien kleben, von dem habe ich auch keine News mehr erhalten.
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