Schon seit Monaten fieberte ich diesem
Konzert entgegen. Quo in der Urbesetzung – sprich Rossi, Parfitt,
Lancaster und Coghlan wieder zusammen auf der Bühne – nach über
35 Jahren (!). Die wahrscheinlich letzte Gelegenheit, die „Frantic
Four“ live zu erleben.
Pocke hatte die Karten besorgt, meine
Zusage kam ohne Nachzudenken. 18. März in der O2 Arena in Berlin,
62,- € Stehplatz Innenraum. Ohne meine Löwin – leider – ist
aber auch früher schon nichts für Mädchen gewesen. Quo meine ich.
Nach der Arbeit stieg ich bei Pocke am
frühen Nachmittag zu und ab auf die Bahn Richtung Berlin. Keine
Pause jetzt, noch nicht mal für nen Boxenstopp. Das bedeutet nichts
zu Essen oder zu Trinken, war zugegebenermaßen auch besser so, denn
unsere Euphorie war auch so schon hoch und das Konzert wollten wir
wirklich noch erleben.
Da saßen wir dann kurz vor 18.00 Uhr
bei Urmel und Ilka bei Graubrot mit Wurst und Käse. Die ersten
Halben wurden eingeatmet. So und nicht anders – schließlich war
Quo diesen Abend angesagt. 1975 gab es bei uns zu Hause abends auch
immer Brot; Döner oder CurryPommes aus`m Imbiss gehen vor jedem
anderen Konzert, aber nicht bei Quo.
Ich hatte zur Feier des Tages
Leinenturnschuhe angezogen. Die gehen nicht nur bei den Ramones (möge
der Fährmann ihren Seelen gnädig sein), sondern erst recht bei Quo.
Dunkelblaue Jeanshose und ein dunkelblaues Jeanshemd hatte ich
zuhause extra raussuchen müssen. Leider nur Hemd statt Jacke, aber
eine Jeansjacke besitze ich nicht mehr.
Und selbstverständlich habe ich nicht
„Quo“ mit Kuli oder bunten Filzstiften auf den Rücken des Hemdes
gemalt, das wäre dann doch etwas zuviel des Guten gewesen. Die
obligatorische Haarbürste fehlte deshalb auch, da ich mein Haar eher
kurz zu tragen pflege.
Noch als wir bei Urmel in der Küche
saßen, gerieten wir ins Schwärmen. Urmel hatte seinerzeit mit einem
Kumpel zu „In my chair“ die ersten Gehversuche auf der Gitarre
unternommen. Pocke`s erste LP war von Quo. Ilka hatte keine
Kindheitserinnerungen dran; Ich auch nicht, aber „Roll over lay
down“, „Down down“ oder auch „Caroline“ zählten schon zu
Beginn meiner „musikalischen Erweckung“ zu den wichtigen Songs.
Sicherlich – „Rockin` all over the
world“ war eine meiner ersten LPs und sie ist auch gut. Aber schon
ohne Lancaster und Coghlan und mit Synthie und überhaupt ….
Über Quo wurde schon immer viel
gelästert. Einfallslos, Boogie-Geschrammel , A und B Hörnchen waren
nur einige Verunglimpfungen, die der Band über die Jahre angelastet
wurde. Das mag von einem gewissen Standpunkt aus betrachtet sogar
stimmen.
Doch dieser gewisse Standpunkt ist nur
etwas für Leute, die in den 70ern nie 15 Jahre alt waren und Bock
auf Action hatten. Genesis oder Yes war etwas für die häßlichen
Hippiefrauen oder die Zahnarztsöhne in unserer Klasse. Schnell und
direkt, ruhig auch monoton zum frühen Headbanging mußte es sein.
Pur und unpaniert halt, keine zukleisternden Synthies wie bei Pink
Floyd oder anspruchvolles Songwriting wie Herr Springsteen.
So standen wir dann in der leider nur
zu gut Zweidrittel gefüllten O2 Arena am Ostbahnhof und fieberten
Quo entgegen. Die ersten Halben hatten wir schon in Ilkas Küche
sowie, im Auto sitzend, im Parkhaus genossen. Letzteres übrigens
auch eine Reminiszenz an längst vergangene Zeiten, genau wie meine
Abwasserentsorgung im Parkhaus.
In der dunklen Halle hielten wir unsere
Plastikbecher mit dem Bier umklammert. Maffay Gitarrist Carl Carlton
eröffnete mit seiner Band den Abend mit nachgespielten Stücken aus
der Woodstock Zeit. Gar nicht mal soo schlimm, aber „Pictures of
Matchstick Men“ mußte nicht sein. Diesen allerersten Hit von Quo
aus dem Jahre 1968 kann man nicht einfach so wie ein Stück von
Jefferson Airplane runterknetern. Egal, noch`n Bier.
Ungefragt brachte Pocke mir ein kleines
0,4 mit, während er und Urmel in der Literklasse angriffen.
Vielleicht war es aber auch Urmel und vielleicht spielte Quo da auch
schon, da ist meine Erinnerung nicht mehr ganz präzise. Aber nen
Liter wäre mir eh zuviel gewesen, insofern hatten die Jungs das
korrekt erkannt.
Trotz der andauernden Druckbetankung
hielt uns die Vorfreude aufrecht, wir fieberten dem Konzert entgegen.
Und dann ging es endlich los. In einiger Entfernung zwar, aber dafür
mit genügend Seitenabstand zur Nachschubversorgung und Entsorgung.
Nach den ersten zwei, drei Akkorden
waren wir wieder wie aufgezogen nach dem Konfirmantenunterricht,
bereit für Action und voller überschüssiger Energie, so dass der
Kopf zum Rhythmus mitwippen muß. Ersatzweise ein Fuß. Denn eins muß
man den älteren Herren lassen: Trotz 35 Jahre Trennung stand der
Sound wie ne Wand.
Heute habe ich in der Kritik einer
Berliner Zeitung gelesen, der Sound sei bis zu „Down Dowen“
holprig gewesen. Kritiker. Als Quo ihre beste Zeit hatten – ihre
beste, nicht ihre kommerziell erfolgreichste wohlgemerkt – war der
Kritiker wohl noch nicht geboren. Auf keinen Fall hatte er wie wir 3
– 4 Liter Schultheiß intus. Wie will so Jemand dann Quo
beurteilen?
Ilka, die sich nun wirklich eisern an
der Cola festhielt und ein paar Mal lächeln mußte ob der ganzen
Typen, die gerade ihre verloren gegangene Jugend wiederentdeckten,
hatte auch ohne Stoff den richtigen Drive. Weil sie auch cool genug
drauf ist, um gute Musik zu erkennen, wenn sie sie hört.
Viel zu schnell verflog die Zeit. Dann
waren auch die Zugaben durch und wir fuhren zu Ilka und Urmel zurück.
Der Abend dauerte dann auch nicht mehr lange, aber wir waren`s
zufrieden.
Dank der heutigen Tontechnik fand ich
Quo sogar noch stärker als auf der 77er Live. Was wiederum
verwundert, weil …. Schau Dir nur Fotos oder das Video an.
Ich bleibe auch trotz des mitleidigen
Lächelns, das ich häufig in meiner näheren Umgebung ernte, dabei:
Quo, bzw. die Frantic Four, waren Anfang/Mitte der 70er Jahre „die“
Band aus England, die den Rock `n` Roll am Leben erhielt und somit
Feelgood oder auch Motörhead überhaupt erst ermöglichten. Die
Beschränkung auf das Wesentliche – den Boogie Rhythmus – hatten
sie perfektioniert und waren irgendwie auch Vorläufer des Punk, aber
was nützt es, das hier zu schreiben.
Sie sind jahrzehntelang zu Unrecht
belächelt worden. Punkt.
Anhören, Bier her und mitgrooven. Los,
mach !
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