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Halb Zwölf am Vormittag am Ausgang der U Bahnstation des Atomiums. Nicht nur wegen der von einer Vielzahl von Menschen wimmelnden Umgebung, Fahrkarte in der einen und Brieftasche in der anderen Hand, war mir leicht schwindelig. Ich hatte aufgrund des Intervallfastens noch nichts gegessen und konnte jetzt langsam etwas Schmackofatz vertragen.
Nachdem ich alles verstaut hatte und wir uns in den Zug der vielen Besucher des Atomiums einreihen durften, ging es mir schon wesentlich besser. Sonnig und warm war es mittlerweile geworden; mit der Regenjacke fühlte ich mich absolut overdressed.
Schon aus der Entfernung fotografierte ich die imposanten Kugeln des Atomiums beim Gang über den Parkplatz dieser Sehenswürdigkeit. Hierbei fiel uns auf, dass dieser Parkplatz nicht nur größtenteils leer, sondern auch noch kostenlos gewesen war.
Wenn wir das gewusst hätten, wären wir von vorn herein mit dem Auto zum Atomium gefahren. Wir hätten dann nicht nur Geld gespart, sondern wären auch mindestens eine Stunde eher beim Atomium gewesen, anstatt die Stille des Bahnhofs von Ruisbroek genießen zu müssen. Die spinnen, die Belgier.
Gleich nach dem Parkplatz befanden wir uns auf der Allee, welche zum Atomium führt. Linker Hand befindet sich das Kunstmuseum, rechter Hand ragt das Atomium mit seinen glänzenden metallischen Kugeln in den Himmel empor. Wie ein Alien Raumschiff steht dieses Bauwerk in der Landschaft und ragt quasi aus einem Wald heraus.
Mein Hungergefühl war mittlerweile schon stark ausgeprägt, da traf es sich ganz gut, dass ich in den Pavillons am Fuß des Atomiums ein Cafe entdeckt hatte. Ein Kaffee wäre auch nicht schlecht gewesen, aber die Preise für ein Sandwich (7,50 €) oder einen Cafe Latte (6,- €) waren zu meinem Verdruss stark gesalzen gewesen.
Meiner Löwin war dies selbstverständlich ebenfalls aufgefallen. Und da wir jetzt schon einmal da waren und meine Löwin den Voucher von TripAdvisor in richtige Eintrittskarten umgewandelt hatte, machte sie den Vorschlag, zunächst einmal ins Atomium zu gehen und uns das Ganze erst einmal anzuschauen. Essen würden wir hinterher.
Da erklärte ich mich sofort mit einverstanden und reihte mich mit meiner Löwin in die ewig lange Schlange innerhalb der Konstruktion vor der ersten Rolltreppe ein, welche gleich nach dem Kontroletti auftauchte. Dass das Atomium derart stark frequentiert wurde, war von draußen nicht erkennbar gewesen. Eng gedrängt stiegen wir nun ein in das große Abenteuer, welches sich über mehrere Stockwerke erstreckt.
Das Atomium ist das Wahrzeichen der Expo 1958 in Brüssel gewesen und sollte diese ursprünglich nicht überdauern. Doch das Bauwerk wurde von 2004 bis 2006 mit großem Aufwand instandgesetzt und ist heute mit mehr als 600.000 Besuchern im Jahr die herausragende Attraktion der europäischen Hauptstadt. Aufgewertet wird das Atomium dank der zahlreichen Kunst- und Kulturausstellungen, welche in diesem Museum neben der lesenswerten Geschichte des Atomiums zur Geltung kommen.
Das Atomium erreicht eine Höhe von 102 Metern und besteht aus 9 stählernen Hohlkugeln, jeweils mit einem Durchmesser von 18 Metern. Die Kugeln sind mittels Röhren (3,3 Meter Durchmesser) verbunden, in denen sich Treppen bzw. Rolltreppen befinden.
Von außen betrachtet, stellt das Atomium eine 165-milliardenfache Vergrößerung einer kristallinen Elementarzelle des Eisens dar und steht auf einer Ecke der regelmäßigen wie würfelmäßigen Form dieser Zellen. Diese sehr mathematische Beschreibung ist mir trotz Erklärung in Wikipedia nicht verständlich, von daher lass ich das mal so stehen.
Ich möchte aber noch anmerken, dass sich während der laufenden Expo im Jahr 1958 ein Nuklearreaktor unter dem Atomium befand, der erst 2015 abgeschaltet wurde. Die Brennelemente wurden zurück in die USA überführt.
Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie technikgläubig die Menschen Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts gewesen waren. Da galt Atomenergie noch als Versprechen für eine unbegrenzt verfügbare und vor allem saubere Energiequelle; Wohlstand und ein schöneres Leben für alle Menschen war der große Traum gewesen.
Heute hat sich die Ansicht über Atomkraft ins Gegenteil verkehrt, als neue "Heilsbringer" gelten u.a. Sonnenenergie und Windkraft. Die so genannten regenerativen Energien werden nun als alternativlos angepriesen. Ob die Wissenschaft das in 20 - 30 Jahren immer noch so beurteilt oder andere Energiequellen als unabdingbar für die weitere Zukunft ansieht, wollen wir mal abwarten, bzw. Ihr - ich werde dann wohl nicht mehr auf diesem Planeten lustwandeln.
Nach der ersten Rolltreppe befanden wir uns auf der nächsthöheren Ebene in der ersten Kugel mit den Schautafeln, wo wir Fotos von den damaligen Bauarbeiten sowie Erklärungen zum Bauwerk nebst Biographien der Architekten bewundern durften. Hier - wie auch in den anderen Kugeln - waren die Erläuterungen in 3 Sprachen verfügbar: Französisch, Flämisch und - für alle - Englisch. Kein Deutsch, aber das war verschmerzbar.
Dies alles wurde uns mittels verschiedener Schautafeln auf den einzelnen Ebenen näher gebracht, doch der eigentliche Clou erwartete uns quasi in der vorletzten, gleichzeitig aber auch der höchsten Kugel: Die Rolltreppe dorthin glänzte bereits mit stroboskopartigen Lichteffekten - und das nicht zu knapp! Sinn der Sache wahr es wohl, dem geneigten Besucher die Orientierung abhanden kommen zu lassen. Bei mir hatte das gewirkt.
Und dann waren wir doch tatsächlich in der Kugel voller Lichtinstallationen angekommen. Die zahlreichen Leuchtstoffröhren in der Mitte der Kugel glänzten mit wechselnden Farben und kurzfrequenzigen Blitzeffekten. Da fühlte ich mich doch glatt in die Kulisse von "Blade Runner" versetzt.
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