Freitag, 27. Juni 2025

Uncle Fester: grad gelesen Juni 2025

Edward Ashton - Mickey 7
Sein Erstlingswerk war von Edward Ashton noch nicht einmal zu Ende geschrieben worden, als er die Filmrechte schon verkauft hatte. Und nachdem dieser dann mit mehrjähriger Verzögerung im Februar in die deutschen Kinos kam, wollte ich seine Bücher wenigstens noch vor Ansicht des Films gelesen haben.
Filmreif startet der Roman mit dem hilflos in einer Eishöhle liegenden Mickey 7, der auf dem Eisplaneten Niflheim bei einer Erkundung durch die Eisdecke gebrochen war. Sein Kumpel Berto kreist zwar über der Einbruchsstelle, weigert sich aber, Mickey aus seiner misslichen Lage zu retten.
Denn der Tod von Mickey ist für die Kolonisten auf Niflheim weniger schlimm als der mögliche Verlust von Ressourcen wie z.B. dem Gleiter. Außerdem ist es Mickeys Job, zu sterben. Er ist der Expendable der Expedition. Wenn er stirbt, kommt einfach ein neuer Mickey-Klon aus dem Drucker und übernimmt - mit dem jeweils letzten Upload von Mickeys Gehirn.
Brennstäbe in der Reaktorkammer wechseln, um eine Kernschmelze zu verhindern? Ein Auftrag für Mickey, denn der menschliche Körper hält länger durch als eine Drohne. Ist die Atmosphäre auf Niflheim für Menschen giftig? Ja - und Mickey testet diese so lange, bis ein Gegenmittel gefunden worden ist und er eben nicht mehr abkratzt.
Dies und andere Szenen aus der Vergangenheit von Mickey erfahren wir so nach und nach in Rückblenden, welche in den ersten Kapiteln immer mal wieder eingestreut werden. Mickey 7 - der 7. Klon halt - wird von einem Creeper, einer einheimischen Lebensform in Gestalt eines riesigen Tausendfüßlers, gerettet und aus der Höhle in die Nähe des Dome, der Heimstatt der frisch eingetroffenen menschlichen Kolonisten, verbracht.
Wie der Leser gleichzeitig ahnt, hatte Berto Mickey 7 bereits als tot gemeldet. Mickey 8 war inzwischen bereits ausgedruckt worden, wodurch sich für Mickey 7 - und auch 8 - eine unschöne Situation ergibt: Zwei Mickeys zur gleichen Zeit sind verboten; die „Multiplen“ sind geächtet. Daher müssen 7 und 8, nachdem sie sich erst mal kurz beschnuppert hatten, die Existenz ihres Doppelgängers geheim halten. Wer erinnert sich da nicht an „Drillinge an Bord“ mit dem ewigen Heinz Erhardt.
Während des achtjährigen Fluges von Midgard (die Erde als Heimatplanet ist hier Geschichte) nach Niflheim verliebt sich Mickey in die Pilotin Nasha. Die ist immer dabei, wenn einer der Mickey Klone verstirbt - zumeist qualvoll. Und nun hat sie es gleich mit 2 Mickeys zu tun; Als die in Mickey verschossene Security-Frau Cat in Mickeys Kabine stürmt, sieht sie Nasha mit zwei Mickeys im Bett. Erwischt - Nasha hat offensichtlich nichts gegen Multiple einzuwenden.
Marshall, der Chef der Kolonie, hatte Mickey schon lange auf den Kieker und will jetzt beide Mickeys in den Cycler (Verwerter für Biomüll incl. Leichen) stecken. Doch leider wird der Dome aktuell von den Creepern bedroht. Marshall plant, das Nest der Creeper mithilfe zweier Bomben voll Antimaterie durch die Mickeys zu zerstören.
Und während Mickey 8 in den Tunneln von den Creepern getötet wird, stellt Mickey 7 mit einem Vertreter der Creeper namens Sprecher einen Kontakt her. Allerspätestens hier erkennt Mickey, dass die Creeper nicht die wilden Tiere sind, für die Marshall sie hält. Keine der beiden Bomben wird somit gezündet; ein Genozid wurde abgewendet.
Mickey gibt Marshall aber nur seine Bombe zurück; die Bombe von 8 versteckt er im Gelände. Ende des ersten Teils, der nach starkem Beginn gegen Ende etwas lustlos daherstolpert, aber immer noch um Längen besser ist als der Film. Dieser stieß mir unangenehm auf, weil Mark Ruffalo hier einen auf Trump macht, was zwar bei den Filmkritikern des „Deep State“ gut ankommt, der Figur des Koloniechefs aber in keinster Weise gerecht wird.
So ist die im Roman gezeigte Gesellschaft sicherlich ein Spiegelbild unserer Zeit. Für den arbeitslosen Historiker Mickey Barnes hat die Wirtschaft auf Midgard keine Verwendung. Nur als Expendable hat er eine Chance, dem Kredithai auf Midgard zu entfliehen, denn diesen Job will keiner machen. Sich töten zu lassen, weil ein Menschenleben billiger als eine Maschine ist. In unserer Welt sind es z.B. die ganzen billigen Datenarbeiter in der dritten Welt, welche die künstlichen Intelligenzen mit Daten füttern.
Der zweite Band ist lediglich ein Nachzügler und hat keine neuen philosophischen Betrachtungen zu bieten. Er spielt zwei Jahre später; auf dem Planeten ist inzwischen der Frühling ausgebrochen und die Antimaterie der zweiten Bombe wird dringend als Energiereserve für den kommenden Winter benötigt, wenn die Menschen überleben wollen.
Doch leider ist die Bombe weg; ein anderes Nest der Creeper hat sie sich geschnappt. Zusammen mit Berto, Nasha, Cat und natürlich dem Sprecher macht sich Mickey 7 auf den Weg nach Süden zum verfeindeten Nest der anderen Creeper.
Mickey 7 soll die Bombe tatsächlich ausgehändigt bekommen, muss aber versprechen, das Nest von Sprecher zu verraten und den geplanten Angriff auf das Creepernest beim Dome militärisch zu unterstützen. Marshall kann er auch von dem Verrat an den „Nachbarn“ überzeugen, bloß um mitten im Angriff erneut die Seiten zu wechseln.
Denn er hatte es Sprecher versprochen; hier wird das wesentliche Element einer „regelbasierten Ordnung“ umgesetzt: Versprechen wie der Verzicht auf eine Osterweiterung der NATO oder eine Umsetzung des Minsker Abkommens zur Befriedigung des Donbass werden gehalten. Schade, das dies in der realen Welt nicht realisiert wurde.
Mickey 7 will sich am Ende opfern und die Antimateriebombe dem Reaktor wieder zuführen. Die Strahlung hätte ihn getötet… doch es kommt nicht dazu. Anstatt seiner opfert sich Marshall, der Verantwortung für die Kolonie selbst übernimmt.
Ein großes Ende eines aus 2 Bänden bestehenden Romans. Hier fehlen zwar die geheimnisvollen Mysterien aus den üblichen Space Operas, aber die immer wieder durchscheinenden Parallelen mit unserer Gegenwart ließen Mickey 7 auch im „anspruchsvollen“ Feuilleton ankommen.
Den Film dagegen kann ich nur bedingt empfehlen.

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