Freitag, 28. Juni 2024

Hartmudo: Superwumms

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Kaum hatten wir es uns in ihrem Büro bequem gemacht, eröffnete die Sozialarbeiterin unser Gespräch mit einem Paukenschlag. Denn dies war ihr letzter Arbeitstag für die Stadt Salzgitter, sie hatte wohl eine bessere Stelle gefunden.
Dessen ungeachtet hörte sie sich meine Leidensgeschichte an und vermutete augenblicklich eine Depression als Erkrankung bei mir. Dies war mir nicht neu und ich hatte mich zwischenzeitlich ja auch schon damit abgefunden, aber die Sozialarbeiterin konnte mich als erste hiervon wirklich überzeugen.
Ein Psychologe und eine Psychotherapie wären für mich erforderlich. Bei der Vermittlung konnte sie mir allerdings nicht helfen; nein, das lag nicht an dem Umstand ihres letzten Arbeitstages. Eine Unterstützung durch ihren Arbeitsplatz bedeutete lediglich, dass die Bedingungen an meinem Arbeitsplatz an mein Krankheitsbild angepasst werden könnten.
Und selbst das hatte sich mit diesem Tage erledigt, da es wohl auf absehbare Zeit keine Nachfolgerin für die Sozialarbeiterin geben würde. Und damit war mal wieder ein vor kurzem aufgetauchter Hoffnungsschimmer für mich erloschen.
Da sie genau wie ich der Ansicht war, dass es mit einer Veränderung an meinem Arbeitsplatz nicht getan sei, empfahl sie mir einen Kontakt mit der Psychotherapie Ambulanz der Technischen Universität Braunschweig. Da konnte sie sogar mit einer Telefonnummer dienen, was letztendlich das einzige Ergebnis dieses Gesprächs gewesen war.
Die äußerst nette Sozialarbeiterin fuhr mich noch zum Bahnhof, dann fuhr sie weiter und ließ die Stadt Salzgitter hinter sich, um sich neuen Aufgaben zu widmen.
Ein Hoffnungsschimmer erloschen, ein neuer Hoffnungsschimmer als Telefonnummer in meiner Hand. Alles in allem hatte mich dieses Gespräch aufbauen können, so dass ich hinterher entspannt zu Hause ankam.
Am nächsten Tag rief ich gleich bei der Psychotherapie Ambulanz an und erreichte dort tatsächlich jemanden. Leider gab es auch hier eine lange Warteliste, auf die ich mich natürlich trotzdem setzen ließ. Die Mitarbeiterin am Telefon sprach von bis zu einem halben Jahr Wartezeit für einen Termin. Erschwerend kam dazu, dass ich als Beamter nur von einem zugelassenen Psychotherapeuten behandelt werden durfte.
In der Psychotherapie Ambulanz werden vordringlich Termine bei noch nicht zugelassenen Psychotherapeuten, sprich Psychologiestudenten, vermittelt. Dies natürlich nur für gesetzlich Krankenversicherte, also nicht für Privatversicherte bzw Beamte.
Selbst dieser herbe Rückschlag konnte mich nicht weiter nach hinten reißen. Denn dank der langen Spaziergänge konnte ich frei durchatmen und erlebte einen starken positiven Gegenpol zu meinen abendlichen bzw nächtlichen Angstattacken. Zwar spazierte ich überwiegend alleine, wobei ich da meinen Gedanken ungestört nachhängen konnte, aber ich hatte ja auch häufig Begleitung.
Von den sehr schönen Spaziergängen mit Charles hatte ich ja bereits gesprochen. Jetzt möchte ich über die Spaziergänge mit Pocke reden. Das waren zwar nur zwei, aber dafür gestalteten sich diese sehr unterhaltsam.
Das könnte natürlich auch daran liegen, dass wir uns in all den Jahren ansonsten überwiegend beim Saufen und Mukke hören getroffen hatten. Gern denke ich in diesem Zusammenhang vierzig Jahre zurück, als wir unsere WG in der Nussbergstraße eröffnet hatten. Als Teaser möchte ich hier schnell mal einen damals typischen Samstag beschreiben; mehr aus jener Zeit möchte ich in einen anderen Rahmen schildern.
Jaa, zu den Spaziergängen komme ich gleich - jetzt erst einmal der Samstag irgendwann im Jahr 1984. Üblicherweise begannen wir den Samstach mit dem Saubermachen unserer Wohnung. Dazu gehörte das vierzehntägige Ritual der Treppenhausreinigung als Start hinzu. Unsere Vermieter, die direkt unter uns gewohnt hatten, bestanden halt darauf.
Und wo ich jetzt grad an dieses alte Ehepaar denke, fällt mir nach vierzig Jahren endlich auf, dass die beiden stark schwerhörig gewesen sein mussten. Pockes Spezialität waren ja Hard Rock und Heavy Metal gewesen, meine lauteten Punk und New Wave. Das kann man nicht leise hören, auch nach 22.00 Uhr nicht.
Treppenhaus - ich ging immer gern mit Handfeger, Kehrblech und Besen voran, worauf Pocke mit Wischeimer und Scheuerlappen hinterherwusch. Hierbei hatten wir uns stets beeilt, weil wir anschließend einen wichtigen Termin hatten: Platten kaufen in Hannover!
Mit dem Auto fuhren wir dann zum Raschplatz in der Landeshauptstadt, um dort erst einmal die Plattenläden unsicher zu machen. Wir schlichen uns an den Junkies vorbei und suchten in „unseren" Rubriken nach Neuheiten, vergaßen aber auch die Sonderangebote in den Grabbelkisten nicht. Aus den Läden gingen wir niemals „nackt" raus, spätestens bei den Billigheimern wurden wir fündig.
Damit war es selbstverständlich nicht genug gewesen, anschließend ging es erst richtig los. Der Flohmarkt am Leineufer war überregional bekannt gewesen, einen so großen Trödelmarkt gab es seinerzeit in Braunschweig nicht.
Über den Flohmarkt gingen wir in unterschiedlichen Richtungen vor; wir hatten ja eh verschiedene Vorlieben. Irgendwann, so nach der Hälfte, begegneten wir uns und konnten dem Anderen von den interessanten und lohnenswerten Ständen berichten. Hinterher trafen wir uns am Startpunkt und freuten uns über die Beute.

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