Eine sehr schöne Tour übrigens, bei der wir am Ende in Marions Schinderhannes landeten und das eine oder andere Bier schlürften. Eigentlich ideal für diese Rubrik, aber alleine kann ich besser meinen Gedanken nachhängen und deshalb schreibe ich diesen Beitrag an einem anderen Tag, und mal wieder ohne Bier.Was heute auch gar nicht passen würde, da wettermäßig der Herbst an diesem Tag begonnen hat. Bereits seit ein paar Tagen hatte ich mich diesen Sonntag auf eine Solo-Radtour geeicht, der gestrige Besuch vom Kanonier bei uns hatte mich zusätzlich bestärkt.
Denn er als gestresster Familienvater hat seit kurzem das Radfahren für sich als ideales
Entspannungsmoment entdeckt, ja sogar seine Ernährung umgestellt. Letzteres will ich auch schon das ganze Jahr über durchziehen, jedoch habe ich es bislang nicht hinbekommen.
Außer dem Besuch des Kanoniers war dieses Wochenende alles äußerst ruhig verlaufen - letztes Weekend waren wir mit dem Kegelverein in Wien und nächstes Wochenende ist Berlin angesagt. Urmel und Ilka besuchen, dazu feiern meine Löwin und ich unseren 16. Hochzeitstag. Wann also, wenn nicht jetzt?
Freudestrahlend radelte ich vorhin los. Keine 10 Grad, es weht zurzeit ein kalter Wind, gepaart mit einem lange vermissten „Irish Mist". Samstag waren es tagsüber noch 20° gewesen, die Wochen und Monate zuvor wurden eher höhere Werte gemessen. Da verwundert es nicht, dass es mich beim Einbiegen aufs Ringggleis ein wenig fröstelte.
Meine bei „Charme und Anmut" erworbene Übergangsjacke musste ich schon zuziehen, da ich lediglich ein Poloshirt drunter trug. Ursprünglich wollte ich das Cafe Magie in Gliesmarode ansteuern, aber der ständige Wechsel zwischen hellem Sonnenschein und dunklen Wolken mit dem bereits erwähnten Inselwetter erforderte ein näheres Ziel.
Daher sitze ich jetzt im Café Momento im neuen Viertel am Lampadiusring und diktiere diese Zeilen in mein Smartphone. Zwei doppelte Espresso Macchiato später ist es Zeit für die Rückfahrt. Bis dahin aber ließ ich meine Gedanken während der Hinfahrt Revue passieren.
Acht Tage zuvor, am 7. Oktober, hatte die Hamas vom Gazastreifen aus ca. 1200 Israelis brutal getötet und eine Vielzahl von Geiseln genommen. Israelische wie amerikanische Politiker sprachen relativ offen davon, die Hamas auszurotten. Unsere feministisch angehauchte Außenministerin sicherte dem Staat Israel volle Unterstützung zu, vor allem Waffen.
Auch wenn ich angesichts der Brutalität der Hamas die überschäumenden Emotionen der Israelis durchaus nachvollziehen kann, aber die fast an nationalsozialistische Propaganda erinnernde Formulierung durch führende israelische Politiker hat mich dann doch sehr betroffen gemacht. Und die Zwei Millionen Menschen zählende Bevölkerung des Gazastreifens von der Strom- und Wasserversorgung abzuschneiden und damit Unbeteiligte Zivilisten in Sippenhaft zu nehmen, halte ich für eine übertriebene Reaktion angesichts des Leids, welches die Juden durch die Nazis erleiden mussten.
Die UN hatte die Reaktion der Israelis richtigerweise als völkerrechtswidrig gebrandmarkt. Fast alle Leute in meinem Umfeld können sich nicht zu einer differenzierten Sichtweise des Konflikts durchringen. Bei der Corona-Pandemie und im Krieg gegen die Ukraine war dies leider nicht anders gewesen.
Momento |
Hierzu kann ich nur Helmut Kohl zitieren: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten."
Denn kurz nach dem ersten Weltkrieg waren es die von den Nazis verfolgten Juden gewesen, die gewaltsam im Völkerbundmandat Palästina eingewandert waren und 1948 gegen den Willen der britischen Besatzungsmacht den Staat Israel gründeten.
Nach mehreren Kriegen gegen die muslimischen Nachbarstaaten und vergeblichen Friedens- und Vermittlungsbemühungen diverser Nationen und Institutionen stehen sich Juden und Palästinenser immer noch unversöhnlich gegenüber. Dies entschuldigt den Terrorakt der Hamas nicht, aber ein blindes Draufhauen auf die Palästinenser wird den Konflikt garantiert nicht lösen können.
Mittlerweile sind im Gazastreifen dank der israelischen Bombenabwürfe sogar mehr Kinder und alte Menschen als beim Hamas Attentat vom 7 Oktober gestorben. Und wenn man als Wertewesten die Ukraine sogar mit Waffen unterstützt, dann sollte man sich zumindest im Gazastreifen für einen Waffenstillstand stark machen. Alles andere ist unglaubwürdig.
Bei etwas stärkeren Regen verließ ich das Café Momento und brauchte nun nicht mehr zu überlegen, einen kleinen Umweg über die Innenstadt zu fahren. Auf dem kürzesten Weg begab ich mich nach Hause, schneller als sonst radelte ich über den Asphalt. Nass wie ein Pudel erreichte ich endlich die heimischen Gefilde.
Unnötigerweise möchte ich noch erwähnen, dass der Regen kurz vor Ende meiner Fahrt aufgehört hatte und die Sonne wieder schien. Ist das der Indian Summer? Wohl eher nicht, deutscher Herbst ist angesagt. Sowohl beim Wetter als auch in der deutschen Außenpolitik: Es wird zunehmend kälter und dunkler.
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