Bereits seit mehreren Wochen mussten meine Löwin und ich den zunehmenden körperlichen Verfall von unserer über 20jährigen Hauskatze ansehen, ohne ihr helfen zu können. Sie magerte von Woche zu Woche zusehends mehr ab, obwohl sie nach wie vor großen Appetit bewies. Sie trank auch sehr viel Wasser, was für eine Katze sicher ungewöhnlich ist.
Da wir ja aufgrund eines Tierarztbesuches im letzten Jahr wussten, dass ihre Nierenfunktion schon stark eingeschränkt war, waren wir lange Zeit froh, dass Sushi überhaupt noch unter uns weilte. Aber in den letzten Wochen zeichnete sich dann ab, dass sie quasi nur noch über den Boden schlurfte und Schwierigkeiten hatte, aufs Sofa zu springen.
Als sie es dann ab Mitte März nicht mal mehr aufs Katzenklo schaffte und die meiste Zeit mehr oder weniger teilnahmslos vor sich hin dämmerte, entschlossen wir uns schweren Herzens, mit ihr am Tag vor meinem Geburtstag nochmals zum Tierarzt zu fahren. Die Untersuchung von Sushi brachte leider keine erfreulichen Ergebnisse. Die Nierenfunktion war fast gar nicht mehr vorhanden. Die Ärztin meinte aber, dass sie keine Schmerzen haben würde, da sie anscheinend noch frisst. Das für Katzen ungewöhnliche Trinkverhalten wäre bei dem Krankheitsbild normal. Für den Fall, dass Sushi nicht mehr fressen sollte oder aber Schmerzensschreie ausstoßen würde, sollten wir zur Einschläferung wiederkommen.
Wir starteten ab sofort eine hospizähnliche Betreuung. Wir (zugegebenermaßen hauptsächlich meine Löwin) wischten die Pfützen auf den Fliesen weg. Mehrmals am Tag krallte sich Sushi an meiner Schulter fest, um sich streicheln zu lassen. Ihr Zustand verschlechterte sich zusehends von Tag zu Tag.
Am Ostersamstag dann hatte ich dann für mich Abschied genommen. Sushi lag auf dem Boden und atmete schwer. Abby sprang vom Katzenbaum herunter und beschnupperte ihre langjährige Freundin noch einmal. Meine Löwin hatte Tränen in den Augen und meinte: „Jetzt nimmt die Natur ihren Lauf“.
Wir ließen sie allein, weil wir unsere Enkeltochter Jela abholen wollten. Sie war über Nacht bei uns einquartiert. Als wir mit Jela zwei Stunden später zurückkehrten, hatte sich Sushi aufs Sofa hinauf gequält und fiepte vor sich hin. Ich holte schnell die Katzentransportbox aus dem Keller und meine Löwin brachte Sushi dann zum Tierarzt.
Das Ganze ging so schnell, dass ich nichts davon mitbekam, dass meine Löwin bereits losgefahren war, da ich mich gerade um Jela kümmerte und Susi nicht mal mehr gesehen hatte. Wie schon erwähnt, hatte ich bereits Stunden zuvor Abschied genommen. Eigentlich wollten wir zusammen los, wobei ich mit Jela im Auto gewartet hätte.
So aber kam meine Löwin nach eineinhalb Stunden zurück und wir brachten Jela nach dem Abendbrot ins Bett. Sushi war von ihrem Leiden erlöst und Abby war bereits auf der Suche nach ihr, ließ sich aber trösten. Dumpf schauten wir Stirb Langsam V und dachten an Sushi. Es ist immer traurig, wenn ein Leben endet.
Du fragst Dich sicherlich, warum ich so melodramatisch über den Tod unserer Katze schreibe. Ganz einfach: Weil wir alle vergessen haben, das das Leben keine Wertigkeit kennt. Wir jammern gerade in der Coronakrise über fast 3 Millionen Coronatote, führen aber untereinander Kriege. Menschen verhungern oder leiden an Umweltschäden, aber wir schlottern vor Angst, uns eventuell mit Corona zu infizieren. Nur noch Corona, alles andere tritt in den Hintergrund. Wer will mir denn da erzählen, das das Leben einer Katze nicht zählt?
Sushi jedenfalls war bereits dem Tod von der Schippe gesprungen, bevor sie zu uns kam. Sie überlebte mit knapper Not einen Marderbiss, der ein Stück ihrer Schädeldecke abgeknabbert hatte. Als sie zu uns vor 12 Jahren kam, weil Dannys damalige Freundin eine Katzenallergie hatte, war sie eine Katze mit Freigang gewesen.
Bei uns hatte sie sich nicht mehr nach Draußen begeben, obwohl sie mehrfach aus der Wohnungstür in den Hausflur ging, bloß um schnell wieder in die Wohnung zurückzukehren, bevor die Tür zuging und sie vom Futternapf abgekoppelt geworden wäre.
Unter Futtermangel litt Sushi wahrlich nicht und hatte in den ersten Jahren in Kitty eine ruhige wie alte Katze an ihrer Seite, die Sushis ungestümes Herumtoben mit stoischer Ruhe ertrug. Als Kitty gestorben war, schrie Sushi des Nächtens, weil sie sich allein fühlte. Also holten wir Abby aus dem Tierheim und freuten uns, dass sich beide Katzen über Jahre gut vertragen hatten.
Mittlerweile schlüpfte Sushi in die Rolle der älteren und souveränen Katze, während Abby herumtollte. Sushi wurde mit den Jahren immer träger - auch dicker, aber auch kuschliger. Auch wenn ich sie immer dann auf den Schoss nehmen musste, wenn ich gar keine Zeit für sie hatte, habe ich mich um sie gekümmert. Oder ihr wenigstens etwas zu fressen gegeben, was ihr immer merkwürdigerweise ausgereicht hatte.
Als ich mir nach Stirb Langsam die Jahre mit Sushi durch den Kopf gehen ließ (zusammen mit ein paar Bieren), stellte ich fest, dass mich der Verlust von Sushi mehr getroffen hatte als der Tod einiger Mitmenschen, die ich kannte.
Wahrscheinlich hockt sie jetzt mit Kitty auf einer Wolke und gönnt sich noch eine Schale Sheba.
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