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Der Alt68er kam ja auch nie zu Betriebsausflügen oder Weihnachtsfeiern mit. So auch nicht zu einem meiner ersten Betriebsausflüge Anfang der 90er mit der MS Brunswiek zum Tankumsee. Diese berüchtigte Sause fand wohl 1992 statt, spätestens 1993. Zu der Zeit hatte ich mich bereits akklimatisiert gehabt.
Für mich war dieser Betriebsausflug ideal, denn ich hatte die Gelegenheit, eine Extrawurst zu braten. Eigentlich startete der Betriebsausflug vom Rathaus in Lebenstedt aus mit einer Busfahrt in den Braunschweiger Hafen, wo wir morgens (so gegen 9.00 oder 10.00 Uhr?) auf das Schiff gingen, um zum Tankum See zu gelangen und dort abzuhängen.
Mir als einzigem Braunschweiger wurde das Privileg zuteil, direkt zum Braunschweiger Hafen anzureisen. Und dort stand ich dann am frühen Morgen in der noch angenehmen Kühle am Kai. Mit einer Halbliter Bierdose in der Hand wartete ich auf meine Kollegas im Bus. Sie kamen während der zweiten Dose.
Kurz danach fand ich mich auf einer Bank am Tisch auf dem Oberdeck der MS Brunswiek wieder. Um mich herum saßen noch die üblichen Verdächtigen auf den am Deck verschraubten Bänken. Als da wären neben Alf noch Mike, Detzer und der singende Slawe. Ebenfalls mit dabei saß auch die rote Zora.
Diese Kollegin (mittlerweile in Rente) zeichnete sich durch eine Igelfrisur mit knallrot gefärbten Haaren aus. Im Urlaub kümmerte sich Detzer immer um ihre mehr als fünf Wohnungskatzen. Die rote Zora bestach durch ein ruhiges und ausgeglichenes Wesen, welches auch durch mehrere Dosen Bier nicht in Unordnung geriet.
So auch an diesem Morgen. Wir am Prominententisch waren selbstverständlich gut vorbereitet. Mike, die rote Zora und auch meine Wenigkeit hatten uns im Vorfeld mit Bierdosen eingedeckt. Alf freute sich derweil an dem Wein (Zora auch, die konnte beidhändig), den Detzer mitgebracht hatte.
Später holte Detzer noch ne Pulle Schluck (Obstler?) raus; den Vogel aber schoss der singende Slawe ab, der mit Granini Orangensaft glänzen konnte. Diesen hatte er selbstverständlich gepimpt. Den Wodkaanteil würde ich heute noch auf 50% einschätzen, was die Aufnahme der Vitamine im Körper beschleunigt haben dürfte.
In dieser mehr und mehr fröhlichen Runde – abseits von allen anderen, insbesondere unserer Amtsführung – schipperten wir bei schönstem Wetter gen Tankum See. Wir hatten einen azurblauen Himmel und viel Sonnenschein. Eine Kopfbedeckung brauchten wir dank der Vitamine ja nicht.
Oder doch? Der Orangensaft war alle; vorrangig Alf hatte Detzer beim Obstler geholfen. Mir senkte sich eine wohlige und bleierne Schwere auf die Glieder, die ich auf einem viertelstündigen Fußmarsch zum See und damit zum Grillplatz abschütteln konnte. Auch den anderen Prominenten tat die Bewegung sichtlich gut.
Es kann sein, dass wir noch Grillgut oder Getränkekisten geschleppt hatten. Obwohl ich mir heute nicht mehr vorstellen kann, dass man uns nach der gemütlichen Bootsfahrt noch derartig schwierige Arbeiten anvertraut hätte.
Eigentlich konnten wir alle noch froh sein, dass wir noch geradeaus laufen konnten. Und selbst Alf war noch fit und guter Dinge. So schlimm kann es auf dem Boot ergo nicht gewesen sein. Trotzdem gingen wir kein Risiko ein und hielten uns vom Rest des Betriebsausfluges etwas abseits. Bekanntlich waren dort einige Miesepeter-innen an Bord, welche uns häufig bei derartigen Gelegenheiten naserümpfend beobachtet hatten.
Um uns wieder fit zu machen und auch den Anderen aus dem Weg zu gehen entschlossen wir uns zu einem Spaziergang an der rechtsläufigen Uferlinie des Tankum Sees, also vom Sandstrand aus betrachtet. Wir hatten ja den Granini nicht ausgetrunken gehabt. Der singende Slawe war bekannt für sein „Klotzen statt Kleckern“.
Und während der Granini sein Leben aushauchte, gingen wir langsamen Schrittes an der wunderhübschen Uferpromenade entlang. Diese war gesäumt mit einer Allee von Pappeln. Vielleicht alle 100 Meter waren für Müßiggänger oder Fußkranke zusätzlich Bänke mit Sicht auf den See aufgestellt.
Wie der geneigte Leser sicherlich schon vorausgeahnt hat, gingen vor allem bei Alf die Kräfte langsam aber sicher zur Neige. Während sich unsere Gruppe eh schon ein Stückchen auseinandergezogen hatte, setzten sich Alf und meine Wenigkeit auf eine Bank, um etwas auszuruhen.
Um das festzuhalten: Einer musste auf Alf achtgeben und bei ihm bleiben; diese Aufgabe war jahrelang (eigentlich die kompletten 90er) mir zugefallen. Mike und der singende Slawe, die immer noch fit und ausgeruht wirkten, waren Alf und mir schnell enteilt und schlürften bereits am Bier, da der Orangensaft alle war.
Detzer und die rote Zora hingen selbst hinter Alf und mir weit zurück; Dieses Pärchen war eh immer sehr gemütlich unterwegs. Das könnte aber auch daran gelegen haben, dass Detzer in seiner Tasche noch eine Flasche Jelinek, Detzers geliebten tschechischen Obstbrands, mit sich führte und diese mit der roten Zora abarbeitete. Zora wiederum trug nicht mehr ganz so schwer an ihrem Rucksack. Irgendwann waren die darin befindlichen Röhren ausgesoffen gewesen. Hierbei schlug die rote Zora für gewöhnlich ein ungewöhnlich hohes Tempo an, ohne das man ihr dies angemerkt hätte.
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