Montag, 8. Juni 2020

H. Lecter: Alf

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Die letzten längeren Urlaube mit Alf, an denen ich teilnahm, gingen nach Gran Canaria. Dorthin, wo ich bereits mit Onkel Hotte eine unvergessliche Woche verbringen durfte. Die erste von beiden war wohl 2001, die andere 2002.
Hier gingen wir tagsüber die Strandpromenade von Maspalomas ab. In der grellen Sonne hatte ich selbstverständlich ein Basecap auf – eine schwarze Sonnenbrille hierzu war ebenfalls obligatorisch. Ich weiß noch, dass ich auf das Kopftuch von Max, der dieses in Piratenmanier hinten kurz zusammengebunden hatte, richtig neidisch war. So ein schönes Tuch, zumal mit Eintracht Braunschweig Enblem, habe ich seither leider nirgends mehr gesehen.
Wie nicht anders zu erwarten, war Alf ohne eine Kopfbedeckung unterwegs. In den diversen Cafes und Bars kam das in der prallen Sonne richtig gut. Wenigstens schmeckte ihm der Sangria, und hinterher oder am nächsten Morgen warf er dann ein bis zwei Thomapyrin ein. Außer… es ging gleich wieder mit Sangria los.
Aber auch ich hatte mit ihm sehr viel Spaß, insbesondere nachts. Wenn ich großes Glück hatte, schlief ich vor ihm ein. Wenn er jedoch das Sandmännchen zuerst erblickte, dann war es um meine Nachtruhe geschehen. Man kann sich das am ehesten vorstellen, wenn man sich hundemüde direkt neben einer in Betrieb befindlichen elektrischen Säge zur Ruhe begibt, an der permanent nasse Holzscheite zersägt werden.
Da lag ich dann mit finsteren Gedanken, während Alf neben mir in willkürlicher Abfolge den Lautstärkeregler auf und ab bewegte. Das ganze würzte er noch mit verbalen Einsprengseln wie „Hilfe, Hilfe!“ oder gerne auch „nein, bitte! Ich will nicht.“ Da war an ein eigenes Einschlafen nicht zu denken, da hieß es aufstehen und auf dem Balkon etwas lesen oder allein in der Hotelbar weitersaufen.
Wie ich das die Tage überstanden hatte, ohne Alf an die Gurgel zu gehen, finde ich heute nur noch erstaunlich. Da war es schön zu wissen, dass die anderen Mitreisenden wie Mr. Rhönrad oder Klaus-Ewald ruhig und friedlich schliefen. Auch Buck, der ebenfalls über große Steherqualitäten bei den Longdrinks verfügte, hatte es da mit Max im Zimmer leichter. Moritz mit nem Einzelzimmer war da eh außen vor.
An einem Vormittag, an dem wir uns sehr gelangweilt hatten, weil wir bereits ganz Maspalomas abgelaufen waren, gingen wir an einem Steakhaus mit angeschlossenem Minigolfplatz vorbei. Diese Kombination fanden wir nicht ungewöhnlich, was jedoch wohl eher den Cocktails geschuldet war, die wir zuvor geleert hatten.
Mr. Rhönrad hatte die glorreiche Idee, dort eine Runde Minigolf zu spielen, zumal wir eh nichts Besseres zu tun hatten und irgendwie nur noch die Zeit bis zum abendlichen Suff herunterspielen wollten. Alf war sofort begeistert, wenn er auch etwas nervte, da er bereits hackendicht war und gerade mal noch so seinen Schläger halten konnte.
Nach ein paar Löchern hatten wir uns eingegroovt, als die kleinen Stolpermänner Alf die Beine wegzogen. El Feistolino, wie er von Detzer immer genannt worden war, hatte nämlich noch kurz vor Betreten der Minigolfanlage einen kleinen Supermarkt aufgesucht und war dann nachgekommen. Uns anderen war klar, was er in dem Laden wollte: Irgendetwas Kleines mit 20 – 30 Prozent; Fruchtig musste es sein und Likör draufstehen.
Als wir dann mit dem gerade so anwesenden Alf zu spielen anfingen, war der Likör selbstverständlich schon alle, entfaltete aber die zu erwartende Wirkung. Max und ich wirkten daraufhin von Loch zu Loch zunehmend gereizter, zumal 2 Löcher hinter uns ein junges Ehepaar mit ihrem Kind auf der Bahn war, die einfach nur Spaß haben wollten.
Und es gibt sicher nichts schöneres für so ein zehnjähriges Mädchen, wenn sie einen dicken älteren Mann über den Kurs schwanken sieht, der sich stark torkelnd an den nächsten Busch stellt, um seine Blase zu entleeren.
Am Loch 7 oder 8 stellte Alf dann sein Minigolfspiel endgültig ein. Der wunderschön verlegte Untergrund des Parcours, ein hellgrüner Kunstteppich, der augenscheinlich frühestens an diesem Morgen verlegt worden sein konnte, lud doch förmlich zu einer kleinen Pause ein. Und ehe wir uns versahen, lag Alf auch schon inmitten des Parcours und rührte sich nicht mehr, weil er eingeschlafen war.
Wir waren alle angenervt, dass Alf sich derart übel abgeschossen hatte. Keiner von uns war bereit, sich seiner anzunehmen und ihn zu tragen, denn etwas anderes wäre nicht mehr machbar gewesen. Deshalb gingen wir einfach zum nächsten Loch weiter und setzten dort das Spiel fort.
Als wir jedoch sahen, dass die junge Familie das Loch nicht bespielen konnte, weil Alf den gesamten Raum des von ihm okkupierten Grüns in Beschlag genommen hatte, gingen wir zurück, um dem traumatisierenden Mädchen die Situation zu erklären.
„Unser Freund ist müde, weil er die Nacht schlecht geschlafen hatte.“ lallten wir unisono. Wobei… Ich selber hatte letzte Nacht aus bekannten Gründen kaum ein Auge zugemacht. Dass wir das Mädchen dank unserer rechtschaffenden Gesichter überzeugen konnten, will ich doch stark hoffen.
Jedenfalls ging die Familie zum nächsten Loch weiter und wir bekamen Alf mit vereinten Kräften wieder auf die Beine. Dies bedeutete gleichzeitig den Spielabbruch, denn selbst Mr. Rhönrad verspürte keine Lust mehr zum Minigolf. Moritz hatte zudem andere Prioritäten – es war mittlerweile 12.00 Uhr mittags.
Im Steakhaus fanden wir schnell einen Tisch und einen Kellner, der unsere Bestellung aufnahm. Ein fruchtiger Sangria flößte Alf wieder Leben ein und irgendwann bekamen wir auch unser Essen. Untermalt wurde das Ganze von der Beschallung durch einen Großbildfernseher, auf dem ein Formel 1 Rennen live übertragen wurde. Im Steakhaus war es derart gemütlich, dass wir uns dort festgesoffen hatten.
Dann kam der peinliche Moment. Michael Schumacher gewann das Rennen und stand zum Empfang des Siegerpokals auf dem Podium, als die deutsche Nationalhymne auch schon erklang. Und in dem ganzen, gut besuchten, Steakhaus stand ein Mann auf und sang die Nationalhymne textsicher mit.
Moritz mal wieder! Lautstark und voller Inbrunst, die rechte Faust an sein Herz haltend, ließ er die 4. Strophe erklingen. Selbst die Fans mit den Ferrari Devotionalien, die am Tisch vor uns saßen und das Rennen über reichlich Alarm gemacht hatten, schwiegen ehrfurchtsvoll. Und nein, Alf sang hier nicht mit, da er wieder mal den Kampf gegen den Schlaf verloren hatte.

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