Sonntag, 3. Februar 2019

Contramann: Venezuela

https://www.heise.de/tp/features/Erdogan-Bruder-Maduro-bleibe-hart-wir-sind-mit-dir-4287305.html
https://www.heise.de/tp/features/Militaer-in-Venezuela-erklaert-sich-loyal-zu-Praesident-Maduro-4287281.html
Kaum ist der linksgerichtete Nicolas Maduro in Venezuela erneut zum Präsidenten gewählt worden, konnten wir am 23. Januar einen Putschversuch durch den erzkonservativen Juan Guaido registrieren. Dieser erklärte sich mal eben schnell zum Interimspräsidenten und wurde auch sofort von den USA, Kanada und vielen Staaten aus Südamerika, deren Regierungen als rechtsgerichtet gelten und die zur 2017 gegründeten Lima-Gruppe gehören, anerkannt. Da stimmte die EU vorsichtshalber gleich in den Chor der Gerechten mit ein, Monsieur Macron vorneweg; Frau Merkel hinterher, aber immer offen für einen Richtungswechsel, wenn er angezeigt sein sollte.
Da passt es ja, dass der amtierende Präsident Maduro von den „Schurkenstaaten“ Unterstützung erfährt. Als da wären: China, Russland, Türkei, Iran, Kuba… die üblichen Verdächtigen. Was ist eigentlich mit Syrien, verehrte Redaktion im Springer Hochhaus? Selbst Mexiko und Uruguay stützen das laut unseren Qualitätsmedien umstrittene Regime. Und bei der Amtseinführung von Maduro am 10.1.2019 war sogar der Papst zu Gast. Also was ist da los?
Zunächst einmal wurde Maduro von seinem Volk gewählt, wenn auch knapp. Die Wahl müsste rechtmäßig erfolgt sein, jedenfalls ist mir von einem Wahlbetrug seitens Maduro nichts zu Ohren gekommen, weder im Vorfeld oder selbst jetzt. Das erinnert mich fatal an Syrien, wo Assad zunächst von seinem Volk gewählt wurde und den Natostaaten die Unrechtmäßigkeit des Regimes erst auffiel, als dort der Bürgerkrieg anfing. Und wenn dann auch noch Putin mit drin hängt…
Da kann Contramann nur noch fassungslos mit dem Kopf schütteln. Die Demokratien der freien Welt, Bewahrer der Freiheit und des Freihandels, die Retter der Witwen und Waisen… unterstützen einen illegalen Putsch in Venezuela? Und der Antidemokrat und böse Bube Putin nebst dem Chinamann unterstützen die demokratisch gewählte Regierung? Ist etwa heute schon der 1. April?
Doch dann sah ich es: Erdöl. Es geht ums Erdöl. Ob Syrien oder Venezuela – wenn der Russe und der Chinamann in ein Land investieren, in dem Erdöl gefördert wird, dann ist wieder John Wayne gefragt und reitet die Attacke. Da machen dann alle blind mit: Die Verbündeten und auch die Medien, den Anzeigenkunden sei Dank. Da verzweifele ich fast an Allem, was ich in der Schule im Gemeinschaftskunde Leistungskurs oder in meiner Ausbildung zum diplomierten Verwaltungswirt FH gelernt habe.
Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anerkannten und souveränen Staates, in den alle Demokratien Botschafter entsandt haben, ist unserer Demokratie nicht würdig, wenn das Staatsoberhaupt mal eben so mir nichts dir nichts die Berechtigung zum Regieren abgesprochen wird. Und dann irgendeinen Hansel anerkennen, der sich nach seinem „Putsch“ lediglich per Twitter meldet. Das geht gar nicht.
Nicht, dass Ihr mich jetzt falsch versteht. Ich bekenne mich nach wie vor zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (FDGO), auf die ich öfters im Leben einen Eid geschworen hatte. Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas hatte einen Amtseid auf die Verfassung geschworen.
Doch was darf ich davon halten, wenn dieser Außenminister der SPD im Einklang mit Trump eine Unterstützung von Guaido fordert? Auf der anderen Seite höre ich von ihm keine Kritik zu dem Terror, den die Saudis im Jemen verbreiten. Hierüber kann ich selbst im Spiegel kritische Kommentare vernehmen.
Mehr und mehr beschleicht mich das Gefühl, in einer von Uncle Festers dystopischen Zukunftswelten gefangen zu sein, die er sich immer reinzieht. Wenn mich Tagesschau oder Heute Journal in ihren Kommentierungen verstärkt an die Aktuelle Kamera erinnern, dann heißt es Vorsicht an der Bahnsteigkante.
Ganz aktuell habe ich da gestern, am 2. Februar, ein passendes Beispiel für einen tendenziösen Kommentar gefunden:
https://www.tagesschau.de/ausland/demonstrationen-venezuela-105.html
Schon in der Überschrift wird hier suggeriert, das das ganze venezuelanische Volk gegen Maduro zu einer Demo zusammengekommen wäre. 100.000 Demonstranten, das ist schon ne Menge. Erst ziemlich weit hinten, fast schon in einem Nebensatz, wird erwähnt, dass zur gleichen Zeit ein paar Kilometer weiter ebenfalls 100.000 Menschen für Maduro demonstriert hatten
Dazu eine kleine Randnotiz: Bei beiden Demos gab es keine Ausschreitungen; die Polizei musste nicht eingreifen. Am selben Tag, in Europa, genauer in Frankreich, gingen ebenfalls wieder Zehntausende Gelbwesten auf die Strasse, um gegen ihren Präsidenten zu demonstrieren. Es kam zu Ausschreitungen, die Polizei schoss mit Gummigeschossen auch auf friedliche Demonstranten, es gab Verletzte, der ein oder andere verlor dank der Gummigeschosse ein Auge. Da frage ich mich? Wo sind denn da die westlichen Werte! Wer ist denn jetzt der „Schurke“ - Macron oder Maduro?
Ein Maduro ist sicherlich kein Kandidat für den Friedensnobelpreis; ebensowenig dürfte er als lupenreiner Demokrat durchgehen. Aber er wurde in einer nicht beanstandeten Wahl gewählt. Das Völkerrecht gebietet hier eine Anerkennung des Machthabers. Schließlich haben die erwähnten Staaten keine Probleme gehabt, einen Adolf Hitler als Reichspräsident anzuerkennen.
Erschreckend finde ich zudem, dass unsere Qualitätsmedien nicht einen kritischen Kommentar zu den Äußerungen unseres Außenministers oder Herrn Özdemir von den Grünen abgeben. Bei Herrn Özdemir sollte man sich von seiner Mitgliedschaft bei den Grünen nicht blenden lassen. Er war bis 2010 auch Mitglied in der Atlantikbrücke:
https://www.heise.de/tp/features/Gruene-und-Linke-auf-der-Atlantik-Bruecke-3364927.html
Austrittsgrund war übrigens die erneute Ernennung von Friedrich Merz zum Vorsitzenden und eine Anzeigenkampagne zu Gunsten des Flughafens Tempelhof zur Unterstützung der CDU gewesen und nicht ein Zweifel an den grundsätzlichen Zielen dieser Gruppierung. Da dort auch meinungsbildende Journalisten wie Fleischhauer vom Spiegel oder Kai Diekmann, dem Chefredakteur von Bild und Bild am Sonntag aktiv sind, kann man sich gut ausmalen, dass hier eine gemeinsame Linie bezüglich der Sympathien in Venezuela abgesprochen ist.
Und immerhin geht es um amerikanische Interessen. Die haben außer dem Militär immer weniger Wirtschaftsmacht hinter sich. Dank der alle Ressourcen fressenden Finanzindustrie, die erfolgreich eine Ordnungspolitik zur Stabilisierung der produzierenden Wirtschaft und des Handels verhindert, haben die Amerikaner und die mit ihnen verbündeten Staaten, besonders die EU, an Boden gegenüber aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie China oder Indien verloren.
Die Amis klammern sich verzweifelt an der Erdölkontrolle, gerade auch in Venezuela, und schädigen die eigene Wirtschaft dank des unsinnigen Embargos gegen Russland. Währenddessen kaufen sich die Chinesen überall ein. Ihre Investitionen in Afrika und wohl auch in Südamerika verlaufen stets zielgerichtet. Die unterstützten Staaten fühlen sich einfach besser unterstützt als bei den Nato Staaten, die sich eigentlich nur noch mit Drohgebärden im Geschäft halten.
In Venezuela werden die Bemühungen des Westens wahrscheinlich noch belohnt werden, aber langfristig wird sich diese Politik nicht auszahlen.
Ich bin in einer Zeit groß geworden, als noch die Angst kursierte, die Russen, vielleicht sogar mit den Chinesen, könnten den 3. Weltkrieg mit ihren Atombomben anfangen. 30 bis 40 Jahre später fürchte ich eher die Amis und die vorherrschende Politik der Deutschen.
Vor kurzem musste ich lesen, dass die Amis ihren technischen Vorsprung bei den Drohnen, der neuen Geißel der Waffentechnik, an die Chinesen verloren haben. Und diese verscherbeln ihre gleichwertigen, aber preiswerter produzierten Drohnen zu Discountpreisen in die ganze Welt.
Wenn dann irgendwann in naher Zukunft im Westen das produzierende Gewerbe und danach der Handel die Grätsche macht, dann besteht die größte Kriegsgefahr dank CIA und ähnlicher Organisationen. Ich kann nur hoffen, dass ich dies nicht mehr erleben muss. Aber um die Zukunft von Phil und Danny, insbesondere dessen kleines Töchterchen, mache ich mir Sorgen.
Zum Schluss noch den:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/venezuela-nicolas-maduro-weist-eu-ultimatum-fuer-neuwahlen-zurueck-a-1250237.html#js-article-comments-box-pager
Wer mir jetzt erklären kann, wo sich hier die Berechtigung des Zweifels an der Rechtmäßigkeit von Maduros Präsidentschaft nährt, bitte melden!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen