Als nächstes fiel uns beim Blick über die dem Meer zugewandte Mauer am Gorey Pier der Wasserstand ins Auge. Es gab nämlich keinen. Das Hafenbecken sah wie das Watt an der Nordsee bei Ebbe aus. Auf vielleicht 200 bis 300 Meter zur See hinaus war nur der schlickige Boden mit ein paar Pfützen zu sehen; in St. Helier hatten wir bereits am Tag zuvor selbiges Phänomen beobachten dürfen. Das kam uns schon etwas eigenartig vor, ob die hier wohl einen derart gewaltigen Tidenhub haben? Die Boote dieses zugegebenermaßen kleinen Hafens waren jedenfalls an langen Stangen, die im Hafenbecken verankert waren, vertäut und gesichert, lagen aber auf dem Trockenen.
auf dem Trockenen |
Absoluter Blickfang dieses verschlafenen Ortes an der Ostküste Jerseys und damit in unmittelbarer Nähe zum französischen Festland ist jedoch Mont Orgueil Castle, welches die auslaufende Spitze der Bucht zum Meer hin dominiert. Diese Festung, deren Geschichte bis in die Eisenzeit zurückreicht, erhielt ihren Namen, als sich der Bruder des englischen Königs Heinrich V., des 1. Duke of Clarence, zu Beginn des 15. Jahrhunderts beim Anblick der Feste zum Ausruf „Mont Orgueil“ (Stolzer Berg) hinreißen ließ.
Denn die Festung thront wirklich imposant auf dem Hügel am Ausläufer dieser Bucht und galt nicht zu Unrecht während des hundertjährigen Krieges als uneinnehmbar. Die Franzosen bissen sich an der Festung jedenfalls die Zähne aus. Nur dank eines Verrats konnten die Franzosen Mont Orgueil Castle im 15. Jahrhundert kurzzeitig einnehmen. Erst mit der Erfindung der Kanonen verlor die Festung ihren Nimbus der Uneinnehmbarkeit.
An der Häuserzeile unterhalb des Castle gingen wir in Richtung des Aufgangs zur Festung. In nahezu jedem Haus war unten ein Cafe untergebracht, ganz am Anfang, also bei der Bushaltestelle, war ein Souvenirladen. Der einzige übrigens weit und breit. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass Massentourismus in Jersey ein Fremdwort ist; das ist auch gut so. Die Cafes waren leer, die Häuser aber sehr ordentlich in Schuss. Hier auf der Insel scheinen nicht viele Leute arbeitslos bzw. arm zu sein, das konnten wir erfreulicherweise während unseres ganzen Trips auf Jersey wie Guernsey beobachten.
Am Ende der Häuserzeile bogen wir kurz links ab und standen vor dem Aufgang zum Castle. Über eine schmale und steile Steintreppe stiegen wir zum Castle empor und erreichten nach einer zweiten Treppe das Castle Green, einer parkähnlichen Umrandung unterhalb der eigentlichen Festung. Die Festung selbst wollten wir aber nicht betreten, zumal sie dort garantiert Eintritt verlangten. Da war auch schon so ein kleines Information Center…
Mont Orgueil Castle |
Nein, nein. Das Castle Green sah viel schöner aus. Alte Festungen und Burgen haben wir schon einige gesehen, eine derart schöne Parkanlage aber eher selten. Sehr nett waren hier die Steine mit den verschiedenen Schreibweisen des Namens der Festung anzusehen. 7 verschiedene Schreibweisen innerhalb von 150 Jahren lassen auf eine wechselvolle Geschichte dieses Ortes schließen. Der weitere Weg im Park verlief wieder zur Bucht zurück; über der Häuserzeile gingen wir dann aufs Landesinnere zu, ehe wir vorsichtig einen steilen und gepflasterten Weg hinabschritten, um wieder zum Pier zu kommen. Vorsichtig, weil es nass war und der Weg sehr rutschig wirkte.
Erneut machten wir uns dann auf den Weg an der Häuserzeile zur Spitze des Ausläufers auf, bloß um uns dann nach rechts zur Spitze der Kaimauer zu begeben. Rechts lagen immer noch die trocken gelegten Boote, links über der Mauer konnten wir in ca. 100 Meter Entfernung sogar das Meer sehen. Unten, auf dem Schlick, sahen wir 2 Männer, die Löcher in das nasse Erdreich gruben und dort nach irgendetwas suchten. Meine Löwin vermutete hier Austern oder Krebse. Ab und an warfen die Männer auch tatsächlich etwas in ihre Eimer.
Castle Green |
Mittagszeit, Essenszeit. So langsam brauchten wir was zum Beißen. Nach ausgiebiger Suche an den ausgehängten Speisekarten der diversen Cafes entschlossen wir uns beim Rückweg zur Einkehr ins Cafe Lisbeth, nicht zuletzt war es dort wenigstens etwas gefüllt. Mit Einheimischen – ist ja eine alte Regel, das man dort isst, wo auch die Einheimischen speisen. Die junge Frau, die den Laden offensichtlich schmiss (Lisbeth?), wies uns einen schönen Zweiertisch zu.
Das Cafe wirkte auf den ersten Blick sehr einfach, aber die Qualität der Speisen war beachtlich. Damit meine ich nicht den Tee, der ist in britischen Locations immer gut. Die Kuchen und Pasteten in der Glasvitrine der Bar sahen an sich schon sehr edel aus. Alles war mit Cellophan abgedeckt, damit nichts vergammelt. Wir aber speisten herzhaft, war ja Mittag. Meine Thunfischsandwiches mit Mayo waren dank Salatbeilage schon sehr lecker, aber meine Löwin war ob ihres Crab-Meat zurecht aus dem Häuschen. Angerichtet in einer leeren Lobster Schale schmeckte ihr das angemachte Krabbenfleisch hervorragend. Die Kartöffelkes anbei sahen auch sehr lecker aus. Frisches Baguette dazu, meine Löwin war glücklich. Statt des Tees hätte ich vielleicht schon eine Pulle Bier trinken sollen, aber hinterher ist man immer schlauer. War auch für mich lecker genug gewesen.
Anschließend warteten wir nur knappe 10 Minuten auf die Linie 1 und fuhren nach diesem erstklassigen Mahl zufrieden nach St. Helier zurück. Die offensichtlich noch jungen Wirtsleute des Cafes haben Gastronomie wirklich auf dem Kasten, denn dank der hohen Qualität dieser eher klassischen Küche war der Laden auch richtig voll, als wir gingen.
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