Nach gemütlichen zehneinhalb Stunden Schlaf stand ich am nächsten Morgen auf. So lange hatte ich in diesem Jahrzehnt wohl noch nicht gelegen, sieht man mal von meinen schönen Urlauben im Krankenhaus ab. Ich war kaum mit der Morgentoilette fertig, da wachte meine Löwin auch auf. Nach der anstrengenden Anreise hatten wir beide diese Auszeit sicherlich nötig gehabt. Es ist auch besser, den Tag ausgeruht anzugehen.
Und dazu gehört ein gutes Frühstück. Wir hatten dazu ja alles da. Zum Tetley gab es das sehr leckere (Toast)brot mit Pute und Leicester; ein Hotelfrühstück hätte nicht besser sein können, insbesondere ein englisches Frühstück. Jetzt konnten wir den Tag beginnen. Heute wollten wir mit dem Bus an die Ostküste zum Gorey Pier fahren.
Zuvor jedoch sahen wir uns das Liberty Wharf Shopping Center an. Denn nicht nur die Zentrale des Busunternehmens war in dem Komplex untergebracht. Das Shopping Center rundete das Ganze noch ab. Zugegebenermaßen wird uns davon allerdings nur das Seafish Cafe (mehr dazu später, viel später) und der größere Klamottenladen in Erinnerung bleiben. In diesem Shop, der sehr hochwertige Herbstbekleidung zu fairen Preisen – also nicht billig, aber gut – anbot, wurde meine Löwin fündig und leistete sich ein schönes Top und einen mehr als flauschigen Pullover. So stelle ich mir die Schmusedecke von Linus vor. Die schneeweiße Farbe des Pullis passt bestimmt zu jeder Gelegenheit. Ich war zu unentschlossen oder auch einfach nur zu geizig, um in diesem gut ausgestatteten Laden etwas zu kaufen.
Was uns architektonisch an dieser kleinen Mall noch auffiel, war das Gemäuer. Die Wände bestanden aus relativ glatt gehauenen, nicht geschliffenen Natursteinen. Das sieht gleich viel edler aus als Ziegel und schafft eine wohltuend altertümliche Atmosphäre. Diesen Baustil habe ich in der Masse weder in Schottland noch Irland beobachten können, wahrscheinlich wird man es in der Normandie oder Bretagne noch antreffen. Halt, jetzt fällt es mir wieder ein: Das Shopping Center im Hafen von Liverpool! Jedenfalls hebt sich dieser Baustil nicht nur im Liberty Wharf Shopping Center, sondern auch sonst auf der Insel an.
Meine Löwin brachte kurz ihre Beute, also Pulli und Top, in unser Appartement, dann konnte die Fahrt losgehen. Die Busse fuhren an verschiedenen Bussteigen ab; wir brauchten einige Zeit, um das System mit den verschiedenen Steigen zu begreifen. Unser Bus nach Gorey Pier fuhr von einem Steig im Innenhof des Gebäudes ab. Wir hatten das zuvor nicht geschnallt, war von außen ja auch nicht sichtbar.
Haltestelle Gorey Pier |
Denn dieser Innenhof, der mit den Bussen der Firma vollgestellt und dazu noch überdacht war, war natürlich genau unter den Appartements. Hinter der rückwärtigen Wand befand sich das Shopping Center und vorne eine große, bestuhlte Halle mit der Info und einer Menge Türen zum Innenhof. Diese präsentierten die meisten Gates, auch die von uns gewünschte Linie 1 zum Gorey Pier. Zur erwarteten Abfahrtzeit ging die Tür unseres Gates auf; sodann fuhr der Bus erst einmal vor. Einsteigen bitte.
Gezahlt wird direkt beim Fahrer des Jerseybusses, Euro werden nicht akzeptiert, auch keine Karten, nur bar. Jersey Pfund oder ersatzweise das englische Pfund. Jawohl, Jersey hat eine eigene Währung, welche aber 1:1 dem Kurs des englischen Originals entspricht. Dazu kommt noch, wie meiner Löwin auffiel, dass die Banknoten auf der Rückseite den Wert in französisch ausweisen. Welches Land außer Jersey (und Guernsey?) macht das noch? Laut meiner Löwin macht das sonst keiner.
Die Fahrzeuge von Libertybus vermag ich erst einmal nicht anders als niedlich zu beschreiben. Sie sind etwas kürzer als die Busse „bei uns“, dafür sind die Sitze schmaler. Auch die gewährte Beinfreiheit ist stark eingeschränkt. Die Kunstledersitze lassen es geboten erscheinen, einen Bus auch im Sommer mit langer Hose zu besteigen. Das Vehikel wirkte insgesamt etwas schmächtig und scheint eher für kurze Strecken ausgelegt zu sein.
Doch sobald wir nicht nur die Busstation, sondern auch die „brodelnde“ City von St. Helier verlassen hatten und auf der Küstenstraße in östlicher Richtung zum Gorey Pier fuhren, wussten wir, warum der Bus nicht nur schmal wirkte. Denn die Straßen auf Jersey sind, ähnlich wie auch sonst im Königreich, schmaler als deutsche Landstraßen und haben auch innerhalb geschlossener Ortschaften keine Gehwege an der Seite. Und wenn doch, dann sind diese schmaler als mein Schreibtisch, so dass Fußgänger höchstens schräg hintereinander versetzt denselbigen benutzen können.
Die flachen Mauern aus den glatt gehauenen Feldsteinen, die wir schon in St. Helier bewundert hatten, begrenzten die Grundstücke neben den Straßen; häufig ist nicht mal ein Gehweg vorhanden. Vereinzelt parkende Autos engten die Fahrrinne zusätzlich ein. Häufig musste der Bus den entgegenkommenden Verkehr erst noch vorbeilassen.
Auf der letzten Rückbank sitzend, rutschten wir schon bald etwas rastlos hin und her, denn die eingeknickten Knie ließen sich nicht einen Zentimeter strecken, was nach einer knappen halben Stunde zu den entsprechenden Wehwehchen führte. Doch zum Glück dauerte die Fahrt nicht mehr lange und wir erreichten die Endhaltestelle Gorey Pier. Ein erster Blick nach dem Aussteigen beruhigte mich sofort, denn die 1 fuhr alle halbe Stunde dieselbe Strecke retour. Gleichzeitig nahm ich die nur leicht kühle, nichtsdestotrotz frische Brise in mich auf. Jawohl, wir waren am Atlantik. Da weht ein rauer, salzhaltiger Wind, der mit Wassertröpfchen verfeinert wird. Für mein Wohlbefinden, erst recht das meiner Löwin, ist dieses Klima gesünder als ein sommerlicher Karibikaufenthalt.
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