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Zu der Weihnachtsfeier im Unions Heim mussten wir nicht sehr weit fahren, nach Salzgitter-Bad kamen wir auch so gut hin. Hinzu kam, dass wir vorher noch eine kleine Wanderung unternommen hatten. Hier waren Detzer und Knödel-Willi, der damals bereits in Rente gegangen war, in wichtiger Funktion gefordert. Nach der Hälfte des Weges waren sie es, die aus einem großen Bundeswehrkessel den Glühwein einschenkten. Mitten im Wald, auf einer kleinen Anhöhe, stand die Belegschaft bei nasskaltem Wetter und genoss den heißen Glühwein. Der eine oder andere veredelte das Getränk mit dem Rum, den Detzer und Knödel-Willi natürlich mit dabei hatten.
Detzer hätte den Weg selbstverständlich auch mitlaufen können, aber er war wohl fußkrank gewesen. Alf war hierbei natürlich schon in guter Stimmung; Das süße und heiße Getränk mit etwas Rum mundete ihm vorzüglich. Glücklicherweise hielten ihn die Temperaturen um den Gefrierpunkt glockenwach, so dass ihm ein früher Zusammenbruch erspart blieb.
Nach einer guten Dreiviertelstunde gingen wir weiter durch das ausgedehnte winterliche Waldgebiet, bis wir endlich das Vereinsheim von Union erreicht hatten. Grüppchen für Grüppchen betraten wir den großen Saal, in dem ein quadratförmiges Bankett aufgebaut worden war.
Aus irgendeinem Grund war ich von der Truppe, mit der ich eigentlich den ganzen bisherigen Abend abgehangen hatte, abgetrennt worden. Dies waren in erster Linie Mike und Drolli, eine trinkfeste Kollegin und spätere Vorgesetzte. Sie war bei diversen Aktionen mit Alf auch zugegen gewesen, aber bei den von mir bislang geschilderten Events war sie eher nicht in Erscheinung getreten.
Wie überhaupt quasi keine Frauen mit dabei waren, sieht man mal von der roten Zora ab. Wahrscheinlich war ich einfach nur auf die Toilette verschwunden, weil sich meine Blase mal wieder gemeldet hatte. Der Trupp war so freundlich, mir keinen Platz an dem Bankett freizuhalten, so dass ich mir auf der Mike und Drolli gegenüberliegenden Seite des großen Saals einen Platz zwischen zwei spaßbefreiten Kolleginnen einer anderen Abteilung nehmen musste.
Zu angeregten Gesprächen über Kindererziehung und Häuserbau, zwei Themen, die mir komplett am Arsch vorbei gingen, trank ich das eine oder andere Bierchen. Wie schon gesagt, handelte es sich hier um die Weihnachtsfeier. An diesem Abend war Alkohol ausnahmsweise mal en vogue.
Da die Kolleginnen sich doch nicht als so schrecklich herausstellten, wie ich es mir seinerzeit immer eingebildet hatte, wich meine Enttäuschung ob der Trennung von meiner Truppe zugunsten einer locker gelösten Stimmung. Ich hatte gut gegessen, einige Biere getrunken und fühlte mich demzufolge genötigt, mal wieder die Toilette aufzusuchen.
In dem großen, weiß gekachelten Raum stand ich dann vor dem Urinal und ließ es laufen. Als ich anschließend am Waschbecken meine Hände wusch, vernahm ich aus der geschlossenen Kabine rechts hinter mir, dem sogenannten Donnerbalken, laute wie verzweifelte Hilferufe.
Es war schön, mal wieder Alfs Stimme zu hören, auch wenn ich mir jetzt offenbar Sorgen machen musste. "Hilfe, Hilfe!". Alf war offensichtlich den Tränen nahe, da konnte ich nicht abseits stehen. Auf meine Frage, was denn los sei, gab er keine Antwort. Ich klopfte an die verschlossene Tür des Kabuffs - keine Reaktion. Das Rütteln an der Tür war dann erst recht sinnlos.
Ich überlegte fieberhaft, was ich jetzt machen sollte. Wie könnte ich Alf helfen? Und schon hatte ich die rettende Idee. Ich brauchte einfach nur auf das Waschbecken klettern, dann würde ich die Sache überblicken können, denn das Kabuff ist ja bekanntlich oben offen und von daher einsehbar.
Gesagt, getan. Mein geschmeidiger Körper erklomm das Waschbecken, balancierte das Ganze mittels der Beine auf den Rändern des Beckens aus und blickte interessiert von oben in das Kabuff hinein.
Beim Anblick des Desasters verschlug es mir die Sprache. Alf rutschte auf seinen Knien am Boden herum und wischte die vollgeschissenen Wände mit Klopapier ab. Zu meiner großen Freude hatte er, anders als auf Mallorca, seine Hose an. Doch bevor ich Alf fragen konnte, was denn eigentlich passiert sei, ging die Toilettentür auf.
Es erschien IM Spritze. Der Kollege, der alles, aber auch alles, was ihm nicht korrekt erschien, der Abteilungsleiterin erzählte. Wie in Trance konnte ich aus zweieinhalb Meter Höhe beide Szenen gleichzeitig ins Visier nehmen. Meine Sprachlosigkeit setzte sich fort und IM Spritze machte auf dem Absatz kehrt, um sofort Bericht erstatten zu können.
Der Mann war von Kindesbeinen an bei der Freiwilligen Feuerwehr gewesen, bevor er ein paar Jahre später nach den Geschehnissen im Unions Heim gestorben war. Woher IM kommt, brauche ich wohl nicht zu erklären. Ich kümmerte mich nicht weiter drum und wandte mich wieder Alf zu.
"Was hast Du denn jetzt schon wieder angestellt?" wollte ich von ihm wissen.
"Ich hatte es gerade so geschafft, die Hose herunter zu ziehen. Und bevor ich mich hinsetzen konnte, da kam es auch schon von hinten heraus geschossen. Alles gegen die Wand!" jammerte Alf niedergeschlagen.
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