Mittwoch, 1. Juli 2020

Hartmudo: Nur keine Panik 2/2


https://www.faz.net/aktuell/politik/wer-die-corona-app-hat-soll-zuerst-wieder-ins-restaurant-duerfen-16759932.html
Das mit den Anreizen für die App Benutzer und damit Ausgrenzung für diejenigen, die diese App eben nicht installieren wollen oder können, geht schon mal gar nicht. Da wiederhole ich mich gerne, aber der Faschismus kommt eben manchmal aus Ecken, von denen man es nicht vermutet.
Jetzt sind ab 22. Juni (ich schrieb dies am 18.) weitere Beschränkungen gefallen. Hiervon ist insbesondere der Wegfall der Höchstgrenze bei Treffen erwähnenswert. Waren es bislang maximal 10 Personen aus 2 Haushalten, so sind seit dem 22. Juni 10 Personen, unabhängig von der Haushaltszahl, erlaubt.
Dies war ja auch dringend geboten, da sich zuletzt eine gewisse Maskenmüdigkeit und Ignoranz den Beschränkungen gegenüber breit gemacht hatte. Die Leute trafen sich halt heimlich oder hielten wenigstens nach Ordnungshütern Ausschau. Zu diesem Phänomen möchte ich ein Gespräch mit einer Kollegin wiedergeben.
„Wenn ich in Braunschweig das Bahnhofsgebäude betrete, läuft dort schon keiner mehr mit einer Maske herum. Auf dem Bahnsteig wird die Maske gern unter das Kinn gezogen. Im Bus hatte eine junge Frau die Maske gar ganz entfernt“, ereiferte ich mich.
Die lakonische Antwort lautete: „Ich fahre nicht mit den Öffis.“
Ich habe dies schon bei sehr vielen Gesprächen mit bedingungslosen Befürwortern des Lockdowns feststellen können. Der Schutz der einschlägig bekannten Risikogruppen ist diesen Leuten heilig und das sei ihnen nach meinem Dafürhalten auch unbenommen. Etwaige Gegenargumente wie wirtschaftliche Schäden, drohende Arbeitslosigkeit oder eben die Unwirksamkeit dank zunehmender Ignoranz in der Bevölkerung werden unter Hinweis auf eine mögliche zweite Welle oder die niedrige Anzahl an Toten in Deutschland (oder hohe in den USA) abgewehrt.
Im Übrigen habe ich derartige Argumente fast ausschließlich von Leuten gehört, die in ihr persönliches Home Office geschickt wurden. Ob sie da viel arbeiten konnten oder nicht, spielte keine Rolle. Keiner hatte sich über das „Arbeiten“ auf der eigenen Couch beschwert. Kurzarbeiter standen immer dann (und solange) hinter den Beschränkungen, wie ihr Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld auf 100% aufgestockt hatte.
Reiner Eigennutz ergo. Ich selbst musste anfangs einmal die Woche zum Notdienst nach Salzgitter eiern. Mit der Bahn natürlich. Ab ca. Mitte April fuhr ich dann jeden zweiten Tag zum Notdienst. Da ließ meine Begeisterung über die Beschränkungen schon etwas nach. Und seit ich ab 25. Mai wieder jeden Tag normal einstempeln muss, sehe ich die noch bestehenden Beschränkungen zunehmend kritischer.
Wie Marx bereits sagte: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. “ Ich selbst bin da so egoistisch wie meine Mitmenschen auch.
Egal ob es der lächerliche Spuckschutz in meinem Büro ist oder die widersprüchlichen Vorgaben. Als ich die Vorteile in Form von „bezahltem Urlaub“ genießen durfte, habe ich die Widersprüche geflissentlich übersehen. Ebenso die mürrischen Blicke der Angestellten im Supermarkt. Erst jetzt, wo ich wieder „normal“ zur Arbeit muss, dürfen sauertöpfische Verkäuferinnen mit meinem Verständnis rechnen.
Zur Ehrenrettung einiger Freunde und Kollegen, welche teilweise immer noch im Home Office ihre Fußnägel schneiden, sei aber gesagt, dass auch diese mehr und mehr ein Ende der Einschränkungen herbeisehnen. Zu viele Urlaubspläne mussten aufgegeben werden. Restaurantbesuche werden eingeschränkt, weil die Masken beim Gang aufs Klo nerven. Kneipe? Ich kenne keinen, der seit Wiedereröffnung in einer Kneipe (wir reden hier nicht von Biergärten) gesoffen hat.
Ich denke, dass die Situation unserer Regierung so nach und nach entglitten ist. Eventuelle Fehler in der Beurteilungen wurden nicht zugegeben, dass trifft sowohl auf Frau Merkel als auch auf Herrn Spahn zu. Erst waren Masken überflüssig und wurden nach China verkauft, dann wurden Mund- und Nasenbedeckungen vorgeschrieben.
Die Grenzen zu den Nachbarländern wurden meiner Ansicht nach zu spät zugemacht. Wobei… Kontrollen bei Einreise hätten auch ausgereicht. Und als Chinesen, Venezuela und Russen Ärzte und Hilfsmaterial nach Italien geschickt hatten, weil die eigenen Freunde aus der EU Hilfen zunächst verweigert hatten, da wurden den helfenden Ländern niedere Absichten unterstellt.
Sorry, Leute. Aber ich wurde christlich erzogen und ein derart schäbiges Verhalten wurde in meinem Elternhaus nicht gutgeheißen. Diese ganzen Ungereimtheiten und Fehler werden wohl bald vergessen sein. Mit einer Aufarbeitung von Fehlern zur Vermeidung derselben bei zukünftigen Pandemien dürfen wir eher nicht rechnen.
Dass bei diesem Durcheinander ausgerechnet der einzige Ministerpräsident der Linken, Bodo Ramelow in Thüringen, den Spuk beendet und dafür sorgt, dass die Beschränkungen erheblich schneller eingestellt wurden, als Frau Merkel dies eigentlich vorhatte, freut mich natürlich.
Dass es dafür auch noch Beifall aus eher konservativen Kreisen, auch in meinem persönlichen Umfeld, gab, ist ebenfalls als gutes Zeichen zu werten. Ich hege die Hoffnung, dass sich unser aller Leben weiter normalisieren wird und meine Befürchtungen, dass hier auf kaltem Wege und vor allem auf Dauer wichtige Grundrechte eingeschränkt wurden, ins Reich unbegründeter Verschwörungstheorien verschieben lassen.

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