Karina und Sven setzten sich erst einmal hin. Die Schwester skizzierte Sven den weiteren Ablauf des Tages in groben Zügen. Er sollte noch am gleichen Tag operiert werden und sich alsbald bereit machen. Unmissverständlich bat Sven darum, ihn nach der Operation zu fixieren, da er beim Aufwachen schon in der Vergangenheit um sich geschlagen hätte.
Mein Interesse war geweckt. Was für einen Hool hatten sie mir da bloß aufs Zimmer gepackt? Musste ich jetzt um mein Leben fürchten? Die Schwester versprach alles zu regeln und ließ uns allein. Für mich war es an der Zeit, Informationen einzuholen. Horst würde warten müssen.
Karina befindet sich in der Ausbildung, eine IT Ausbildung in einer Bank. Ihre schwarzen Klamotten ließen mich eine Dark Wave Begeisterung vermuten; Genau so ist es auch, wobei sie auch Rammstein nicht verschmäht. Im Moment hatte sie Urlaub und wollte eigentlich lernen, doch Sven wollte sie nicht allein lassen.
Sven arbeitet in der Instandhaltung bei VW in Wolfsburg. Schichtbetrieb, unregelmäßiges Essen - am liebsten heiß und fettig, Hauptsache scharf. Kein Wunder, das er da... natürlich ist sein Malheur auch genetisch bedingt. Ein schwaches Bindegewebe wurde ihm schon in die Wiege gelegt. Ganz einfach gesagt, litt er unter Hämorriden. Innen und Außen und gleich die Operation.
Ich kann mich noch genau an meinen Mitbewohner bei der ersten Analfistel OP vor 4 Jahren im HEH erinnert. Der Mann war Handwerker und blutete aus dem Arsch, nach seiner OP wimmerte er herzzerreißend und die Schreie bei seinem ersten Stuhlgang hatten mich wünschen lassen, niemals wegen Hämorriden operiert werden zu müssen.
Davon erzählte ich Sven selbstverständlich nichts, da er offenbar sehr starke Ängste hatte, wenn er sich schon fixieren lassen wollte. Jedoch war die Lage wohl nicht so dramatisch, wie es sich zuerst darstellte. Warum auch immer, bei Sven wirkt eine Betäubung zuerst auf den Verstand und dann dem Körper. Sein Körper wacht auch schon weit vor dem Verstand auf. Deshalb verspürt er dann wohl Schmerzen - also der Körper, nicht der Verstand - und reagiert entsprechend. Der Körper schlägt sowohl um sich, das Bewusstsein schläft da noch.
Karina half Sven beim Anlegen des Operationshemdes, hinten offen. Macht ja Sinn, oder? Das bunte Häufchen für den Kopf noch auf, die blaue Pille eingeworfen und gleich darauf wurde er mit seinem Bett aus dem Zimmer gerollt zu seiner Operation an seinem Popo. Karina wollte solange im Zimmer warten.
Sie schnappte sich ihr Buch und las ein bisschen. Zeit für mich, sie in Ruhe zu lassen und Horst zu besuchen. Ein wenig Bewegung würde mir sicher auch guttun. Schlurfend schlich ich ùber den Flur zum Fahrstuhl, ab ging es in den 4. Stock zu meinem alten Zimmer.
Als erstes begegnete ich der polnischen Ärztin, die sich nach meinem Wohlbefinden erkundete und von meiner Diagnose gut informiert zeigte. Mr. Maco freute sich richtig, mich zu sehen und hob lächelnd die Hand zum Gruß. Neu im Zimmer war der Mann von der Polizeigewerkschaft, der gerade am Daddeln auf seinem Laptop war. Er hatte Knie. Ich erkannte es mühelos daran, dass er dieses hochlegte.
Horst war in dem Moment nicht im Zimmer, tauchte aber innerhalb einer Minute auf. Gerade vom Klo runter, begrüßte er mich überschwänglich. Bevor wir uns aber verdrücken konnten, checkte die polnische Ärztin alle 3 nochmal durch. Ich war inmitten der Visite hereingeplatzt, aber als "alter Kunde" ließ sie mich im Zimmer bleiben.
Die Flüssigkeit in Horsts Beutel war immer noch rot, es ging ihm aber inzwischen sichtlich besser. Mr. Maco sollte wohl auch bald entlassen werden, der ursprüngliche Verdacht auf eine offene Tuberkulose war bereits am Vortag ausgeschlossen worden. Erst jetzt erfuhr ich, dass er auf einem Auge blind ist.
Der Polizist und ich über setzten zwischen Ärztin und Mr. Maco. Es stellte sich heraus, das er noch in der zentralen Aufnahmestelle wohnte, aber eigentlich nach Paderborn umziehen sollte. Dort war er auch schon angemeldet, allein der Aufenthalt im Krankenhaus verhinderte die Umverteilung.
Mr. Maco fühlte sich in Braunschweig allein und von anderen Flüchtlingen bedroht. In Paderborn hat er Verwandte, deshalb denke ich schon, dass eine Umverteilung die korrekte Maßnahme darstellt. An dieser Stelle Wünsche ich ihm nochmals alles Gute, ihm wird es in Paderborn besser gehen.
Für Horst hatte ich die Sportbild und den Kicker mitgebracht, worüber er sich richtig freute, denn im Krankenhaus ist es nun mal eintönig und seine Frau war immer noch nicht da gewesen. Wir zogen uns auf den Flur zurück, um in Ruhe einen Kaffee zu schlürfen und etwas zu labern.
Typisch Krankenhaus, Kaffee war natürlich alle. Wir wichen auf Tee aus. Pfefferminz für mich, schwarzen Tee für Horst. Er nahm dies zum Anlass, mir etwas über die Vorzüge von grünem Tee zu erzählen. Dieser ist nämlich sehr gesund, gut für alle Organe. Horst schwört drauf, seitdem ihm seine Hausärztin dies empfohlen hatte. Aber nur "pur", also keinen Mix mit Zitrone oder so. Pur muss er sein.
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