Mist. An Dosenbier - ohne Schnick Schnack - gab es nur Warsteiner und Paulaner Hell. Und Warsteiner… mal ehrlich - das geht ja gar nicht. Da fiel die Auswahl nicht allzu schwer, zumal das Paulaner Hell schon oberes Regal ist.
Beherzt griff ich zu den Dosen. Verdammte Hacke! Warm! Die Dosen waren noch warm, auch die weiter hinten stehenden Dosen waren warm. Hatte sich heute alles gegen mich verschworen? Gibts ja gar nicht. Und das Pullenbier, Becks und Co., waren alles Drittelliter. Früher hatte ich immer noch ein Feuerzeug dabei gehabt, aber seitdem ich nicht mehr rauche… Ich hatte einfach keinen Öffner und warm waren die Pullen obendrein!
Jungs, erinnert Euch an früher in den 80ern. Ihr wart spät abends im Pano oder Koka und alle hübschen Mädchen waren schon fortgegangen - ohne Euch. Nur die eine, dick oder ugly, war noch im Laden und lächelte Euch an. Na - was will ich Euch damit wohl sagen?
Richtig. Voller Widerwillen fasste ich auf die Warsteiner Dosen und prüfte die Temperatur. Gleichzeitig enttäuscht und doch erleichtert atmete ich achtsam aus. Selbst die Warsteiner waren warm. Ich tröstete mich daher mit dem Wissen, dass warmes Bier besser knallt und packte das Paulaner Hell ein. Kein kaltes Bier im Supermarkt - Deutschland, es geht bergab.
Meine innere Mitte hatte ich jetzt endlich gefunden und ging strammen Schrittes zur Bushalte. Gegenüber beim Italiener waren der Singende und sein Sohn nicht mehr zu sehen. Zwei junge Burschen sahen mich alten Sack heranschlurfen und boten mir den Sitzplatz im Wartehäuschen an. Dankend nutzte ich das Angebot, bin ja auch alt.
Die Dosen hatte ich in meiner Tasche verstaut, damit sie nicht noch wärmer wurden. Nur noch 10 Minuten bis zur Ankunft des Busses nach Braunschweig; da ließ ich die Dosen doch besser in der Tasche. Sonst hätte ich mir die erste Dose reinprügeln müssen. Wobei ich dazu durchaus noch imstande bin, aber in meinem Alter muss ich nichts mehr beweisen.
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endlich im Bus |
Entspannt packte ich den Kopfhörer und meinen heiß geliebten MP3 Player von Mechem, einem iPod Klon, aus. Dann startete ich die Engine und drosselte als erstes die Lautstärke, war ja noch nüchtern. Die Klänge von „Sound of the Suburbs“ (Members) und „She“ (Method Actors) brachten meine Füße doch tatsächlich geringfügig zum Wippen.
In diesen 10 Minuten nahm ich die Atmosphäre einer stark frequentierten Bushalte um 19.00 Uhr am Sommerabend aufmerksam in mich auf. Atemübungen fielen aus, aber dennoch fiel während dieses meditativen Sitzens auf der Drahtbank einiges schon mal von mir ab. Als dann schließlich der Bus vorfuhr und die Türen öffnete, war ich bereit.
Ich setzte mich in den hinteren Teil des Busses in einer Zweierreihe ans Fenster und stellte meine Tasche auf den zweiten Platz , so dass sich dort niemand mehr hinsetzten brauchte. Ein bekanntes Gesicht zum Quatschen konnte ich heute gar nicht gebrauchen. Lieber betätigte ich den RingPull eines Paulaner Münchner Hell, um an dieser Stelle mal den vollen Namen auszusprechen. So viel Zeit muss sein.
Fortan - in der nächsten Dreiviertelstunde - schraubte ich mir zu den Klängen der Cramps, Devo, Siouxsie & the Banshees und so weiter genüsslich die beiden Dosen rein. Mein Mund blieb ansonsten versiegelt, es sei denn, ein Bäuerchen war fällig. An dieser Stelle noch einmal vielen lieben Dank für die Geduld der Frau, welche in der Reihe vor mir saß.
Noch weiter vorne saß eine Mami mit ihren zwei kurz vor der Puber stehenden Jungen. Beide lächelten mich aus der Entfernung an, freundlich lächelte ich zurück und beließ es dabei. Nicht das die Racker noch etwas von meinem Bier haben wollten. So weit kommts noch - abgeben ist nicht angesagt. Sollen die beiden noch auf die Weide, bevor sie zur Tränke dürfen.
Am Arbeitsamt hieß es umsteigen; nach Lehndorf fuhr jetzt natürlich keiner mehr. Ich würde am Rudolf noch einmal aussteigen und den Rest zu Fuß latschen müssen, mit meiner schweren Tasche. Gesagt, getan. Am Rudolf ging ich dann jedoch an der gegenüberliegenden Bushalte vorbei und oh! Die 450 kommt in 3 Minuten. Klasse, da wartete ich doch und habe nach zwei Stationen nur noch einen sehr kurzen Weg nach Hause. Im Bus setzte ich mich gar nicht erst hin. Zwei Stationen sind ein Klacks. Und dann kam mir noch in den Sinn…
Und wir befinden uns wieder in den 80ern im Koka. Das bereits erwähnte „ugly Girl“ hat Dich schon fast rumgekriegt, da kommt auf einmal um Vier Uhr morgens die Königin der Nacht durch die Tür! Wieder so ne bildhafte Metapher.
Das Lufteck, Menno! Dort gegenüber stieg ich aus, magisch wurde ich durch die Eingangstür gesogen und setzte mich an den tatsächlich letzten Platz an der Theke. Dort packte ich meine Outdoor-Soundanlage zusammen und bestellte ein Großes. Rings um mich herum klönten und lachten die Gäste, dass es eine Freude war. Zwischendurch rief sogar noch Charles an, der eine Frage wegen eines Umzugsunternehmens hatte. Nettes Gespräch, ich war gut drauf.
„Himmlisch, diese Ruhe“ sagte ich mir noch, als ich das zweite Große nachorderte und bei der Lieferung gleich bezahlte. Kurz vor 21.00 Uhr war es mittlerweile geworden. Ich wollte der kleinen Jela wenigstens noch Gute Nacht sagen, wenn ich denn schon so spät komme. Tatsächlich waren meine Löwin und sie noch wach, waren aber schon auf dem Weg in die Heia. Kuscheltiere spielen. Da bin ich eh raus.
Zur Abrundung des Abends holte ich mir eine Pulle Wolters aus dem Kühlschrank und schmiss die Flimmerkiste an. Passenderweise schaute ich Murderbot; eine neue Serie, die ich nur empfehlen kann. Herrlich! Nach zwei Folgen hatte ich die Stimmung endgültig gedreht und konnte beruhigt zu Bett gehen.
Und irgendwann zwischendurch in einem der Busse hatte ich gedacht: Ich habe schon lange kein Faxe mehr getrunken.