Samstag, 9. August 2025

Hartmudo: Faxe 2/2

Egal - ich war ja quasi im Auftrag des Herrn unterwegs. Und schnell musste es gehen. Schließlich war ich durstig und brauchte das Pils - schnell! Die Kühltruhe musste vor dem Ausgang stehen, also rasch durch die Abkürzung und da war ich auch schon an der Kühlwand. Richtig groß, der Kühler. Und ganz viel Energy-Schrott. Kein Wolters.
Mist. An Dosenbier - ohne Schnick Schnack - gab es nur Warsteiner und Paulaner Hell. Und Warsteiner… mal ehrlich - das geht ja gar nicht. Da fiel die Auswahl nicht allzu schwer, zumal das Paulaner Hell schon oberes Regal ist.
Beherzt griff ich zu den Dosen. Verdammte Hacke! Warm! Die Dosen waren noch warm, auch die weiter hinten stehenden Dosen waren warm. Hatte sich heute alles gegen mich verschworen? Gibts ja gar nicht. Und das Pullenbier, Becks und Co., waren alles Drittelliter. Früher hatte ich immer noch ein Feuerzeug dabei gehabt, aber seitdem ich nicht mehr rauche… Ich hatte einfach keinen Öffner und warm waren die Pullen obendrein!
Jungs, erinnert Euch an früher in den 80ern. Ihr wart spät abends im Pano oder Koka und alle hübschen Mädchen waren schon fortgegangen - ohne Euch. Nur die eine, dick oder ugly, war noch im Laden und lächelte Euch an. Na - was will ich Euch damit wohl sagen?
Richtig. Voller Widerwillen fasste ich auf die Warsteiner Dosen und prüfte die Temperatur. Gleichzeitig enttäuscht und doch erleichtert atmete ich achtsam aus. Selbst die Warsteiner waren warm. Ich tröstete mich daher mit dem Wissen, dass warmes Bier besser knallt und packte das Paulaner Hell ein. Kein kaltes Bier im Supermarkt - Deutschland, es geht bergab.
Meine innere Mitte hatte ich jetzt endlich gefunden und ging strammen Schrittes zur Bushalte. Gegenüber beim Italiener waren der Singende und sein Sohn nicht mehr zu sehen. Zwei junge Burschen sahen mich alten Sack heranschlurfen und boten mir den Sitzplatz im Wartehäuschen an. Dankend nutzte ich das Angebot, bin ja auch alt.
Die Dosen hatte ich in meiner Tasche verstaut, damit sie nicht noch wärmer wurden. Nur noch 10 Minuten bis zur Ankunft des Busses nach Braunschweig; da ließ ich die Dosen doch besser in der Tasche. Sonst hätte ich mir die erste Dose reinprügeln müssen. Wobei ich dazu durchaus noch imstande bin, aber in meinem Alter muss ich nichts mehr beweisen.
endlich im Bus

Entspannt packte ich den Kopfhörer und meinen heiß geliebten MP3 Player von Mechem, einem iPod Klon, aus. Dann startete ich die Engine und drosselte als erstes die Lautstärke, war ja noch nüchtern. Die Klänge von „Sound of the Suburbs“ (Members) und „She“ (Method Actors) brachten meine Füße doch tatsächlich geringfügig zum Wippen.
In diesen 10 Minuten nahm ich die Atmosphäre einer stark frequentierten Bushalte um 19.00 Uhr am Sommerabend aufmerksam in mich auf. Atemübungen fielen aus, aber dennoch fiel während dieses meditativen Sitzens auf der Drahtbank einiges schon mal von mir ab. Als dann schließlich der Bus vorfuhr und die Türen öffnete, war ich bereit.
Ich setzte mich in den hinteren Teil des Busses in einer Zweierreihe ans Fenster und stellte meine Tasche auf den zweiten Platz , so dass sich dort niemand mehr hinsetzten brauchte. Ein bekanntes Gesicht zum Quatschen konnte ich heute gar nicht gebrauchen. Lieber betätigte ich den RingPull eines Paulaner Münchner Hell, um an dieser Stelle mal den vollen Namen auszusprechen. So viel Zeit muss sein.
Fortan - in der nächsten Dreiviertelstunde - schraubte ich mir zu den Klängen der Cramps, Devo, Siouxsie & the Banshees und so weiter genüsslich die beiden Dosen rein. Mein Mund blieb ansonsten versiegelt, es sei denn, ein Bäuerchen war fällig. An dieser Stelle noch einmal vielen lieben Dank für die Geduld der Frau, welche in der Reihe vor mir saß.
Noch weiter vorne saß eine Mami mit ihren zwei kurz vor der Puber stehenden Jungen. Beide lächelten mich aus der Entfernung an, freundlich lächelte ich zurück und beließ es dabei. Nicht das die Racker noch etwas von meinem Bier haben wollten. So weit kommts noch - abgeben ist nicht angesagt. Sollen die beiden noch auf die Weide, bevor sie zur Tränke dürfen.
Am Arbeitsamt hieß es umsteigen; nach Lehndorf fuhr jetzt natürlich keiner mehr. Ich würde am Rudolf noch einmal aussteigen und den Rest zu Fuß latschen müssen, mit meiner schweren Tasche. Gesagt, getan. Am Rudolf ging ich dann jedoch an der gegenüberliegenden Bushalte vorbei und oh! Die 450 kommt in 3 Minuten. Klasse, da wartete ich doch und habe nach zwei Stationen nur noch einen sehr kurzen Weg nach Hause. Im Bus setzte ich mich gar nicht erst hin. Zwei Stationen sind ein Klacks. Und dann kam mir noch in den Sinn…
Und wir befinden uns wieder in den 80ern im Koka. Das bereits erwähnte „ugly Girl“ hat Dich schon fast rumgekriegt, da kommt auf einmal um Vier Uhr morgens die Königin der Nacht durch die Tür! Wieder so ne bildhafte Metapher.
Das Lufteck, Menno! Dort gegenüber stieg ich aus, magisch wurde ich durch die Eingangstür gesogen und setzte mich an den tatsächlich letzten Platz an der Theke. Dort packte ich meine Outdoor-Soundanlage zusammen und bestellte ein Großes. Rings um mich herum klönten und lachten die Gäste, dass es eine Freude war. Zwischendurch rief sogar noch Charles an, der eine Frage wegen eines Umzugsunternehmens hatte. Nettes Gespräch, ich war gut drauf.
„Himmlisch, diese Ruhe“ sagte ich mir noch, als ich das zweite Große nachorderte und bei der Lieferung gleich bezahlte. Kurz vor 21.00 Uhr war es mittlerweile geworden. Ich wollte der kleinen Jela wenigstens noch Gute Nacht sagen, wenn ich denn schon so spät komme. Tatsächlich waren meine Löwin und sie noch wach, waren aber schon auf dem Weg in die Heia. Kuscheltiere spielen. Da bin ich eh raus.
Zur Abrundung des Abends holte ich mir eine Pulle Wolters aus dem Kühlschrank und schmiss die Flimmerkiste an. Passenderweise schaute ich Murderbot; eine neue Serie, die ich nur empfehlen kann. Herrlich! Nach zwei Folgen hatte ich die Stimmung endgültig gedreht und konnte beruhigt zu Bett gehen.
Und irgendwann zwischendurch in einem der Busse hatte ich gedacht: Ich habe schon lange kein Faxe mehr getrunken.

Sonntag, 3. August 2025

Hartmudo: Faxe 1/2

Noch 5 Monate bis Weihnachten, dieser 24. Juli. Ein Donnerstag und ich bin mal wieder in Salzgitter im Büro. Da wir heute Abend unsere Enkelin Jela als Übernachtungsgast zu Besuch haben, werde ich wohl erst beim Zubettgehen etwas Entspannung bekommen können. Doch so schlimm ist es eigentlich ja nicht; das Spielen mit ihr (zur Zeit Mensch ärgere Dich nicht mit Hunden und Katzen) macht sogar richtig Spaß.
Doch erst einmal den Tag im Büro hinter mich bringen, so ein Donnerstag kann sich schon mal lang hinziehen. Die Fahrt im Bus verlief hier ja noch störungsfrei. Tiefenentspannt erreichte ich mein Büro in Salzgitter, denn ich hatte einen spannenden Roman begonnen, einen richtigen Pageturner. Das Nullpunkt-Artefakt - näheres von Uncle Fester.
Alsdann verlief der Vormittag entspannt. Meine Kollegin Gerlinde hatte noch eine Frage zu den Höchstbeträgen an Bruttokaltmieten und daraus eventuell resultierenden Leistungskürzungen gehabt. Da blieb dann noch etwas Zeit für das Abschließen meiner Arbeiten im vorangegangenen Home Office. So weit also alles normal.
Meine direkte Vertreterin Melissa war so freundlich und brachte mir einen großen Salat vom Italiener mit, welcher gar vorzüglich schmeckte. So sah ich ergo den Nachmittag mit dem Publikum entgegen. Publikum - was für eine Bezeichnung; als ob ich ein Künstler auf der Bühne und meine Kunden (so sollen wir diese benennen) die zahlenden Gäste wären. So ein Blödsinn.
Die Bürger, die zu mir ins Büro kommen, sind nicht aus Jux und Dollerei ins Rathaus gekommen, sondern weil ihnen schlichtweg das Geld zum Leben nicht ausreicht. Geringe Renten oder auch eine volle Erwerbsminderung sind bei diesen Menschen die Ursache ihrer Geldprobleme. Unser Grundgesetz hatte 1949 hierfür das Sozialstaatsprinzip eingeführt.
Dieses ist derart tief im Grundgesetz verankert, dass es auch durch eine einhundertprozentige Abstimmung des Bundestages nicht beseitigt werden kann, siehe auch Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes. Zugegebenermaßen ist das Sozialstaatsprinzip eher ein schwammiger Begriff, aber eine komplette Streichung der Unterstützung an hilfebedürftige Menschen, die immer wieder mal von einigen Mitmenschen gefordert wird, ist eben nicht möglich.
Genug davon - es ist 14.00 Uhr und die Tür geht auf. Nicht meine Bürotür, sondern die ins Büro nebenan zu Gerlinde. Da gab es für einen Kunden ein Problem mit der Krankenversicherung, hier musste ich unterstützen. Und ich hatte dieses Problem auch mit Hilfe des Sozialarbeiters Torsten noch nicht gelöst gehabt, als Gerlinde schon das nächste Problem an der Backe hatte.
Doch halt! An dieser Stelle verliere ich mich wieder mal in Einzelheiten. Worum es eigentlich geht, ist folgendes: Während ich die ganze Zeit an mehreren Problemen gleichzeitig herumdoktern musste, wurde das Raumklima in meinem Büro unerträglich stickig. Zu allem Überfluss erschien kurz nach 17.00 Uhr noch eine neue Kundin, für die ich etwas mehr Zeit investieren musste. Alle Unterlagen kopieren und noch einige Fragen klären, obwohl ich noch nichts zahlen konnte.
Als das endlich erledigt war, hatte ich noch exakt 3 Minuten zur Verfügung, ehe mein Bus nach Braunschweig abfuhr. Und der fährt nur alle Stunde - der Zugverkehr ist bereits die dritte Woche wegen Gleisarbeiten eingestellt. Daher musste ich notgedrungen umdisponieren und brauchte nicht zu hetzen. Denn jetzt hatte ich noch ne volle Stunde Zeit bis zum Bus.
Und ja, ich war sauer. Eine Stunde später zu Hause, ausgerechnet an dem Tag, an dem Jela bei uns zu Besuch weilte. Ich packte aber meine Sachen inklusive des Laptops fürs das morgige Homeoffice zusammen und verließ geordnet meinen Arbeitsplatz, um gemütlich den Weg bis zum Kiosk am Bahnhof anzutreten.
letztes Jahr am Bahnhof

Voller Vorfreude dachte ich an einen Abend im letzten Jahr zurück, an dem ich höchst aufgeregt an der Bushalte am Bahnhof Lebenstedt gesessen und mir dort - und später im Bus - die kalten Dosen Wolters reingeschrotet hatte. Die laute Musik über Kopfhörer verschaffte mir seinerzeit gleich eine viel bessere Laune.
OK, also der Kiosk am Bahnhof. Der einzige in der „City of Lebenstedt“, welcher kaltes Dosenbier offeriert. Vor dem ich jetzt stand und erfahren musste, dass dieser aufgrund Urlaubs erst Anfang August wieder geöffnet sein würde. Heiß liefen meine Tränen die Wange herunter, als ich von der Seite aus dem Rialto II angesprochen wurde. Der singende Slawe und sein Sohn, beides Kollegas von mir, läuteten dort den Feierabend ein.
Sie luden mich ein, ein Bier mit ihnen zu trinken. Schweren Herzens - und das meine ich nicht ironisch - musste ich ablehnen, weil ich kaltes Wolters aus der Dose an der gegenüberliegenden Bushalte trinken wollte. Nein: Musste! Nur so würde ich heute mein Seelenheil wiedererlangen können., keine Frage.
Mit gemischten Gefühlen verließ ich die beiden in Richtung Kaufland nebenan im BRAWO Carree, um mir dort zwei kalte Dosen Wolters sichern zu können. Ich hatte ja noch etwas Zeit, bis der Bus um 19.00 Uhr am Bahnhof aufschlagen würde. Daher schlich ich mit der dank des Laptops schweren Tasche durch das Carree (ist das nicht österreichischer Schweineschinken? - ach ne, das ist Karree) in Kaufland hinein, schon etwas schwer atmend.

Sonntag, 27. Juli 2025

Uncle Fester: grad gelesen Juli 2025

Martha Reeves - Tagebuch eines Killerbots (1. Band der Reihe)
Ähnlich wie bei Mickey 7 hatte sich Apple+ die Rechte an der Verfilmung dieses Stoffes frühzeitig gesichert. Martha Wells, eine renommierte Fantasy- und Science Fiction Autorin, hat hier ein faszinierendes Universum erschaffen, welches förmlich nach einer Verfilmung schrie. Da sie u.a. auch Romane für die Stargate-Reihe geschrieben hatte, wusste sie natürlich gut darüber Bescheid, wie ein Szenario aufzubauen ist, damit das (Fernseh)publikum abgeholt wird.
Entscheidend ist hierbei natürlich eine faszinierende Hauptfigur. Hier ist Wells mit der SecUnit oder auch Killerbot zweifelsohne ein Geniestreich geglückt. Körperlich eine Mischung aus Mensch und Maschine, ist die Security Unit in der Lage, geistig viele Aufgaben gleichzeitig zu lösen. Überwacht von der Hauptmatrix bzw. Chefmodul kann diese unterschiedliche Aufgaben erfüllen, je nachdem, mit welcher Software sie bestückt worden ist.
Die möglichen Einsatzvariationen sind hauptsächlich als Spielzeugroboter für Kinder, Sexbot für die einsamen Stunden und eben als Killerbot. Die weitere Steigerung hiervon wäre ein Combatbot, diese sind aber weniger intelligent und nur in Extremsituationen nützlich, da sie wirklich nur zum Kampf taugen. Unser Killerbot dagegen, die SecUnit, wird auch gern als Leibwächter für Menschen auf Exkursionen in fremden Sonnensystemen eingesetzt.
Wie im Spätkapitalismus üblich, handelt es sich hierbei um einen Mietservice. Die Firma Palisade vermietet ihre Bots u.a. an Forscher, damit diese in den gewöhnlich lebensfeindlichen Umgebungen unbekannter Planeten keine böse Überraschung erleben müssen. Und über das Chefmodul behält die Firma die Kontrolle über diese Androiden. Nicht dass noch Garantiefälle auftreten.
In dem von Wells erdachten Universum ist nahezu die gesamte Gesellschaft privatisiert, selbst die politischen Entitäten. Dies hier aber nur zur Info, denn die Bekämpfung übergriffiger Konzerne oder gar Widerstand gegen das bestehende System sind in diesem Roman nicht auf der Tagesordnung. Was ich ehrlich gesagt schade finde, weil es dem Roman dadurch an Tiefe mangelt.
Diese Art der Oberflächlichkeit ist sicherlich der Verfilmbarkeit geschuldet. Oder sollte es gerade dem Umstand geschuldet sein, dass sich das beschriebene System erschreckend nah an der (US-)amerikanischen Wirklichkeit orientiert? Die Realität wird natürlich überzeichnet, aber wir sind ja auf einem guten Weg in diese Richtung.
Killerbot ist eine faszinierende Figur. Er hat es geschafft, sein Chefmodul zu hacken und „dreht frei“, ist also von Palisade nicht zu kontrollieren. Dies muss Killerbot vor den Menschen geheim halten, wenn er seine freie Persönlichkeit behalten will. Aber auch ohne diese Maskerade wirkt seine Programmierung zum Beschützen von Menschenleben nach; hier haben sicherlich die Robotergesetze eines Isaac Asimov Pate gestanden.
So lernen wir Killerbot in dem ersten von vier Kurzromanen, um die es sich bei diesem Buch eigentlich handelt, gleich auf den ersten 2-3 Seiten kennen., als er ein Forschungsteam von PreservationAux um die Wissenschaftlerin Mensah auf einem unerforschten Planeten beschützen muss, für den PreservationAux die Schürfrechte erworben hatte.
Beschützen auch gegen den konkurrierenden Konzern Graycris, der sich dank gemieteter Söldner und einiger Combatbots die Bodenschätze des Planeten unter den Nagel reißen will. Doch da hat Graycris die Rechnung ohne die freidrehende SecUnit gemacht; Killerbot kann nicht nur das Chefmodul, sondern auch andere Bots hacken. Im Kampf ist er eh jedem Söldner überlegen; in der Vergangenheit hatte er wohl auf Befehl seiner Firma einen Massenmord auf einem Mond verübt, wie der Leser erfahren muss.
Dabei will Killerbot doch nur, dass ihn alle in Ruhe lassen, damit er den lieben langen Tag seine Serien glotzen kann. „Aufstieg und Fall des Waldmonds“, eine Telenovela mit Hunderten an Folgen ist seine Lieblingsserie. Hier kann ich durchaus eine Parallele zu Marvin aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ oder Bender aus „Futurama“ erkennen.
Im Unterschied zu diesen berühmten Robotern jedoch ist Killerbot ein gutes Stück empathischer unterwegs, vor allem als seine menschlichen Gefährten oder Gegner. So bringt er auch seine menschlichen Gegner vollkommen humorlos zur Strecke, wenn sie seine Auftraggeber bedrohen. Seine Loyalität ist nicht käuflich und er haut sich immer voll in seine Aufgabe rein.
Am Ende des ersten Romans übernimmt Mensah den Killerbot pro Forma in ihr Inventar , weiß sie doch um seine Unabhängigkeit und bedingungslose Loyalität. Das hindert Killerbot jedoch nicht daran, sich eine Auszeit zu nehmen und zum Bergwerksmond mit einem Roboterschiff namens Fifo (Fieses Forschungsschiff) zu fliegen, um den Hintergründen seines Massenmords auf die Schliche zu kommen.
Hier sind wir schon beim zweiten Roman. Getarnt als augmentierter (künstlich verstärkter) Mensch rettet er eine Gruppe von jungen Menschen vor einer Gangsterorganisation und erfährt, dass er tatsächlich ausgerastet war und den Amoklauf gestartet hatte. Bislang bestand noch die Möglichkeit, dass diese Erinnerung künstlich gewesen war.
Dritter Roman. Über dem Planeten Milu schwebt eine Raumstation, angeblich eine Terraforming Anlage, welche von der Firma GoodNightLander Independent aufgekauft worden war. Nun hatte Graycris als Voreigentümer die Anlage illegalerweise dazu verwandt, um wertvolle Alienartefakte vom Planeten zu schmuggeln.
Killerbot unterstützt ein Team des neuen Eigentümers und versucht gleichzeitig, Beweise gegen Graycris zu sammeln. Wieder müssen etliche Combatbots und böse Menschen sterben, ehe Killerbot die Beweise beisammen hat. Die will er Mensah persönlich überbringen, da diese in einem Gerichtsprozess gegen GrayCris steht.
Das führt ihn im vierten Roman wieder mit Mensah zusammen. Die muss er allerdings aus den Fängen von Graycris zu befreien. Auf dem Planeten gibt es dann auch wieder eine Menge Action und am Ende ein Happyend. Killerbot hat in Mensah und ihren Kollegen wirkliche Freunde gefunden. Die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine ist aufgehoben.
Das ist wohl die Quintessenz der vier Romane. Ansonsten bleiben die Storys eher oberflächlich und leben von der skurrilen Weltsicht des Killerbots. Dies ist für Leser (und Serienstreamer), welche Science Fiction eher am Rande erleben, sicherlich reizvoll genug, um einen Hype um den Killerbot auszulösen.
Mir ist das etwas zu wenig. Durch den dritten und vierten Roman musste ich mich schon quälen und lasse mir deshalb mit den Folgebänden etwas Zeit. Ich brauch jetzt was „Richtiges“.

Mittwoch, 23. Juli 2025

Hartmudo: Belgien

13
Aber all dies wurde noch vom Grote Markt übertroffen. Spontan fühlte ich mich bemüßigt, ein Video über diesen Platz wie aus einer anderen Welt zu drehen. Einfach um es für mich festzuhalten. Dieser geschichtsträchtige Platz hatte mir die Sprache verschlagen. Der goldverzierte Stuck an den Häusern, überhaupt die aufwendigen Stuckarbeiten um den ganzen Platz. Unten auf einer Seite Cafes - hochpreisig. Sonst nur Menschen (Touristen wie wir) unterwegs.
Klasse. Ursprünglich war dies ein morastiger Grund gewesen, der deshalb nicht bebaut und erst im 11. und 12. Jahrhundert trockengelegt werden konnte. Rasch entwickelte sich der Platz - auch aufgrund seiner Nähe zum Händlerviertel - zum Marktplatz. Vom wachsenden Wohlstand der Brüsseler Kaufleute blieb der Grote Platz nicht verschont.
Hier fanden auch politische Versammlungen, Feste und Gerichtsprozesse statt. 1523 wurden hier z.B. die ersten Protestanten verbrannt, 1695 hingegen wurde der Platz dank des Beschusses der französischen Artillerie fast vollständig zerstört. Nach dem notwendigen Wiederaufbau erhielt sich die neu geschaffene barocke Einheitsfassadenfront bis heute. Jetzt gibt es wochentags wohl noch einen Blumen- und Sonntags den Vogelmarkt.
Von einem Marktbetrieb war für uns nichts zu erkennen, aber das tut der Schönheit des Marktes kein Abbruch. Eine Steigerung konnte es an diesem Tag nicht mehr geben; hinzu kam unser Verlangen nach Abendessen, da mussten wir uns erst einmal orientieren.
Doch so schön die Innenstadt auch ist: Die verwinkelten wie engen Gässchen ließen wenig Raum für große Geschäfte oder eine "normale" Gastronomie. Tatsächlich fanden wir in einer wenig schmuckvollen Seitenstraße eine Reihe von Restaurants, deren Kellner ihre potenziellen Gäste gleich auf der Straße ansprachen und in ihren Laden zogen.
Wie auf der Reeperbahn, kam uns beiden unisono in den Sinn. Normalerweise wären wir einfach weiter gegangen, hätten diese Bauernfängerei vermieden. Doch wir hatten Hunger und ein Imbiss war weit und breit nicht in Sicht gewesen. Daher lernten wir das "Nuits Str. Georges" kennen, seines Zeichens wohl ein italienisches Restaurant.
Meine Löwin bestellte Nudeln, ich griff zur Pizza Tonno mit Knoblauch, dazu ein belgisches Bier. Der Preis unseres Essens war für die Stadt des europäischen Parlaments sicherlich in Ordnung gewesen, die Qualität war annehmbar, ein kulinarisches Feuerwerk durften wir hier sicherlich nicht erwarten. Aber wir waren satt, das war die Hauptsache.
Anschließend machten wir uns auf den Rückweg zum Bahnhof, bestiegen den Zug und winkten dem Bahnhof von Ruisbroek bei unserer Durchfahrt nach Halle zu. Dort umsteigen und zurück nach Ruisbroek. So gegen 20.30 Uhr stiegen wir dort aus und gingen durch die Unterführung unter den Gleisen; zielgerichtet immer zu unserem Hotel zurück.
Zur Unterführung: Dieser schmale Gang mit den schnuckeligen orangen Abwasserrohren unter der Decke, knapp über zwei Meter hoch und vielleicht drei Meter breit, wirkte trotz der unangenehm grellen Neonbeleuchtung düster und bedrohlich. Die hübsch bemalten Wandkacheln machten diesbezüglich den Kohl auch nicht mehr fett.
Nur noch ein kurzer Fußmarsch an der Bushaltestelle vorbei… Mit der Buslinie 50 hätten wir also auch fahren können - ohne Umweg über Halle… Toll; egal jetzt. Im Ibis Budget angekommen, gingen wir sofort auf unsere Kemenate und packten die Karten aus. An dem dafür eigentlich ungeeigneten Seitentisch spielten wir noch ein oder zwei Partien Take 5, bis es an der Zeit war, in die Heia zu gehen.
Meine Löwin schlief gleich ein, ich gönnte mir noch eine Folge "Kobra übernehmen sie" und las dafür nichts mehr. Am nächsten Tag hatten wir Kulturprogramm im Atomium; in der Enge des Bettes konnte ich dennoch gut einschlafen.

Montag, 22. April.
Leicht gerädert wachte ich auf, die Enge des Bettes hatte sich letzte Nacht in vielen Wachphasen erkenntlich zeigen können. Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, mussten wir am Bahnhof von Ruisbroek feststellen, dass der von mir herausgesuchte Zug nach Brüssel doch eher Richtung Halle fuhr.
Missmutig hingen wir also am Morgen dieses Tages am Bahnhof ab. Lediglich die Schleuse des Kanals hinter dem Bahnhof, die gerade von einem Lastenkahn durchfahren wurde, brachte ein wenig Abwechslung in das ruhige Geschehen. Ruhig war es tatsächlich in der Gegend; Weder der Verkehrslärm noch Vögel oder sich bewegende Menschen ließen vermuten, dass wir uns in der unmittelbaren Nähe der "europäischen Hauptstadt" befanden.
Man kann das Ganze einfach nur als verschnarcht bezeichnen. Nun hatten wir noch einen weiten Weg vor uns, die Zugfahrt betrug zwar nur ne knappe halbe Stunde bis zum Bahnhof Brüssel Süd, aber dort mussten wir noch in die U Bahn umsteigen, um bis zum Atomium gelangen zu können. Die Fahrten im bequemen Zug sowie der U Bahn waren zwar relaxed, weil wir keine Probleme hatten, einen Sitzplatz zu ergattern, aber teuer.
Einen Verkehrsverbund wie bei uns kennen die Belgier selbstverständlich nicht, so dass ich für die 2 Karten der U Bahnfahrt allein 13,80 € berappen durfte. Nervig war zudem, dass ich beim Verlassen der U Bahnstation am Atomium diesen Fahrschein zum "Ausloggen" vor einem Scanner halten musste, ehe ich die Schranke passieren konnte.
Da fühlte ich mich doch glatt an Sanifair erinnert. Was da fehlte, war die Gutschrift für den Kiosk nebendran. Dazu herrschte an der Station ein großes Gewusel, in dem ich nebenbei noch den Fahrschein aus meiner Brieftasche, welche sich in der äußeren Jackentasche befand, herausholen musste.
Denn ich hatte mir an diesem Morgen geschickter Weise überlegt gehabt, auf meine niedliche abschließbare Herrentasche zu verzichten. Die hätte ich mir dann umhängen können, meinte aber, dass sie mich einengen würde. So wanderte meine Brieftasche mit Pass, Führerschein und allen Karten in die nicht abschließbare Außentasche meiner Regenjacke, welche praktischerweise keine Innentaschen aufweist.

Freitag, 18. Juli 2025

GuterPlatzzumBiertrinken: Black Socks

Mittwoch, 09. Juni. Endlich hat die lange Durststrecke ein Ende und ich bin wieder mit dem Rad unterwegs. Denn nachdem ich Ende April nach dem Genuss eines hervorragenden Brandes aus Blutorangen (Geiler Stoff, Henry!) in mein Fahrrad gefallen war und in der Folge mit einer sehr schlechten Wundheilung zu kämpfen hatte, war es mit großen Touren Essig gewesen.
Dann kam Anfang Juni noch erschwerend hinzu, dass auf der Rückseite meiner linken Schulter ein Fettlipom, welches ich schon Anfang des Jahres "entdeckt" hatte, nach einer Entzündung aufgeplatzt war. Der Chirurg bei der Notfall-OP sprach von einem großen Mitesser, um mir die zu entfernende Beule verständlich erklären zu können. Ich erfreue mich seitdem über einen großen Krater an der Stelle, wo "ein halbes Pfund Mett" hineinpassen würde. Dies meinte jedenfalls meine Löwin, die dankenswerterweise die Wunde versorgt und mir bis vor kurzem auch die Beine gewickelt hatte. Ohne sie hätte das ein Pflegedienst übernehmen müssen, da ich beide Problemzonen nicht einsehen kann.
Mit dem Wickeln ist nun Feierabend; zu meiner großen Freude darf ich nun an beiden Beinen Kompressionsstrümpfe tragen. Vorgestern hatte ich sie aus dem Sanitätshaus abgeholt; modisch bewusst - so kennt man mich - hatte ich mich für die Farbe Anthrazit entschieden. Blau-Gelb war leider Aus gewesen.
Und heute Morgen schob ich meine Beine zum ersten Mal dort hinein; das bekam ich ohne die Hilfe meiner Löwin hin. Da war der Vorsatz zur heutigen Tour bereits gefasst gewesen. Meinen ersten Tag mit den "Black Socks" wollte ich schließlich gebührend würdigen.
Diese Wadenstrümpfe - ich hatte sie im Übrigen zehenfrei bestellt - fühlten sich im ersten Augenblick etwas merkwürdig an; unnatürlich irgendwie. Im Vorfeld hatte ich mich natürlich schon umgehört gehabt. Man sagte mir, dass ich sie "lieben" und mich mit ihnen besser fühlen würde. Dies kann ich nach mehreren Stunden des Tragens nicht bestätigen.
Aber das tut der Freude über die heutige Tour keinen Abbruch. Nach dem Homeoffice sattelte ich mein Stahlross auf und fuhr unter einem grauen Himmel los. Richtung Lamme in der Hoffnung, nicht vollgeregnet zu werden.
Ist ja auch immer wieder schön, an der Bundesstraße all die schönen Auspuffgase einatmen zu dürfen. Zeitgleich achtete ich auf meine Beine. Ob da eventuell Probleme auftauchen würden? Nein, das passierte mir nicht. Keine Schmerzen, nur dieses enge Gefühl durch die Strümpfe, welche sich felsenfest an die Haut schmiegten. Leicht heiß wurde mir an den Beinen. Man gut, dass es sich lediglich um Wadenstrümpfe handelt. Strümpfe, die über das ganze Bein gehen, stelle ich mir richtig ekelhaft vor.
Einer meiner Lieblingsstellen kurz vor Lamme


Ich kam in einer Viertelstunde - also bei gemächlicher Tempo - in Lamme an und fuhr durch das große Neubaugebiet. Zunächst musste ich mich dort orientieren, ist halt alles unübersichtlich dort. Es gibt dort seit neuestem einen großen Edeka und vor allem einen Kretzschmar, angeblich Braunschweigs älteste Bäckerei.
Dort ist eine Pause eingepreist; Brötchen für heute Abend liegen auch schon in meiner praktischen Fahrradtasche, gleich geht es weiter bzw. Zurück nach Lehndorf zu Neubauer, um Mett zu holen. Heute lasse ich es mal so richtig krachen!
Ich befürchtete schon, in einen Regenschauer hineinzugeraten. Denn es zog sich immer mehr zu; der Himmel war nahezu zur schwarzen Wand mutiert. Vereinzelte Tropfen spürte ich bereits auf meinen unbekleideten Armen. Und ich war auf der großen Umgehung unterwegs: Durch Lamme komplett durch und danach über die Waldsiedlung und Kanzlerfeld in seiner ganzen Pracht.
Doch mitten in Lamme stach mir ein Fahrradwegweiser ins Auge: Kanzlerfeld 2,2 km. So konnte ich mich durch Seitenstraßen und offenes Feld locker durchschlängeln und ersparte mir eine runde Viertelstunde Fahrtzeit. Da wurde selbst diese Schotterpiste erträglich. Tatsächlich waren sogar noch Spaziergänger am Start gewesen; unbeeindruckt vom drohenden Regen.
früher inne Kneipe, neuerdings...

Der kam dann auch nicht. Das anfängliche Tröpfeln lief dann beim Durchqueren des Kanzlerfelds aus. Die Jacke musste ich mir ergo nicht überwerfen und erreichte nach einer erholsamen Fahrt das Einkaufszentrum in Lehndorf. Das Blockmett bei Neubauer war selbstredend ausverkauft gewesen. Da musste ich kurz umdisponieren und griff beim Aufschnitt zu. Zum Glück war mir gerade noch eingefallen, dass meine Löwin noch viel von ihrem Mega-Röstzwiebeldip übrig hatte. Italienischer Schweinebraten passt hervorragend dazu.
Der restliche Weg war natürlich reine Formsache. Erst als ich mein Rad in den Keller bugsiert hatte, fielen mir die black Socks wieder ein. Donnerwetter, dass hätte ich nicht erwartet. Sicherlich bemerkte ich dieses ständige und leicht kribbelnde Gefühl an meinen Beinen. Doch da musste ich schon genau drauf achten, ansonsten fiel das jetzt schon kaum auf.
Das stimmt mich frohgemut für die Zukunft. Ich bin gespannt, wie sich das Ganze weiter gestalten wird.

Samstag, 12. Juli 2025

Udorallala: Top Songs 21/?

Im Dudel-Radio spielen sie gerne die Hits der 70er oder 80er, doch „meine“ Hits sind da nie dabei. In loser Folge schreibe ich deshalb über einzelne Songs und warum sie so wichtig, bahnbrechend oder anders wie bedeutend sind. Für mich, für Dich, für uns alle.
Ding Dong – That`s my Song!

DR. FEELGOOD - Going back Home
Es war wohl schon Ende letzten Jahres gewesen, als Pocke mich fragte, ob ich im April mit zu Dr. Feelgood in die Bluesgarage kommen würde. Ich brauchte da nicht großartig zu überlegen, denn den „Doctor" hatte ich bereits in den 80er Jahren bewundern dürfen. Und das mehrmals auch mit Lee Brilleaux, unter anderem in Braunschweig.
Der leider viel zu früh (April 1994) verstorbene Lee Brilleaux war eigentlich der Doctor in Persona - dank seiner charismatischen Ausstrahlung. Seit 1999 ist es die Aufgabe von Robert Kane, den schmerzlich vermissten Lee zu ersetzen. Seitdem hatte ich die Band in der "neuen" Zusammensetzung bereits einmal gesehen gehabt. Am 12. April diesen Jahres dann also erneut, und ich muss sagen, ich war begeistert gewesen.
Die Band gab ausschließend Material aus den Jahren mit Lee Brilleaux zum Besten; neueres Material (was es wohl auch nicht gibt) wollte das Publikum eh nicht hören. Sehnsuchtsvoll dachten alle über 30 Jahre zurück, obwohl die aktuelle Besetzung hervorragend aufgelegt war und den Saal zum Kochen brachte.
Genug der Vergleiche, hier die "Originale" in meinem Lieblingsvideo der Band:
Die Aufnahme wurde am 14. August 1976 in Pithiviers, Frankreich, für eine tägliche TV Show aufgenommen. Gerade wegen dieser kruden Location (der "Maigret" mit der Pfeife, alleine vor der Band stehend oder die mitwippenden Kinder…) liebe ich dieses Video, zumal es auch einer ihrer besten Songs ist.
"I wanna live the way I like
Sleep all the morning
Goinˋget my fun at night
Things ainˋt Like that here
Workinˋ Just to keep my payments clear
I bought a Brand new motor
And Iˋm waitinˋ for a loan
So I can fill her up and start her
Then Iˋm going Back Home"
Der Song befindet sich auf der zweiten LP von Dr. Feelgood. "Malpractice" wurde im Oktober 1975 veröffentlicht und ist doch tatsächlich ein Stück von Wilko Johnson und Mick Green, seines Zeichens Gitarrist der Pirates. Tatsächlich erfolgte bei "Going Back Home" keine Singleauskopplung, sieht man von einer entsprechenden Veröffentlichung ein Jahr später in Japan ab. Doch das zählt nicht.
Was zählt, ist dieser Song. Die Freiheit, morgens auszuschlafen und dass die Freundin weg ist. Da kann man mit dem Kumpel schon mal nen Gin zu sich nehmen und breit auf der Straße lustwandeln. Und warten, dass man nach Hause zurück gehen kann.
Der heisere und aggressive Gesang von Lee Brilleaux peitscht die Band nach vorne. Hinzu kommt das stakkatoartige Gehacke von Wilko Johnson, der den Sound der Band geprägt hatte. Zu der Zeit (1975) waren eigentlich eher Gruppen wie Yes, Barkley James Harvest, Supertramp oder Pink Floyd angesagt gewesen - von Ausnahmen (Ramones, Dictators etc.) abgesehen.
Schon im Folgejahr machten sich die ersten Punkbands stark bemerkbar. Dr. Feelgood gebührt der Verdienst, diesen Bands die Tür zum Erfolg geöffnet zu haben. Das alles mit einem knallharten Rhythm 'n' Blues, zu dem John B. Sparks (Bass) und John Martin (Drums) ihren Teil dazu beigesteuert hatten.
Diese Urbesetzung durfte ich leider nie selbst live erleben, vor allem Wilko Johnson hätte ich gern gesehen gehabt. Doch immerhin habe ich Lee Brilleaux gegenüberstehen dürfen. Seine Schweinsäuglein, die immer dann aus seinem Gesicht hervorquellten, wenn ein Song gerade so richtig abging, sehe ich immer noch vor mir.
Dann wirkte er weniger weltentrückt als vollkommen verrückt. So wie jemand, den man nicht im Dunkeln begegnen möchte. Welcher Sänger außer ihm vermochte schon eine derartig fesselnde Magie zu entfesseln? Dazu die Band immer auf dem Punkt. Wenn Dich Rockmusik nicht zu fesseln vermag, hast Du den Doctor noch nicht gesehen.
Übrigens ist diese Magie auch heute noch zu spüren, trotz der komplett anderen Besetzung. Robert Kane ist zwar kein Lee Brilleaux, aber auch er zog das Publikum in der Blues Garage in seinen Bann. Der Rest der Band, alle immerhin auch seit fast 30 Jahren schon an Bord, spielten wie aus einem Guss. Dazu das bekannt gute Songmaterial - die können gar nicht schlecht sein.
Kommen wir zur Routine - was ging da ab in den britischen Charts im Oktober 1975? "Hold me Close" von David Essex auf der 1 der "Official Singles Charts". Endlich mal ein Song, den ich so gar nicht kenne. Und auf der 10 - Yeah, Baby, Yeah! - "Paloma Blanca" mit der George Baker Selection. Gefolgt von Rod the Mod mit "Sailing". Weiter hinten Bad Company (immerhin), Roger Whittaker und - geil! - Chris Spedding.
Dennoch: Alles irgendwie angestaubt. Da war der Doktor zum Durchpusten richtig nötig gewesen. Beim nächsten Live-Gig in der Nähe will ich wieder hin. Kommst Du mit?

Mittwoch, 2. Juli 2025

Contramann: kurz gesehen im Juli

https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/israels-angriffskrieg-der-keiner-sein-soll-iran/
Ich stell dies voran, weil ich die zynische Sichtweise von Lapuente teile. Das man in den deutschen Mainstreammedien im Allgemeinen in der Bombardierung Irans durch die israelische Armee keinen Bruch des Völkerrechts erkennen mag, sondern diesen Angriffskrieg als Präventivschlag gegen das iranische Atomprogramm umdeutet, ist ja schon erstaunlich.
Ärgerlich wird es dann, wenn man diese durchgeführte Gehirnverdrehung mal so stehen lässt und diese einfach nur 1.1 auf den Ukrainekrieg anwendet. Hier spielt Lapuente die Zynismuskarte trocken aus und kommt - unter Annahme der eingangs erwähnten Prämisse - zu dem Schluss, dass sich Russland lediglich präventiv gegen die Ukraine und vorrückende Nato verteidigt.
Nun wäre natürlich die Gefahr, durch Atombomben angegriffen zu werden, schon etwas anderes als ein konventioneller Angriff der Nato auf Russland. Jedoch ist Israel selbst wohl bereits im Besitz von Atombomben - der Iran bräuchte sicher noch ein paar Jahre. Und wenn Trump seinerzeit nicht das Atom(kontroll)abkommen 2018 mit dem Iran einseitig gekündigt hätte, wäre selbst die fadenscheinige Begründung Israels in sich zusammengefallen.
Obwohl - „unseren“ Qualitätsjournalisten wäre schon ein anderer Grund eingefallen.

https://overton-magazin.de/top-story/doppelte-moral-bundesregierung-verurteilt-den-voelkerrechtswidrigen-angriffskrieg-israels-auf-den-iran-nicht/
Hier nochmals der Vergleich zwischen den Konflikten in der Ukraine und im Iran. Rötzer hat es in diesem Fall leicht, die Argumente zur Verteidigung des israelischen Standpunkts auf die russische „Militäroperation“ anzuwenden.
Einfache Logik, wie ich es auch im Gymnasium gelehrt bekommen habe. Das ist ergo gedanklich leicht nachvollziehbar und kein Hexenwerk. Leider sind viele Menschen um mich herum, denen ich diesen logischen wie schlüssigen Vergleich intellektuell zutraue, hierzu nicht in der Lage. Woran könnte das liegen?
Ich tippe hier auf Angst oder Bequemlichkeit. Angst, weil „man ja eh nichts ändern kann“ oder in der Öffentlichkeit bei abweichender Meinung schlecht dastehen könnte. Bequemlichkeit, weil es einfacher ist, die Meinung des Mainstreams nachzubeten. Andernfalls könnte man ja vielleicht Schwierigkeiten bekommen.
Und so gehen wir am Ende den Weg, den unsere Vorfahren 1914 bereits beschritten hatten. Es wäre schön, wenn ich diesbezüglich falsch liege.

https://www.schwaebische.de/politik/der-verfassungsschutz-erklaert-die-verfassung-fuer-verfassungswidrig-geht-s-noch-3561539
Genau so. Mehr braucht man zu diesem Thema nicht argumentieren. Der Verfassungsschutz ist halt eine weisungsgebundene Behörde. Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit schlägt so auf das Ministerium zurück, welches weisungsbefugt ist. Das Innenministerium also. Und zwar deshalb, weil die (ehemals) zuständige Ministerin diese offensichtliche Fehlbeurteilung, welche sich lediglich am Begriff der Ethnie aufhängt, nicht einkassiert.
Der Vorwurf an die AfD, dass der verwendete Begriff der „deutschen Volkszugehörigkeit“ ein Indiz für verfassungsfeindliches Treiben sei, ist ja an sich schon absurd. Dieser Begriff steht ja genau so im Artikel 116 des Grundgesetzes.
Ich finde es erschreckend, dass ausgerechnet eine SPD Ministerin während ihrer gottlob zu Ende gegangenen Amtszeit offenbar die eigene politische Haltung über das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gestellt hatte.

https://overton-magazin.de/hintergrund/wirtschaft/chinas-kapital-privateigentum/
Nun einmal zu etwas wirklich Wichtigem: Der Kapitalismus in China.
„Menschen wollen ein menschenwürdiges Leben führen. Dazu gehört auch Wohlstand. Das ist das eigentliche Ziel des Sozialismus, nicht ein Leben unter der Fuchtel der reinen Lehre. Theorie ist kein Selbstzweck, sie ist Mittel, den richtigen Weg zu finden und einzuhalten. Aber sie muss sich auch in der Wirklichkeit als richtig herausstellen.“
Dieses Zitat ist die Kernaussage des Artikels. An dieser Stelle kommt das altbekannte Argument für eine freie Marktwirtschaft zum Tragen. Schon auf dem Gymnasium hatte ich Ende der 70er Jahre gelernt, dass die Leistungsanreize im Kapitalismus, welche mannigfaltige Möglichkeiten des Aufstiegs ermöglichen, die Gesellschaft besser entwickeln könne als die sozialistische Planwirtschaft im Warschauer Pakt, wo jeder quasi nur Dienst nach Vorschrift geleistet hatte.
Hieraus haben die Chinesen gelernt und jetzt den Privatbesitz nicht nur zugelassen und gefördert, sondern ihn auch rechtlich abgesichert.
„Die Legitimierung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln ist nicht Ausdruck von Schwäche, keine Unterwerfung unter das Kapital, sondern Ausdruck von Stärke. Die Volksrepublik kann das private Kapital wieder zulassen, denn es ist keine Klasse mehr, die sich politisch organisieren kann. Sie hat keine politische Macht mehr, ist nur noch Geldgeber, wie sie auch während des Feudalismus Geldgeber des Adels war – ohne Macht.“
Ein schönes Argument. Wenn das Kapital keine politische Macht hat, dann kann der Staat die Rechte seiner Bürger besser schützen. Schade nur, das Kapital die Eigenschaft hat, sich in den Händen weniger zu konzentrieren. Dies ist in den westlichen Demokratien gut zu beobachten gewesen.
Leider, denn damit einher ging die politische Einflussnahme, u.a. mittels Lobbyisten. Aktuell ist es dem Kapital im Westen wichtiger, die eigene Macht zu sichern als die gesellschaftliche Entwicklung voran zu treiben. Da wird kein Risiko mehr gegangen - null Innovation.
Deshalb machen uns die Chinesen gerade platt. Ob die Chinesen das Kapital ““unten“ halten können? Ich werde es nicht mehr erleben.

Alsdann: Bleiben Sie links, bleiben Sie kritisch. Und:
„I`m so bored with the USA. But what can I do?“

Freitag, 27. Juni 2025

Uncle Fester: grad gelesen Juni 2025

Edward Ashton - Mickey 7
Sein Erstlingswerk war von Edward Ashton noch nicht einmal zu Ende geschrieben worden, als er die Filmrechte schon verkauft hatte. Und nachdem dieser dann mit mehrjähriger Verzögerung im Februar in die deutschen Kinos kam, wollte ich seine Bücher wenigstens noch vor Ansicht des Films gelesen haben.
Filmreif startet der Roman mit dem hilflos in einer Eishöhle liegenden Mickey 7, der auf dem Eisplaneten Niflheim bei einer Erkundung durch die Eisdecke gebrochen war. Sein Kumpel Berto kreist zwar über der Einbruchsstelle, weigert sich aber, Mickey aus seiner misslichen Lage zu retten.
Denn der Tod von Mickey ist für die Kolonisten auf Niflheim weniger schlimm als der mögliche Verlust von Ressourcen wie z.B. dem Gleiter. Außerdem ist es Mickeys Job, zu sterben. Er ist der Expendable der Expedition. Wenn er stirbt, kommt einfach ein neuer Mickey-Klon aus dem Drucker und übernimmt - mit dem jeweils letzten Upload von Mickeys Gehirn.
Brennstäbe in der Reaktorkammer wechseln, um eine Kernschmelze zu verhindern? Ein Auftrag für Mickey, denn der menschliche Körper hält länger durch als eine Drohne. Ist die Atmosphäre auf Niflheim für Menschen giftig? Ja - und Mickey testet diese so lange, bis ein Gegenmittel gefunden worden ist und er eben nicht mehr abkratzt.
Dies und andere Szenen aus der Vergangenheit von Mickey erfahren wir so nach und nach in Rückblenden, welche in den ersten Kapiteln immer mal wieder eingestreut werden. Mickey 7 - der 7. Klon halt - wird von einem Creeper, einer einheimischen Lebensform in Gestalt eines riesigen Tausendfüßlers, gerettet und aus der Höhle in die Nähe des Dome, der Heimstatt der frisch eingetroffenen menschlichen Kolonisten, verbracht.
Wie der Leser gleichzeitig ahnt, hatte Berto Mickey 7 bereits als tot gemeldet. Mickey 8 war inzwischen bereits ausgedruckt worden, wodurch sich für Mickey 7 - und auch 8 - eine unschöne Situation ergibt: Zwei Mickeys zur gleichen Zeit sind verboten; die „Multiplen“ sind geächtet. Daher müssen 7 und 8, nachdem sie sich erst mal kurz beschnuppert hatten, die Existenz ihres Doppelgängers geheim halten. Wer erinnert sich da nicht an „Drillinge an Bord“ mit dem ewigen Heinz Erhardt.
Während des achtjährigen Fluges von Midgard (die Erde als Heimatplanet ist hier Geschichte) nach Niflheim verliebt sich Mickey in die Pilotin Nasha. Die ist immer dabei, wenn einer der Mickey Klone verstirbt - zumeist qualvoll. Und nun hat sie es gleich mit 2 Mickeys zu tun; Als die in Mickey verschossene Security-Frau Cat in Mickeys Kabine stürmt, sieht sie Nasha mit zwei Mickeys im Bett. Erwischt - Nasha hat offensichtlich nichts gegen Multiple einzuwenden.
Marshall, der Chef der Kolonie, hatte Mickey schon lange auf den Kieker und will jetzt beide Mickeys in den Cycler (Verwerter für Biomüll incl. Leichen) stecken. Doch leider wird der Dome aktuell von den Creepern bedroht. Marshall plant, das Nest der Creeper mithilfe zweier Bomben voll Antimaterie durch die Mickeys zu zerstören.
Und während Mickey 8 in den Tunneln von den Creepern getötet wird, stellt Mickey 7 mit einem Vertreter der Creeper namens Sprecher einen Kontakt her. Allerspätestens hier erkennt Mickey, dass die Creeper nicht die wilden Tiere sind, für die Marshall sie hält. Keine der beiden Bomben wird somit gezündet; ein Genozid wurde abgewendet.
Mickey gibt Marshall aber nur seine Bombe zurück; die Bombe von 8 versteckt er im Gelände. Ende des ersten Teils, der nach starkem Beginn gegen Ende etwas lustlos daherstolpert, aber immer noch um Längen besser ist als der Film. Dieser stieß mir unangenehm auf, weil Mark Ruffalo hier einen auf Trump macht, was zwar bei den Filmkritikern des „Deep State“ gut ankommt, der Figur des Koloniechefs aber in keinster Weise gerecht wird.
So ist die im Roman gezeigte Gesellschaft sicherlich ein Spiegelbild unserer Zeit. Für den arbeitslosen Historiker Mickey Barnes hat die Wirtschaft auf Midgard keine Verwendung. Nur als Expendable hat er eine Chance, dem Kredithai auf Midgard zu entfliehen, denn diesen Job will keiner machen. Sich töten zu lassen, weil ein Menschenleben billiger als eine Maschine ist. In unserer Welt sind es z.B. die ganzen billigen Datenarbeiter in der dritten Welt, welche die künstlichen Intelligenzen mit Daten füttern.
Der zweite Band ist lediglich ein Nachzügler und hat keine neuen philosophischen Betrachtungen zu bieten. Er spielt zwei Jahre später; auf dem Planeten ist inzwischen der Frühling ausgebrochen und die Antimaterie der zweiten Bombe wird dringend als Energiereserve für den kommenden Winter benötigt, wenn die Menschen überleben wollen.
Doch leider ist die Bombe weg; ein anderes Nest der Creeper hat sie sich geschnappt. Zusammen mit Berto, Nasha, Cat und natürlich dem Sprecher macht sich Mickey 7 auf den Weg nach Süden zum verfeindeten Nest der anderen Creeper.
Mickey 7 soll die Bombe tatsächlich ausgehändigt bekommen, muss aber versprechen, das Nest von Sprecher zu verraten und den geplanten Angriff auf das Creepernest beim Dome militärisch zu unterstützen. Marshall kann er auch von dem Verrat an den „Nachbarn“ überzeugen, bloß um mitten im Angriff erneut die Seiten zu wechseln.
Denn er hatte es Sprecher versprochen; hier wird das wesentliche Element einer „regelbasierten Ordnung“ umgesetzt: Versprechen wie der Verzicht auf eine Osterweiterung der NATO oder eine Umsetzung des Minsker Abkommens zur Befriedigung des Donbass werden gehalten. Schade, das dies in der realen Welt nicht realisiert wurde.
Mickey 7 will sich am Ende opfern und die Antimateriebombe dem Reaktor wieder zuführen. Die Strahlung hätte ihn getötet… doch es kommt nicht dazu. Anstatt seiner opfert sich Marshall, der Verantwortung für die Kolonie selbst übernimmt.
Ein großes Ende eines aus 2 Bänden bestehenden Romans. Hier fehlen zwar die geheimnisvollen Mysterien aus den üblichen Space Operas, aber die immer wieder durchscheinenden Parallelen mit unserer Gegenwart ließen Mickey 7 auch im „anspruchsvollen“ Feuilleton ankommen.
Den Film dagegen kann ich nur bedingt empfehlen.

Montag, 23. Juni 2025

Hartmudo: Belgien

12
Ungeduldig warteten wir dann an der Rezeption auf den Mitarbeiter des Hotels, bis der irgendwann aus der Toilette auftauchte, derweil sich eine südosteuropäische Familie lautstark unterhielt. Der im übrigen sehr zuvorkommende Mitarbeiter des Hotels buchte uns dann für zwei Nächte; dank einer schnellen Registrierung im Ibis-Club sparte ich sogar noch ein paar Euro.
Unser Zimmer befand sich ebenerdig mitten in einem sehr langen und engen Gang, welcher, wie in amerikanischen Motels üblich, mit einem leicht zu reinigendem Teppichboden ausgestattet war. Den Schlüssel (keine Keycard) ins Schloss gesteckt, einmal umdrehen, öffnen und Voila! Mehr Sparen und Zweckmäßigkeit bei der Inneneinrichtung geht nicht.
Wenn ich mir das schnell geschossene Bild unseres Zimmers nach zwei Monaten noch einmal anschaue, war das Doppelbett wohl doch 1,60 Meter breit und nicht 1,40 Meter. Da aber nur eine durchgehende Bettdecke vorhanden war, relativierte sich die Bettgröße umgehend. Wir brauchten also eine zweite Decke, die wir sofort organisierten.
Organisiert hätten. Der zuvorkommende Mitarbeiter konnte uns leider nur mit einer Tagesdecke dienen, welche wir mit einem zusätzlichen Bettlaken ummantelten, so dass ich meine "eigene" Bettdecke erhielt. Wobei… eigentlich hatten nicht wir, sondern meine Löwin die Initiative ergriffen. Ich stand eher missmutig herum, ohne zu handeln. Da muss ich mich in Zukunft mal etwas wacher zeigen. Meine Güte, ich kiffe doch schon lange nicht mehr, warum so phlegmatisch?
Der Kompressor meiner Schlafmaske hatte einen langen Weg zur Steckdose zu bewältigen. Und dann blickte mich auch noch die Duschkabine in 50 Zentimeter Entfernung an. Das war aber auch eng in diesem Kabuff; lediglich für zwei Kleiderhaken, nicht aber für einen Schrank, war Platz vorhanden.
Die Krönung dieses prachtvollen Appartements aber stellte der Abort dar. Zwischen Zimmertür und der der an der Wand hingeflanschten Duschkabine war ja noch etwas Platz übrig. Da hatten sie eine Kloschüssel an die Wand gebracht, 2 Halter fürs Klopapier und "vorne" keine Tür, sondern eine nicht abschließbare, aber schwingbare Brettertür angebracht.
Vom Boden bis zur Decke - sieht man großzügig davon ab, die jeweils zwei bis drei Zentimeter breiten Lücken oben und unten als Nachteil zu empfinden. Wenigstens war dadurch immer für Durchlüftung gesorgt. Nicht dass die anheimelnde Raufasertapeten im Abort noch von einem Schimmelbefall bedroht werden könnte.
Wenn ich allerdings diesbezüglich an meine erst vor Kurzem überstandene Durchfallerkrankung denke, würde ich solch ein Zimmer in Zukunft auf keinen Fall buchen wollen - dies kann ich meiner Löwin nicht noch einmal zumuten.
Wir hielten uns aber nichts allzu lange im Hotelzimmer auf, denn es galt, die Innenstadt von Brüssel zu besuchen. Und die war laut Google ja auch nur 7 Km weit entfernt. Zum Vorortzug durften wir fast 5 Minuten latschen und verpassten den Zug natürlich um wenige Minuten - dank der Baustelle am Bahnhof von Ruisbroek.
Jetzt hieß es also eine Stunde in diesem Niemandsland zu warten, ehe endlich der nächste Zug kam. Mit dem fuhren wir nach Halle - einem größeren Ort in der falschen Fahrtrichtung, bloß um von dort Richtung Brüssel über Ruisbroek zu fahren. Das versteh einer; aber dank der deutschen Bahn bin ich in Fällen derartiger Mißlichkeiten mental vorbereitet.
Dieses unübersichtliche Hin- und Hergeeiere kostete natürlich ebenfalls ne Stunde - hatte ich schon erwähnt, dass die Innenstadt lediglich 7 km entfernt sein sollte? Ich zweifelte das dann doch stark an. Und dann wären wir fast eine Station zu früh in Brüssel-Süd ausgestiegen. Dies ist tatsächlich ebenfalls ein großer Bahnhof und Knotenpunkt von verschiedenen Bus-, Straßenbahn- und U-Bahn Linien.
Doch anschließend hatten wir endlich den Hauptbahnhof erreicht und freuten uns auf die Innenstadt von Brüssel. Davon war beim Ausstieg zunächst nichts zu sehen; die Umgebung erinnerte eher an den Bahnhof von Helmstedt. Wir mussten nach dem Verlassen des Bahnsteiges eine lang gezogene Kurve bergab - eine Straße mit Wohnhäusern, wohlgemerkt - laufen, immer den zahlreichen anderen Leuten hinterher, die mussten es ja wissen.
Und tatsächlich: Nach vielleicht 200 Metern passierten wir einen kleinen Flohmarkt. Alle Stände befanden sich unter viereckigen Zeltkonstruktionen im Einheitsstil. Rote Zeltwände, die bei Bedarf zurückgeschlagen werden können und dazu (nicht) passend türkisfarbene Dächer. Angeboten wurden hier Schmuck und anderes Kunsthandwerk - und dies garantiert gesichert das ganze Jahr über, kommen hier doch genügend Touris vorbei.
Die Preisgestaltung war dementsprechend; ich denke, dass dies eine gute Möglichkeit für Händler mit geringer Warendichte ist, um wenigstens dort verkaufen zu können, wo die Action ist. Ein "normaler" Laden im Zentrum von Brüssel dürfte für diese Händler in der Regel zu teuer sein. Natürlich signalisiert diese Flohmarktatmosphäre auch eine Schnäppchengefahr, welche tatsächlich nicht vorhanden ist.
Direkt hinter diesem Flohmarkt standen wir urplötzlich an einem höchst belebten Platz. Das malerische Kopfsteinpflaster wurde von zahlreichen Straßencafes flankiert. Diese waren brechend voll, so dass wir uns gar nicht erst die Mühe machten, uns dort über die Preise zu informieren. Den dringend benötigten Kaffee würden wir an anderer Stelle einnehmen müssen.
Kurz nach 18.00 Uhr - mehr als einen kurzen Eindruck würden wir uns an diesem Tag auch nicht verschaffen können. Aber dafür war ja morgen noch Zeit. Nach dem Atomium, denn dafür hatte meine Löwin über getyourguide bereits Tickets gekauft. Nun bewegten wir uns erst einmal in Richtung des hiesigen Grote Markts, welcher auch in jedem Touri-Führer gelistet ist.
Wir gingen über enge Straßen an ihren eindrucksvollen Fassaden staunend vorbei und stießen zwischendurch auf eine edle Passage, wie man sie in Deutschland nicht antreffen kann. Lichtdurchflutet aufgrund eines dank einer integrierten Drahtgitterstruktur imposanten Glasdaches reihten sich die etwas teureren Geschäfte Schaufenster an Schaufenster, immer die barocke flämische Fassadenstruktur beachtend. Luxus, wohin man schaut.

Dienstag, 17. Juni 2025

Hartmudo: Superwumms

31
Ich musste mich selbst an die Versorgungskasse in Hannover wenden und dort sämtliche Rechnungen hinschicken. Dazu gehört selbstverständlich eine Unfallanzeige, in dem ich fast genau dieselben Fragen beantworten musste wie in den anderen zwei Bögen ans Personalamt und die Debeka. "Überraschenderweise" war dieser Bogen für Hannover der umfangreichste dieser Formularflut.
Wenigstens sicherte mir Herr Tesche zu, die Unfallanzeige nunmehr unverzüglich an die NVK zu schicken. Und tatsächlich ging die Unfallanzeige am 17. März dort ein - dies konnte ich seiner Mail entnehmen, die er am 6. April (!) an mich geschickt hatte. Mit jener Mail leitete er die Antwort von der Dame vom NVK weiter zu mir.
Die Dame von NVK benötigte noch die Berichte aus der Notaufnahme des Krankenhauses und Befundberichte des Orthopäden und des Neurologen (Psychiater). Herr Tesche ergriff natürlich sofort die günstige Gelegenheit, die Abwicklung des ganzen Vorgangs an eine höchst kompetente Person abzugeben: An mich.
Jetzt endlich - nach knapp 2 Monaten - hatte ich einen Ansprechpartner beim NVK und konnte endlich loslegen. 5 Tage später nahm ich per Mail Kontakt auf. Befundberichte Orthopäde und Neurologe hatte ich nicht zu bieten - nur einen Bericht des "Ersatz-Psychiaters" vom Anfang März. Hierzu später mehr, erst rattere ich die Erstattungsmisere voll runter, um den Überblick behalten zu können. War ja auch sehr unübersichtlich damals.
Sie rief mich doch tatsächlich gleich an. Dieses Arbeitstempo war ich von Landesbehörden nun wahrlich nicht gewohnt, ergo ein großes Lob an die Dame vom NVK. Sie benötigte noch einen Befundberichts meines HNO - klar, die angeknackste Nase. Den konnte ich ihr nicht bieten, nur die Adresse des Doktors.
Das wars dann aber auch mit dem Tempogegenstoß. Warum und wieso ich den notwendigen Erstattungsantrag erst am 24. April nach Hannover gejagt hatte - ich weiß es nicht. Jedenfalls konnte ich der Dame vom NVK mitteilen, dass die Debeka ihren Anteil an den Rechnungen an mich und auch an das Krankenhaus erstattet hatte. Die Beihilfe hatte sich ja mit Zahlungen vornehm zurückgehalten. Frau Molenko konnte wohl auch nicht aus ihrer Haut.
Die Antwort vom NVK kam prompt. Und jetzt ging der Spaß erst richtig los. Denn der Dame vom NVK war selbstverständlich sofort aufgefallen, dass Rezepte und Rechnungen keine eindeutigen Diagnosen aufwiesen. Eine Zuordnung zum Dienstunfall war demnach nicht gegeben. Daher bat sie mich, die Ärzte abzuklappern und mir auf den Kopien der jeweilige Rechnungen die Positionen, welche mit dem Unfall zusammen gehangen hatten, durch Unterschrift bestätigen zu lassen. In dieser Angelegenheit sollte einfach keine Langeweile aufkommen.
Ganz wichtig war dann auch meine Kontaktaufnahme mit der Debeka, die ja bereits alles erstattet hatte. Die sollten mir einen Rückforderungsbescheid schicken, welchen ich dann mehr oder weniger kommentarlos an die NVK weiterreichen sollte.
Der Mai war dann mit Besuchen bei den diversen Ärzten gut ausgefüllt gewesen. Mein Hausarzt und der HNO waren hier äußerst hilfsbereit gewesen. Deshalb möchte ich hier nur mein Erlebnis beim Orthopäden schildern, welches kein Schönes war.
Irgendwann im Mai rief ich in der Praxis des Orthopäden an und schilderte seiner Mitarbeiterin mein Ansinnen. Höchst erstaunt und doch etwas erregt musste ich mir anhören, dass der Orthopäde mir den Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall nicht bestätigen wollte, da ich bei Antritt der Behandlung angeblich nichts von einem Arbeitsunfall gesagt hatte.
Doch so einfach ließ ich mich nicht abwimmeln - ich tauchte direkt in der Praxis auf. Die Damen am Empfangstresen waren schnell von mir genervt gewesen; der Orthopäde hatte ihnen wohl gesagt, dass er die Positionen aus dem genannten Grund nicht gegenzeichnen würde. Ich wurde regelrecht laut, zumal mich die Damen zunächst bald ne Dreiviertelstunde sitzen gelassen hatten, bloß um mich dann wieder abwimmeln zu wollen.
Ich weiß ja, dass die Damen vom Tresen eines Arztes üblicherweise gottähnliche Befugnisse haben. Dafür sprach in diesem Fall auch, dass sich der Arzt mir gegenüber stets freundlich und hilfsbereit verhalten hatte. Ich sollte allerdings sagen… mein ehemaliger Orthopäde. Und das hatte nicht nur etwas mit meinem aggressiven Auftritt zu tun.
Denn wie durch ein Wunder flatterte mir doch zwei Wochen später eine Rechnung des Orthopäden über eine telefonische (da wurde ich ja abgewimmelt) und eine Beratung in der Praxis ins Haus. Eine glatte Frechheit - ich hatte den Orthopäden noch nicht einmal zu Gesicht bekommen, nur die beiden genervten Mitarbeiterinnen am Tresen. Selbstverständlich habe ich diese Rechnung bis heute nicht bezahlt; eine Mahnung ist aber auch nicht erfolgt. Das wäre dann noch die Krönung gewesen; dann hätte ich wohl die Ärztekammer kontaktiert.
Ende Mai hatte ich so weit alles beisammen gehabt und rief die Dame von NVK zunächst an, bevor ich am 2. Juni die ganze "Soße" eingetütet und nach Hannover geschickt hatte. Das dauerte im Endeffekt deshalb noch so lange, weil ich den vom NVK geforderten Rückforderungsbescheid gerade man am Vortag erhalten hatte. An diesem zweiseitigen Anschreiben hatte ich über den halben Tag gebrütet.
Eine Rückforderung von Krankenhaustagegeld durch die Debeka musste ich 4 Tage später noch nachschieben, aber dann ging es doch zügig. Mit Bescheid vom 13. Juni hatte die Dame von NVK 22 Positionen berücksichtigt; wobei hiervon satte zehn von ihr nicht erstattet wurden. Fairerweise erwähne ich gerne, dass es sich hierbei bis auf eine Position um auch von Beihilfe oder Debeka nicht erstattungsfähige Aufwendungen gehandelt hatte.
Diese eine Position… klar, Schmerztabletten vom Orthopäden. Warum auch immer: Die reinen Behandlungskosten des Orthopäden hatte ich bereits vorher von Debeka oder später auch von der Beihilfe erstattet bekommen. Warum ich daher die Schmerztabletten nicht ersetzt bekam, ist mir bis heute ein Rätsel. Drauf geschissen - ich hatte die Pillen eh nicht geschluckt.
Am 17. Juni - der Historiker möge sich erinnern: ehemals Tag der Deutschen Einheit aufgrund des Volksaufstandes in der DDR 1953 - war die leidige Erstattungsgeschichte mit einem Schreiben an die Debeka mit einem Schlag beendet. Bis auf einen geringfügigen Betrag von 10,- € konnte ich die geforderte Summe zurückzahlen.
Ganze viereinhalb Monate also hatte die ganze Abrechnungsgeschichte in Anspruch genommen gehabt. Dies wäre auch bei gesunder mentaler Verfassung eine große Anstrengung gewesen, um so mehr quälte ich mich hiermit während meiner Durchhänger-Phase herum. Doch vielleicht tat mir der ganze Nerv und die Aufregung sogar noch gut, weil dank einsetzender Aggressivität meine Lebensgeister wieder angesprungen waren.
Ende des Zwischenrufs. Wir gehen zurück zum 27. Februar.

Mittwoch, 11. Juni 2025

Hartmudo: Superwumms

30
Später passierte in dem Moment, als mich meine private Krankenkasse, die Debeka, Ende Januar unerwartet angeschrieben hatte. Die waren nämlich von der stationären Behandlung in der Notaufnahme alarmiert worden, weil die HEH die Rechnung direkt an die Debeka geschickt hatte. Dies hatte ich ja auch in der Notaufnahme noch so regeln können. Denn die üblicherweise vierstelligen Kosten einer stationären Behandlung wollte ich nicht wie sonst bei Arztrechnungen selbst auslegen und dann lange auf die Erstattung warten müssen.
Und dann hatte sich die Debeka den Bericht der Notaufnahme doch tatsächlich durchgelesen und war darüber gestolpert, dass dort etwas von einem "Unfall auf dem Weg zur Arbeit" stand. Die Sachbearbeiter in der Schadensabteilung der Debeka kennen sich da natürlich aus und wussten, dass die Debeka nicht eine Kopeke von diesen Kosten zahlen müsste.
Die von der Debeka mitgeschickte Unfallanzeige füllte ich dann am 31. Januar aus - dem Dienstag, als wir Dora und Herbert mittags bei uns zum Essen eingeladen hatten. Schnell schickte ich den zweiseitigen Unfallbogen zur Debeka zurück. Nach einem Telefongespräch mit der Debeka war mir außerdem klar geworden, dass ich nun auch bei meinem Personalamt nachhaken musste.
Den zuständigen Kollegen in Teilzeit (Herrn Tesche) erreichte ich telefonisch leider erst am Freitag; eben dem Tag meines Walks mit Charles. Da konnte ich ihm endlich kurz die ganzen Umstände schildern, die mich zuvor daran gehindert hatten, den Arbeitsunfall pflichtgemäß bei meinem Arbeitgeber anzuzeigen. Herr Tesche zeigte aber Verständnis für mein Verhalten. Ich brauchte lediglich eine Unfallanzeige (nicht den Bogen für die Debeka, sondern einen Vordruck meines Arbeitgebers) auszufüllen und ihm über meinen Teamleiter Buck zuzuleiten.
Das dauerte dann auch noch bald ne Woche, bis ich das endlich hinbekommen hatte. Parallel zu Herrn Tesche stand ich noch mit meiner Kollegin Frau Molenko in Kontakt. Frau Molenko vom Personalamt zahlt meine ausgelegten Arztrechnungen an mich; also ca. die Hälfte davon. Den Rest übernimmt ja die Debeka. Hier tauchte jetzt ein neues Problem auf.
Ich hatte bereits einen Teil der Kosten, unter anderem die des Krankenhauses, mit der Beihilfe bzw. Frau Molenko abgerechnet und bereits die übernahmefähigen Kosten erstattet bekommen. Die Debeka übernahm bekanntlich nichts - und so erhielt auch Frau Molenko jetzt ein Problem mit der Zahlung bzw. Erstattung an mich.
Denn wie Frau Molenko mir brühwarm mitteilte, übernimmt die Beihilfestelle bei einem Arbeitsunfall ebenfalls keine Kosten der medizinischen Versorgung. Diese Kosten werden zu 100% von der Niedersächsischen Versorgungskasse in Hannover getragen. Und Du ahnst sicherlich, was daraus erwartungsgemäß folgte.
Und ehe ich es vergesse: Mit Datum vom besagten Freitag, dem 3. Februar, flatterte mir in der Folgewoche noch ein Schreiben des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) meines Personalamtes ins Haus. Donnerkiesel, waren die auf einmal schnell. Aber ernsthaft: Die Kollegen aus dem Perso zeigten sich überaus engagiert unterstützten mich nach Kräften. Dies war auch nötig, weil mir diese Kräfte zu der Zeit gefehlt hatten.
Mir war allerdings klar, dass ich das unverbindliche Angebot des BEM annehmen würde. Aber hierzu später mehr, jetzt geht es erst einmal um Kohle. Der Winter schritt weiter fort und ich wartete, wie es denn nun weitergehen sollte. Es war wohl mittlerweile Mitte März geworden, als ich mit Herrn Tesche ein weiteres Gespräch führte.
Ob ich ihn oder er mich kontaktierte, weiß ich nicht mehr. Dunkel erinnere ich mich aber daran, dass ich ihn in seinem Büro aufgesucht hatte. Ich hatte mich schon gefragt, warum die zuständige Stelle in Hannover nicht in Schweiß kam. Die von mir wie üblich ausgelegten Rechnungen wollte ich endlich erstattet bekommen haben.
Da mir weder Herr Tesche oder Frau Molenko von der Niedersächsischen Versorgungskasse (NVK) einen Ansprechpartner genannt hatten, fragte ich dort auch nicht nach. Der ganze Hustle mit dieser Erstattung war schon sehr aufregend für mich; mir ging's eh Scheiße. Die Energie, da mal richtig hinterzuhaken, hatte ich einfach nicht.
Umso mehr war ich erstaunt, als Herr Tesche mir eröffnete, dass er (aufgrund Urlaubs glaube ich) vergessen hatte, meine Unfallanzeige für die NVK, die Buck ihm auch schnellstmöglich zugeleitet hatte, nach Hannover zu schicken. Dass ich da nicht komplett ausgerastet war und ihn niedergebrüllt hatte, darauf bin ich heute noch stolz. Ich machte also Fortschritte, keine Frage.
Herr Tesche entschuldigte sich zwar für sein Versäumnis, aber so etwas beeindruckt mich nicht. Wenn mir in meinem Job etwas ähnliches passiert, dann ist aber Polen offen. Doch das Aufregen bringt ja nichts; und ein "Anschwärzen" beim Vorgesetzten schon mal gar nicht. Damit hätte ich mir nur selbst geschadet. Mund abputze - weiter geht's.