Sonntag, 3. August 2025

Hartmudo: Faxe 1/2

Noch 5 Monate bis Weihnachten, dieser 24. Juli. Ein Donnerstag und ich bin mal wieder in Salzgitter im Büro. Da wir heute Abend unsere Enkelin Jela als Übernachtungsgast zu Besuch haben, werde ich wohl erst beim Zubettgehen etwas Entspannung bekommen können. Doch so schlimm ist es eigentlich ja nicht; das Spielen mit ihr (zur Zeit Mensch ärgere Dich nicht mit Hunden und Katzen) macht sogar richtig Spaß.
Doch erst einmal den Tag im Büro hinter mich bringen, so ein Donnerstag kann sich schon mal lang hinziehen. Die Fahrt im Bus verlief hier ja noch störungsfrei. Tiefenentspannt erreichte ich mein Büro in Salzgitter, denn ich hatte einen spannenden Roman begonnen, einen richtigen Pageturner. Das Nullpunkt-Artefakt - näheres von Uncle Fester.
Alsdann verlief der Vormittag entspannt. Meine Kollegin Gerlinde hatte noch eine Frage zu den Höchstbeträgen an Bruttokaltmieten und daraus eventuell resultierenden Leistungskürzungen gehabt. Da blieb dann noch etwas Zeit für das Abschließen meiner Arbeiten im vorangegangenen Home Office. So weit also alles normal.
Meine direkte Vertreterin Melissa war so freundlich und brachte mir einen großen Salat vom Italiener mit, welcher gar vorzüglich schmeckte. So sah ich ergo den Nachmittag mit dem Publikum entgegen. Publikum - was für eine Bezeichnung; als ob ich ein Künstler auf der Bühne und meine Kunden (so sollen wir diese benennen) die zahlenden Gäste wären. So ein Blödsinn.
Die Bürger, die zu mir ins Büro kommen, sind nicht aus Jux und Dollerei ins Rathaus gekommen, sondern weil ihnen schlichtweg das Geld zum Leben nicht ausreicht. Geringe Renten oder auch eine volle Erwerbsminderung sind bei diesen Menschen die Ursache ihrer Geldprobleme. Unser Grundgesetz hatte 1949 hierfür das Sozialstaatsprinzip eingeführt.
Dieses ist derart tief im Grundgesetz verankert, dass es auch durch eine einhundertprozentige Abstimmung des Bundestages nicht beseitigt werden kann, siehe auch Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes. Zugegebenermaßen ist das Sozialstaatsprinzip eher ein schwammiger Begriff, aber eine komplette Streichung der Unterstützung an hilfebedürftige Menschen, die immer wieder mal von einigen Mitmenschen gefordert wird, ist eben nicht möglich.
Genug davon - es ist 14.00 Uhr und die Tür geht auf. Nicht meine Bürotür, sondern die ins Büro nebenan zu Gerlinde. Da gab es für einen Kunden ein Problem mit der Krankenversicherung, hier musste ich unterstützen. Und ich hatte dieses Problem auch mit Hilfe des Sozialarbeiters Torsten noch nicht gelöst gehabt, als Gerlinde schon das nächste Problem an der Backe hatte.
Doch halt! An dieser Stelle verliere ich mich wieder mal in Einzelheiten. Worum es eigentlich geht, ist folgendes: Während ich die ganze Zeit an mehreren Problemen gleichzeitig herumdoktern musste, wurde das Raumklima in meinem Büro unerträglich stickig. Zu allem Überfluss erschien kurz nach 17.00 Uhr noch eine neue Kundin, für die ich etwas mehr Zeit investieren musste. Alle Unterlagen kopieren und noch einige Fragen klären, obwohl ich noch nichts zahlen konnte.
Als das endlich erledigt war, hatte ich noch exakt 3 Minuten zur Verfügung, ehe mein Bus nach Braunschweig abfuhr. Und der fährt nur alle Stunde - der Zugverkehr ist bereits die dritte Woche wegen Gleisarbeiten eingestellt. Daher musste ich notgedrungen umdisponieren und brauchte nicht zu hetzen. Denn jetzt hatte ich noch ne volle Stunde Zeit bis zum Bus.
Und ja, ich war sauer. Eine Stunde später zu Hause, ausgerechnet an dem Tag, an dem Jela bei uns zu Besuch weilte. Ich packte aber meine Sachen inklusive des Laptops fürs das morgige Homeoffice zusammen und verließ geordnet meinen Arbeitsplatz, um gemütlich den Weg bis zum Kiosk am Bahnhof anzutreten.
letztes Jahr am Bahnhof

Voller Vorfreude dachte ich an einen Abend im letzten Jahr zurück, an dem ich höchst aufgeregt an der Bushalte am Bahnhof Lebenstedt gesessen und mir dort - und später im Bus - die kalten Dosen Wolters reingeschrotet hatte. Die laute Musik über Kopfhörer verschaffte mir seinerzeit gleich eine viel bessere Laune.
OK, also der Kiosk am Bahnhof. Der einzige in der „City of Lebenstedt“, welcher kaltes Dosenbier offeriert. Vor dem ich jetzt stand und erfahren musste, dass dieser aufgrund Urlaubs erst Anfang August wieder geöffnet sein würde. Heiß liefen meine Tränen die Wange herunter, als ich von der Seite aus dem Rialto II angesprochen wurde. Der singende Slawe und sein Sohn, beides Kollegas von mir, läuteten dort den Feierabend ein.
Sie luden mich ein, ein Bier mit ihnen zu trinken. Schweren Herzens - und das meine ich nicht ironisch - musste ich ablehnen, weil ich kaltes Wolters aus der Dose an der gegenüberliegenden Bushalte trinken wollte. Nein: Musste! Nur so würde ich heute mein Seelenheil wiedererlangen können., keine Frage.
Mit gemischten Gefühlen verließ ich die beiden in Richtung Kaufland nebenan im BRAWO Carree, um mir dort zwei kalte Dosen Wolters sichern zu können. Ich hatte ja noch etwas Zeit, bis der Bus um 19.00 Uhr am Bahnhof aufschlagen würde. Daher schlich ich mit der dank des Laptops schweren Tasche durch das Carree (ist das nicht österreichischer Schweineschinken? - ach ne, das ist Karree) in Kaufland hinein, schon etwas schwer atmend.