Sonntag, 29. Januar 2017

Uncle Fester: grad gelesen Januar 2017

Hannes Finkbeiner – Jogginghosen Henry
Der Roman spielt in Bad Harzburg und es geht um Metal. Ganz ehrlich, Leute: Den Roman musste ich lesen. Und ich nehme es gleich vorweg: Der Roman ist relativ einfach geschrieben, also so ungefähr wie meine Schreibe. Mit der gewissen Spur an Selbstironie, da habe ich als Assoziation Tommy Jaud anzubieten, einen Autor, den ich nicht so gern lese, weil es zumeist um irgendwelche Yuppies geht, die einfach nichts mit ihrem Leben anfangen können. Man könnte die Personen, über die der Autor berichtet, als degeneriert beschreiben.
Bei Finkbeiner ist das kaum anders, allerdings geht es hier um eine Nische der Jugendkultur, den Metalfans. Henry, der immer Jogginghosen trägt, ist ein langhaariger Schlaffi aus Bad Harzburg, der im Supermarkt Regale einräumt und sich zu 100% dem Metal verschrieben hat. Der Roman spielt fast ausschließlich auf einem imaginären Festival im Harz – dem Hardbeat Festival. Wacken stand hierfür sichtlich Pate, aber die gewollte Verbindung zum Harz hat es mir angetan.
Jahr um Jahr fährt Jogginghosen-Henry auf dieses Festival. Mit dabei sind seine Kumpels Grabriel, dessen Vater Bestattungsunternehmer ist, und Felix, einem angehenden Banker. Beim ersten Festival stößt noch der verlotterte Evil Enrico zu der Gang, der offenbar allen Klischees eines wahren Rockers entspricht, in Wirklichkeit aber im Dorf brav bei seiner Mutter wohnt.
Beim ersten Festival verknallt sich Henry hoffnungslos in die bildhübsche Janka, ist aber zu schüchtern, um sie klarzusprechen. Beim 3. oder 4. Festival muss er mitansehen, das sich sein Kumpel Felix Janka gekrallt hat und bei ihr zum Stich kommt. Der enttäuschte Henry säuft sich so richtig zu, fickt auch irgendeine andere Frau (endlich!) und schnallt zum Schluss des Romans endlich, das Janka eigentlich ne Schlampe ist.
OK, das war Rockerjargon. Janka ist ein ungebundenes Mädchen, welches seine Erfahrungen machen möchte. Kennen wir doch alles, oder Jungs? Diese insgesamt eher ´harmlose Geschichte, die mit anderen Personen auch als Arztroman durchgehen könnte, wird sichtlich aufgepeppt durch die Szenerie der Metalfans.
Aber eines hat Finkbeiner mit seinem Roman auf alle Fälle geschafft: Metalfans sind auch nicht anders drauf als Schlagerfans. Die Musik ist nicht wirklich der Lebensstil dieser Menschen, sie posen nur bei Gelegenheiten wie Konzerten oder eben Festivals. Die auch von mir in vergangenen Zeiten gern gezeigte Arroganz gegenüber Schlagerfuzzis oder Normalos, die nicht wissen, was wirklich wichtig (also Musik, was sonst) ist, entbehrt jeglicher Grundlage. Denn ob Rocker, Punk oder Schlagerfuzzi. Wir alle wollen nur eine Frau, viel Geld verdienen, um uns nen Auto oder Haus oder was auch immer kaufen zu können und brauchen natürlich Freunde, die ähnlich ticken wie wir.
Und die einen gehen Sonntags in die Kirche, die anderen im Sommer aufs Metalfestival.

                    

Kim Stanley Robinson – Aurora
Die Mars Triologie von Robinson hatte ich vor Jahren gelesen und fand sie wohl gut. An diesem Roman hat mich die Grundidee fasziniert. Ein Generationenraumschiff ist mit einer Population von knapp über 2000 Menschen zum Tau-Ceti-System unterwegs, um dort einen bewohnbaren Mond eines Gasriesen zu besiedeln.
Nach über 170 Jahren erreicht das Schiff Tau Ceti. Die Kolonisten sind sämtlich aus der 3. oder noch späteren Generation der ursprünglichen Siedler. Das Raumschiff besteht aus 2 großen Rädern mit jeweils 12 geschlossenen Biotopen von jeweils vielleicht 10 Quadratkilometern, die alle verschiedenen Klimazonen der Erde nachempfunden sind.
Hauptperson des Romans ist Freya, die Tochter der Wissenschaftlerin Devi, die als wohl Einzige der Menschen an Bord in der Lage ist, das Gleichgewicht des Raumschiffs zu bewahren. Die künstliche Intelligenz des Raumschiffs unterstützt sie dabei. Der Vater Badim ist da eher der Künstler und quasi Hausmann.
In ihren jungen Jahren, kurz vor der Ankunft am Zielort, wandert Freya von Biotop zu Biotop. Der Leser lernt so verschiedene Biotope und das an die Notwendigkeiten der Ressourcenschonung angepasste gesellschaftliche Leben kennen. Dabei trifft sie sich immer wieder mit dem gleichaltrigen Euan, ihrer großen Liebe.
Euan ist dann auch beim ersten Außenteam auf dem Mond im Tau Ceti System mit dabei. Es sieht alles ganz gut aus, bis eine Teilnehmerin aus Versehen im Treibsand versinkt und dabei ihr Anzug aufreißt. Über die Wunde handelt sie sich ein außerirdisches Virus ein, an dem sie und ein Großteil des Außenteams stirbt. Auch Euan ist unter den Opfern.
Die Überlebenden kehren schnell zum Raumschiff zurück, werden dort aber von ängstlichen Bewohnern der Biotope getötet, bevor sie das Schiff dekontaminieren können. In der Folge entbrennt ein Streit um das weitere Vorgehen der Expedition. Die Mehrzahl will ihr Glück auf einem anderen Mond versuchen, eine Minderheit, unter ihnen Freya und Badim, wollen zurück zur Erde fliegen.
Ab diesem Zeitpunkt fängt der Roman an, schlecht zu werden. Devi war bereits beim Hinflug verstorben, der Roman konzentriert sich jetzt ausschließlich auf die Rückkehrer zur Erde. Die Crewmitglieder, die ihr Glück im Tau Ceti System versuchten, tauchen bis zum Schluss des Romans gar nicht mehr auf.
Dann entdecken die „Heimkehrer“ dank aufgefangener Nachrichten von der Erde, das sie nur dann die Erde erreichen können, wenn sie sich in Tiefkühlkammern zurückziehen. Jetzt wird alles aus der Perspektive der künstlichen Intelligenz erzählt, die über mehr als 50 Seiten den Leser in tiefste Langeweile versetzt.
Endlich ist das Schiff nach schwieriger Abbremsphase in den Erdorbit gelangt und setzt die aufgewachten Überlebenden per Rettungskapseln ab. Das Schiff samt künstlicher Intelligenz stürzt in die Sonne und gut ist.
Die Überlebenden sind am Ende des Romans Fremde auf der Erde, die misstrauisch beäugt werden und nirgendwo willkommen sind. Dies ist zumindest gut beschrieben und stimmte mich nachdenklich. Schön philosophisch halt. Am Schluss surft Freya stumpf im Meer und lernt dabei Kaya kennen. Dankbar küsst sie den Sand des Heimatplaneten der Menschheit.
Ich bin enttäuscht. Der Autor hat ein entwicklungsfähiges Szenario in der zweiten Hälfte in philosophische Träumereien abgleiten lassen und die an sich fesselnde Story getötet. Ich weiß nicht, ob ich mir Kim Stanley Robinson noch einmal antue.

Jack McDevitt – Apollo
Alex Benedict, der Indiana Jones des Alls, ist mit seiner Assistentin Chase Kolpath, aus deren Sicht der Roman wie üblich erzählt wird, unterwegs, um die seit 9000 Jahren verschollenen Artefakte der ersten Mondlandung von Apollo 11 zu finden. Hier droht kein Tiefgang, sondern einfach nur gute Unterhaltung
Nachdem der Archäologe Garnett Baylee auf Rimway, dem Heimatplaneten von Alex und Chase, verstorben ist, wird bei ihm einer der ersten Transmitter, die erstmals einen Flug schneller als das Licht ermöglichten, gefunden. Wie Chase schnell herausfindet, hatte Baylee offenbar die während des dunklen Zeitalters im 3 Jahrtausend nach Christus verloren geglaubten Artefakte aus dem Florida Space Center, darunter auch die Apollo Kapsel, gefunden. Aber warum hatte Baylee das Wissen darüber mit ins Grab genommen?
In einem zweiten, parallelen Handlungsstrang, geht es um das im Hyperraum gestrandete Raumschiff Capella, das lediglich alle 5einhalb Jahre wieder auftaucht und auf dem Gabe, der Onkel von Benedict, zusammen mit über 2000 Passagieren seit 16 Jahren auf Rettung hofft. Auf der Capella selbst sind nur wenige Tage vergangen; ein sorgsam ausgeklügelter Rettungsplan kann nur 200 Passagiere bergen.
Zur Apollo: Alex und Chase besuchen die gute alte Erde. Es ist zwar interessant zu lesen, wie die Erde im zwölften Jahrtausend aussehen könnte, aber es passiert in diesem Handlungsstrang nicht viel. Chase verliebt sich noch in einen Bootsverleiher, der sich jedoch als Komplize von Southwick und Heli Tokata, der Ex-Geliebten von Baylee, entpuppt.
Die Auflösung des Rätsels um die Artefakte ist dann banal. Während des dunklen Zeitalters hat ein griechischer Wissenschaftler die Artefakte auf den Asteroiden Larissa in Sicherheit gebracht, wo sie von Garnett Baylee 9000 Jahre später gefunden wurden. Southwick war dabei, als Baylee nahezu die gesamte Sammlung durch Unachtsamkeit in die Luft gehen ließ. Von diesem Schock erholte er sich bis an sein Lebensende nicht mehr.
Und als ich, vom mageren Ende doch etwas enttäuscht, die letzten Seiten in Angriff nahm, kehrte die Capella doch tatsächlich dank eines Experiments in den Normalraum zurück. Gabe wartete im Landhaus auf Chase und Alex.
Ich würde sagen: Jack, das kannst Du besser. Trotzdem werde ich den nächsten Band wieder lesen, sofern es noch einen geben sollte. Jack McDevitt ist schon über 80.

Nils Havemann – Samstags um halb 4
„Die Geschichte der Fußballbundesliga“ lautet der Untertitel dieser eher wissenschaftlichen Abhandlung, die sich aber spannend liest. Der Autor beschreibt hier die Entstehungsgeschichte der höchsten deutschen Spielklasse seit den 50er Jahren sehr ausführlich.
Sehr schön auch die Beschreibung der Anfangsjahre, als die Gehälter noch auf 500,- Mark monatlich gedeckelt waren und die Clubs sich Tricks einfallen lassen mussten, um die dan doch höheren Gehälter zu verschleiern. Auch der Bundesligaskandal 1971 wird sehr gut beschrieben. Wie man sieht, geht es in dem Buch eher um wirtschaftlicher Belange.
Aber Havemann geht auch auf Soziologisches wie die Fankultur näher ein. Ich persönlich finde es letztendlich gut, das Havemann seinen Report in den 80ern quasi ausklingen lässt. Denn seitdem haben sich die Strukturen doch eher gefestigt. Ein wichtiges Werk, zweifelsohne.

Montag, 23. Januar 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

3
Samstagabend waren wir mit Ulli und der Katze in Wolffs Gasthaus schlemmen, Sonntag zum Geburtstag bei Berta eingeladen. Volles Wochenende also nach dem Dettumer Hoffest; Der August konnte beginnen.
Und zwar mit dem Termin beim sozialen Dienst der Klinik Salzdahlumer am Dienstag. Berta holte mich nach halb Drei von der Tanke Frankfurter Str. ab. Noch weit vor dem Eingang, ungefähr beim ehemaligen Kiosk, wartete Sunny auf uns, zusammen gingen wir etwas angespannt in die Klinik zum sozialen Dienst.
Der freundliche Sozialarbeiter erklärte uns schonungslos die Lage. Den Antrag auf die Einstufung in eine Pflegestufe hatten sie schon auf den Weg gebracht, damit konnte er uns deshalb gleich beruhigen. Dazu hatte er einen Platz zur Kurzzeitpflege für Mutter organisiert und für sie freigehalten.
Es gab nur leider das Problem, das sich Mutter äußerst unkooperativ zeigte und standhaft im Krankenhaus bleiben wollte. Unmissverständlich machte er uns klar, das Mutter das Krankenhaus auf alle Fälle in 2 – 3 Tagen verlassen müsste. Und wenn sie nicht in die Kurzzeitpflege in das für sie reservierte Einzelzimmer, was auch nicht selbstverständlich frei sei, gehen wolle, dann würde er für sie eine ambulante Pflege in der eigenen Wohnung organisieren und gut ist. Damit hätte er gar kein Problem.
Einen letzten Versuch der Überredung unserer Mutter zur Kurzzeitpflege wollte er am nächsten Vormittag noch unternehmen und bat uns, heute noch einmal eindringlich auf Mutter einzuwirken, damit sie vernünftigerweise in die Reuterstraße ins Heim der BBG geht. Ich fand den Sozialarbeiter klasse, weil er die Dinge wohl emotionslos anzugehen pflegt. Anders kann man diesen Job auch nicht machen.
Nach einem erhellenden Gespräch waren meine Schwestern und ich jetzt so richtig gut drauf. Wie gesagt: Ich fand den Sozialarbeiter richtig gut, weil ich auch nicht anders zu arbeiten pflege. Obwohl es sich um meine Mutter handelt, würde ich haargenau so vorgehen. Entweder sie akzeptiert die Tatsache, dass sie sich zumindest im Moment nicht allein versorgen kann oder sie lässt es und muss erst einmal so richtig hart mitkriegen, dass sie ganz allein in der Wohnung nicht nicht zurechtkommen kann.
Als wir drei Geschwister schließlich im Zimmer von Mutter standen, waren unsere Befürchtungen umsonst. Völlig ruhig und vernünftig hörte sie sich unsere Argumente für eine Kurzzeitpflege an. Als ich ihr dann noch auf meinem Smartphone Fotos vom Heim in der Reuterstraße präsentieren konnte, war sie fast schon begeistert. Auch Berta und Sunny waren erstaunt, wie leicht es Mutter mit einem Mal fiel, die notwendige Entscheidung in die richtige Richtung zu schieben.
Auch Dr. Vogel äußerte seine Zufriedenheit, als wir ihm dies anschließend freudestrahlend verkünden konnten. Er meinte dazu noch, das er sie andernfalls erneut auf den Pott gesetzt hätte. Berta informierte den Sozialarbeiter am nächsten Tag von Mutters erfreulichen Sinneswandel.
Am Donnerstag wurde Mutter endlich entlassen. Ich war nicht zugegen, weil ich Donnerstags eh immer lang arbeiten muss und einen Tag vor dem Urlaub ist es schlecht, einen Tag frei zu nehmen. Hinzu kam, dass wir auf der Arbeit einige krankheitsbedingte Ausfälle zu beklagen hatten.
Den Rollstuhl sollte Mutter auf alle Fälle mitnehmen und nicht im Krankenhaus stehen lassen. Grace braucht ihn noch für die Kinder in Neuerkerode, wenn ich das von Sunny noch richtig im Ohr habe. Von uns drei Geschwistern war dann wohl Berta diejenige, die Mutter in der Reuterstraße als erste besuchte. Sunny war am Samstag wohl auch noch da. Ich dagegen glänzte durch Abwesenheit.
Denn der Urlaub von meiner Löwin und mir ging am Samstag auch gleich richtig gut los. Mit Pocke zusammen fuhren wir morgens mit der Bahn nach Berlin zur Biermeile, Patti musste leider krankheitsbedingt absagen. Trotzdem verbrachten wir mit Urmel und Hasi einen schönen Tag auf diesem Fest, den ebenfalls anwesenden Kumpel von Urmel kannte ich noch nicht. Ilka war nicht mit dabei, da sie das Fest schon kannte und selbst keinen Alkohol trinkt. Meine Löwin steht natürlich auch nicht auf grölende Besoffene, aber nachmittags ist das noch nicht schlimm und irgendwann machte sie ihr eigenes Ding und schaute sich alleine auf der Biermeile um.
So war sie von uns die Einzige, die die wohl 2 km lange Biermeile komplett abgelaufen hat; zusätzlich war sie noch im Alexia, dem Einkaufstempel am Alexanderplatz. An diesem Tag hatte sie laut ihrem Schrittzähler einen neuen Rekord aufgestellt.
Wir Jungs konnten dies von uns nicht behaupten, schafften aber dank der akribischen Aufstellung von Pocke 17 verschiedenen Biere und die Hälfte der Strecke. So gegen halb zwei in der Nacht, nach einer ruhigen Fahrt mit dem Flixbus, waren wir endlich zuhause.

Samstag, 21. Januar 2017

Contramann: kurz gesehen im Januar

http://www.spiegel.de/dienste/a-1064653.html
SPON in eigener Sache. Seit neuestem wird auf SPON auch Content mit „branchen- und unternehmensnahen Inhalten“ geboten, für den der Spiegel nicht verantwortlich zeichnet. Das Ganze wird als Anzeige gekennzeichnet und hat keinerlei Einfluss auf redaktionelle Inhalte der Spiegel Redaktion.
Wer`s glaubt…
Bei „präsentiert von..“ werden die Inhalte von der Spiegel Redaktion geschrieben und ein Werbekunde tritt als Sponsor auf, übt aber keinen Einfluss auf die Inhalte aus.
Wer`s glaubt...

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/wo-2016-fake-news-zu-finden-waren-14598220.html
Ich glaub es ja nicht. Sowohl die Bundesregierung plant, gegen die „Fake News“ aus sozialen Netzwerken vorzugehen. Unser Innenminister, der notorische Thomas, plant sogar eine Sondereinheit in seinem Haus zur Bekämpfung dieser Auswüchse. Nein, das ist keine Fake Meldung!
Und alle machen mit! Ob privat oder öffentlich-rechtlich, im Fernsehen wird intensiv Stimmung gegen jegliche Kritiker an der vorherrschenden Politik betrieben. Die führenden Printmedien stoßen ins selbe Horn. Berichterstattung und Kommentare werden hier häufig miteinander vermischt, ohne das dies für den Konsumenten sichtbar wird.
Und wenn es um Flüchtlinge geht, da wird jeder an die Wand, tschuldigung, in die rechte Ecke, gestellt, der daran auch nur den Hauch einer Kritik äußert. Die seit neuestem laufende Kampagne gegen Sarah Wagenknecht, selbst auf Telepolis hatte sich da einer eingeschlichen, zeigt dies sehr deutlich.
Die erzkonservative FAZ hat hier überraschenderweise mal einen bemerkenswerten Kommentar im Programm, der sich kritisch über die kampagnenartige Berichterstattung in den sogenannten Qualitätsmedien äußert. Sicher geht es der FAZ mehr um die Kritik an der übermächtigen (nach Meinung der FAZ) linksliberalen Medienmacht.
Dennoch. Es ist selbst der FAZ aufgefallen, das die Medien sich sehr zurückhaltend äußern, wenn die Gefahr besteht, das etwas negatives über Flüchtlinge und die Politik unserer Kanzlerin passiert sein könnte. Sei es der Massenmord im Münchner Olympia-Einkaufszentrum oder die Amokfahrt auf dem Berliner Weihnachtsmarkt.
Da stellt sich am Ende für die FAZ dann die Frage, wer denn nun Fake News produziert. Soziale Netzwerke oder die Qualitätsmedien. Was sie dann eben nicht hinterfragen, ist der für mich offensichtliche Widerspruch in der Berichterstattung in Print und TV.
Während beim Thema Flüchtlinge peinlichst genau darauf geachtet wird, die Geschehnisse vorsichtig zu kommentieren, um der AfD ja kein Futter zu geben, wird in Sachen Putin gnadenlos draufgehauen. Da werden nicht belegte Quellen der CIA, die von einem russischen Hackerangriff auf die US Wahl faseln, ohne Nachfrage in die Welt hinausposaunt und als Tatsachen hingestellt.
Als Kind bin ich mit der aktuellen Kamera aufgewachsen, seit kurzem fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-braucht-mehr-zuwanderung-eine-kolumne-von-henrik-mueller-a-1129045.html
Meine Güte, ein Beispiel für schlecht gemachte Meinungsmanipulation liefert erneut der Spiegel. Henrik Müller, seines Zeichens SPON-Wirtschaftsexperte, wärmt hier mal wieder die altbekannten Unwahrheiten auf.
„Ohne Immigration würde die Zahl der Erwerbspersonen in den kommenden Jahrzehnten dramatisch zurückgehen.“ Ja und? Dank der Automation werden in dem nächsten Jahrzehnt wohl mehr als 40% der Arbeitsplätze wegfallen. Recherchiert dies bitte selbst, weil ich die Studie im Moment leider nicht greifbar habe. Dank der selbst offiziell noch knapp 2 Millionen Arbeitslosen stehen immer noch genügend Leute für die weniger an der Zahl werdenden Jobs zur Verfügung. Sollte bei den „Hartzern“ noch Fortbildungsbedarf bestehen, ist das garantiert preiswerter als die Schulung von unqualifizierten Migranten.
Ich hatte in der Vergangenheit hierzu schon einiges geschrieben und möchte mich nicht nochmal wiederholen. Eines aber dann doch: Qualifizierte Migranten, die hier in den Arbeitsmarkt gebraucht werden könnten, fehlen nicht nur in ihren Heimatländern, sondern werden hier zum Lohndumping benutzt. Diese Ausnutzung von Dritte Welt Ländern würde ich daher schon als neuen Kolonialismus bezeichnen. Das sollte einem „links“ denkenden Menschen eigentlich nachdenklich stimmen.

http://www.neulandrebellen.de/2017/01/pro-wagenknecht/
Berger, Lapuente und Wellbrock haben jetzt diesen lesenswerten Blog am Start. Neulandrebellen – da werde ich wohl öfters draufschauen müssen, denn dieser Beitrag über das Wagenknecht-Bashing durch irgendwelche Hirnis in ihrer eigenen Partei von Lapuente trifft es auf den Punkt. Chapeau, Roberto. Nicht so verkopft wie auf adsinistram.
Seine Schlussfolgerungen, das sich viele Linke in ihrer Selbstgerechtigkeit der Realität entzogen haben, um in ihrer Traumwelt vom friedlichen Miteinander zu leben, entspricht auch meinen Beobachtungen. So, und genau so, macht man die AfD stark. Man muss Negatives in der Flüchtlingspolitik auch anprangern können und darf sich eben nicht blind hinter Merkel stellen, bloß um nicht ein schlechtes Wort über Flüchtlinge sagen zu müssen.
Es sind eben diese Traumwelten, die es den etablierten Parteien mit ihren Handlangern in den Medien leicht machen, die Wähler vom Kreuz bei den Linken abzuhalten. Und die Linken begehen dann noch den Fehler, ihre einzige ernstzunehmende Stimme, die von Sarah Wagenknecht, zu diskreditieren.
Da können sich die Mächtigen dieser Republik freuen. Die einzige Oppositionspartei zerstört sich genüsslich selber.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/gewalt-der-taeter-ist-fast-immer-ein-mann-kolumne-a-1097493.html
Gut hierzu passt eine Kolumne von Margarete Stokowski. Auf SPON kommentiert sie häufig wirr und verkopft, hier scheint mal wieder ihr erbarmungslos dogmatischer Feminismus durch. Merkt sie es denn nicht?
Gerade seit den Übergriffen Silvester 2015 in Köln wird bei Gewalttaten, insbesondere gegen Frauen, immer zuerst nach der Herkunft eines Täters gefragt. Stokowski kritisiert dazu noch, das dann auch nach der Motivation des Täters gefragt wird.
Ihr geht es darum, zuerst nach dem Geschlecht eines Täters zu fragen. Dies ist 70er Jahre Emanzenmüll at his best. Meine Güte, natürlich ist die Motivation eines Täters die wichtigste Frage, was denn sonst? Es mag ja sein, das Männer statistisch gesehen erheblich häufiger ein Verbrechen begehen. Aber wo bleibt denn da die Gleichberechtigung?
In jeder gesellschaftlichen Frage soll der Unterschied zwischen Mann und Frau nicht relevant sein, außer natürlich, wenn frau die Männerwelt in einem schlechten Licht darstellen kann. Bei solchen Frauen kann Mann ja nur noch schwul werden.
Was mich aber so richtig ankotzt, ist, dass sie mit so einem Artikel quasi die arabischen Antänzer vom Silvester 2015 von einer Schuld entlastet, denn sie sind ja Männer. Eine schallende Ohrfeige für die belästigten Frauen in jener Nacht.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/armenien-resolution-tuerkische-gemeinde-beklagt-schaden-fuer-integration-a-1099302.html
Mitte letzten Jahres hatte der deutsche Bundestag die Massaker an den Armeniern im damaligen osmanischen Reich als das eingestuft, was es 1915 auch war: Als Völkermord. Bei einem Besuch einer kleinen Delegation des Bundestages bei der türkischen Gemeinde zeigte sich die Interessenvertretung der Türken in Deutschland darüber enttäuscht.
Das Vertrauen der in Deutschland lebenden Türken in den deutschen Staat hätte Schaden genommen. Die Integration der Türken sei in Gefahr, wenn das Thema „Armenier“ in den Schulen einseitig behandelt werden würde. Der Bundestagspräsident Lammert knickte dann auch gleich ein und unterstützte einen Vorschlag, die Massaker durch internationale, also unabhängige, Historiker klären zu lassen.
Eine bessere Wahlwerbung für die AfD gibt es wahrscheinlich nicht, da hat die türkische Gemeinde es doch tatsächlich geschafft, sich hinter Erdogan ins Unrecht zu stellen. Dessen Vorwurf an Deutschland übrigens, das die Deutschen den Völkermord an den Heteros Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute nicht eingestanden hätten und sich nach wie vor hartnäckig als Rechtsnachfolger des Kaiserreichs Entschädigungszahlungen verweigerten, hat seine Berechtigung.
Bei dem Argument ist Contramann dabei. Aber steht doch zu dem Mord an den Armeniern!

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/apple-in-irland-50-euro-steuern-fuer-eine-million-euro-gewinn-a-1110150.html
Apple zahlte 50 € Steuern in Irland auf einen Gewinn von 1 Million. Durch das jahrelange Steuerdumping des irischen Staates entgingen dem Fiskus durch das Verschieben der Gewinne auf dubiose „Head Offices“, die eigentlich nur auf dem Papier existierten, über 13 Milliarden Euro.
Die EU Kommission zwang den irischen Staat zu meiner großen Überraschung, das Geld von Apple jetzt einzutreiben. Und die Iren wollen nicht!
Irre. Die spinnen, die Iren.

Dienstag, 17. Januar 2017

Hartmudo: Weihnacht 3/3

Tempo aufnehmen, Hartmudo. Zuerst betrat ich das Geschäft von Neubauer, der besten Fleischerei der Stadt Sein doppelt gekuttertes Mett ist in dieser Stadt konkurrenzlos; wer da etwas anderes behauptet, hat entweder keine Ahnung oder sollte bei mir mit einer Probe des angeblich besseren Metts vorbeischauen. Schnell stellte ich fest, das ich Glück gehabt hatte. Lediglich 5 Leute standen vor mir in der Schlange.
Doch dann erinnerte ich mich schlagartig daran, dass ich kein Bargeld dabei hatte, ich war quasi blank. Und erst kürzlich hatte ich ja alle Karten sperren lassen müssen, die Neuen waren selbstverständlich noch nicht präsent. Boah, ey! Der Tag fing ja wieder mal gut an. Mit blutrünstigem Blick eilte ich aus dem Laden und hastete zum Auto, was jetzt? Ich überlegte kurz, zuerst nach Hause zu fahren und Geld zu holen – ich hatte ja noch jede Menge Kohle herumliegen.
Nein, ich saß jetzt schon mal im Auto und fuhr als Nächstes zur Packstation, dann hätte ich das schon mal hinter mir. Nach rasanter Fahrt erreichte ich den Affenfelsen und parkte mein Fahrzeug auf dem Gehweg, da ich andernfalls viel zu viel hätte laufen müssen. Neben mir stand schon ein unscheinbarer Van, ich war dort nicht alleine. Die Hecktür des Vans stand offen, weil…
...vor der Packstation ein Mann in DHL Uniform stand! Um ihn herum lagen Dutzende von Paketen, dazu stand das Bedienungspaneel offen. Mir schwante Böses, als ich ihn wie weiland Hans Sachs bei „Was bin ich?“ mit einer Frage ansprach:
„Gehe ich Recht in der Annahme, das Sie gerade die Packstation befüllen und ich deshalb nicht mein Päckchen holen kann?“
„Ja, genau.“ meinte der DHL Mann fröhlich. „Ich brauche noch ein bisschen. Könnten Sie vielleicht in einer halben Stunde wiederkommen?“
Wortlos drehte ich mich um und schlich zum Auto zurück. Nach dem Umdrehen hob ich lediglich kurz die Hand, nur mühsam konnte ich meinen Mittelfinger daran hindern, sich einsam gen Himmel zu strecken. Was der DHL Mann sagte oder machte, interessierte mich bereits nicht mehr. Frustriert stieg ich ins Auto.
Das durfte einfach nicht wahr sein. Auf das Buch wartete ich schon seit bald zwei Wochen und jetzt das. Wutentbrannt düste ich heimwärts und hing dabei dunklen Gedanken nach. Wie sehr hatte ich mich auf das Frühstück heute morgen mit meiner Löwin gefreut, und jetzt lief alles aus dem Ruder. Schnell, ganz schnell, wollte ich Mett und Brötchen besorgen und vergaß dabei die Kohle, ich Idiot!
Den Wagen ließ ich gleich in der Einfahrt stehen und eilte die Treppen hinauf in unsere Wohnung. Zu meiner Löwin murmelte ich irgendetwas Unverständliches wie „kein Geld dabei, Mist...“ und schaffte es gerade noch, das Nölen und Rummaulen zu unterlassen. Meine Löwin konnte ja nun wirklich nichts dafür, das ich kein Bargeld dabei hatte. Man gut, das ich mich nicht noch weiter in Rage redete, weil dann werde ich unangenehm.
Schnell schnappte ich einen Fuffziger, den ich bei mir herumliegen hatte, und rannte die Treppen wieder runter zum Auto. Kurz darauf parkte ich den Wagen wieder an der Schule ein. Mein erster Weg führte mich zu Neubauer und zum Mett, nicht das es noch ausverkauft war. Bei meinem Glück heute Morgen…
...wurde meine Geduld weiterhin auf eine harte Probe gestellt. Die Schlange vor der Bedientheke des Schlachters ging durch den halben Laden! Ich durfte mich also auf eine lange Wartezeit einstellen. Wie ich, leicht verärgert dabei, live beobachten konnte, hatten die meisten Kunden ihr Fleisch vorbestellt. Der eine hatte e9ine Gans, der andere einen Braten geordert. Das sollte eigentlich schnell gehen, möchte ich meinen.
Aber weit gefehlt. Jedes einzelne, vorbestellte Stück Fleisch wurde von einer der 5 Verkäuferinnen aus dem Nebenraum nach vorne geholt. Das Fleisch war jeweils schon in Plastik eingepackt, und jetzt kommt es: Die Verkäuferinnen packten vor den Augen des Kunden die Fleischstücke aus dem Plastik wieder aus, um sie auszuwiegen!!! Da hatte jemand z.B. 1 kg Schweinerollbraten bestellt und dann musste das Prachtstück noch einmal abgewogen werden! Hatten die das nicht vorher ausgewogen?
Das halte ich für unwahrscheinlich, weil die Verkäuferinnen dann sicherlich von den Braten etwas weggeschnitten hätten – der wird ja wohl auch nach Gewicht bestellt, oder? Auf alle Fälle dürfte das Blockmett alle sein, wenn ich endlich dran bin. Doch oh Wunder, ich hatte Glück und bekam noch mein halbes Pfund von dem geilen Stoff. Dazu griff ich noch eine Lore von dem Fenchelschinken ab.
Baguette und Brötchen holte ich noch schnell von Milkau ab, dann endlich konnten meine Löwin und ich frühstücken. Das Blockmett atmeten wir förmlich ein, ich denke, ich hatte mich schlichtweg und ergreifend überfressen. Dennoch war ich nach dem Frühstück besser drauf, Frust und Ärger vom Morgen konnte ich gut vergessen.
Ab jetzt war Weihnachten schön, wenn auch zeitweise anstrengend. Am Heiligabend hatten wir Phil zu Besuch. Nach der üblichen Gans am Nachmittag gingen wir schnurstracks zur Bescherung über. Hinterher spielten wir noch stundenlang Skat. Einen gemütlichen und entspannten Abend hatten wir gehabt. Phil sehen wir ja auch nicht so häufig, und demnächst übernimmt er die Leitung eines kleinen Betriebes der Conti AG im Weserbergland, da werden wir ihm noch beim Umzug von Hannover nach Göttingen helfen können.
Umgezogen sind gerade auch Danny und Jessica. In dem gekauften Haus, 2 Straßen von ihrer alten Wohnung entfernt, hat die Prinzessin (Jessicas Tochter) 2 Zimmer zur Verfügung. Alle Drei hatten wir am 2. Weihnachtstag zum Essen zu Besuch. Sie brachten auch Bernhard und Bianca, die Eltern von Jessica, gleich mit. Beide waren über Weihnachten zu Besuch aus der Schweiz angereist.
Da die Mannschaft im Anschluss noch zum Weihnachtsmarkt wollte, verließen uns die Gäste schon am späten Nachmittag. Das fand ich dann doch etwas schade, denn schon bei ihrem Besuch im Vorjahr hatten wir uns gerade mit Bernhard und Bianca gut verstanden. Wir hatten zwar nicht gespielt, aber ich nutzte die Gelegenheit, um mit Bernhard das eine oder andere Wolters zu trinken.
Da sich gerade auch die Prinzessin im Laufe des Nachmittags gut eingroovte, hatten wir ein kurzweiliges Beisammensein am 2. Weihnachtstag. Das Geschwistertreffen mit Berta und Sunny fiel dagegen aus naheliegenden Gründen aus. Mehr dazu könnt Ihr in der wohl 40teiligen Serie lesen, die am Silvester gestartet ist.
Natürlich hier auf diesem Blog.

Mittwoch, 11. Januar 2017

Hartmudo: Weihnacht 2/3

Auf dem Rückweg vom geschlossenen Cafe kam mir meine Löwin schon mit sorgenvollem Blick entgegen. Das beruhigte mich etwas, ich riss mich zusammen. Sie fragte mich zielgerichtet, ob ich die Brieftasche verloren hatte oder ob sie mir geklaut wurde. Ich konnte mich schlecht konzentrieren, alles stürzte auf mich ein. Meine Gedanken drehten sich schneller und schneller, mehrere Gedanken kollidierten förmlich miteinander.
In einer Seitenstraße links von uns standen die Bullen. Meine Löwin lotste mich dorthin, fast schon widerwillig kam ich mit. Ich wollte diese Scheiße nicht noch mal erleben. Vor 15 Jahren hat mich die Wiederbeschaffung meiner geklauten Papiere monatelang beschäftigt und sowohl Zeit als auch Nerven gekostet. Und damals hatte ich noch ein Auto. Allein die Vorstellung, das ich die ganzen Wege mit Bus und Bahn erledigen müsste, brachte mich schier um den Verstand. Das brauchte ich wirklich nicht.
Während meine Löwin den Bullen die Situation schilderte, hing ich in der Hotline meiner Bank. Klar, als allererstes musste ich einfach meine Karten sperren. Das ging auch unproblematisch und schnell, was fehlte, war meine Visa. Die Nummer des Sperrservices hatte ich eben nicht dabei. Daher gingen wir noch einmal in die Hütte zurück, um uns zu verabschieden. Auch Ulf fragte mich noch einmal ab, um mir zu helfen, mich an den Nachmittag zu erinnern.
War leider zwecklos, ich hatte im Hirn eine regelrechte Blockade. Im Auto, auf der Fahrt zurück nach Braunschweig, hing ich meinen trüben Gedanken nach. Fieberhaft überlegte ich hin und her. Entweder hatte ich die Brieftasche im Cafe oder im Bus liegen gelassen. Beim Finnen hatte ich zwischenzeitlich noch nachgefragt, da hatte ich sie wohl nicht liegen gelassen. Und wenn sie mir geklaut worden war, konnte ich eh nur hoffen, das der Räuber die Brieftasche in irgendeinen Briefkasten schmeißt, damit ich nicht allzu viele Laufereien habe.
Meine Löwin nahm die ganze Angelegenheit ganz schön mit. Das war das Schlimmste an der Angelegenheit, das war richtig niederschmetternd. Schnell ließ ich zuhause die Visa sperren, dann tröstete ich noch meine Löwin, die alsbald einschlief. Ich köpfte noch das eine oder andere Bier, bevor ich mich hinlegte, und legte meinen Fahrplan für den nächsten Morgen fest, wenn ich im Büro bin.
Als erstes würde ich bei der KVG anrufen, denn irgendwie schien es mir am zutreffendsten, das ich meine Brieftasche beim Bezahlen des Aufpreises für die Fahrkarte beim Fahrer liegen gelassen hatte. Danach würde ich mit dem Cafe telefonieren. Entweder war mir die Brieftasche aus der Jacke gefallen oder ich habe sie im Klo abgelegt. Eine dritte Möglichkeit sah ich nicht, ich würde beim Scheitern der ersten zwei Möglichkeiten in den sauren Apfel beißen müssen und hätte demzufolge viel Arbeit vor mir.
Im Bus zog ich mir am Mittwochmorgen eine Fahrkarte und fuhr nach Salzgitter. In meinem Büro fieberte ich förmlich dem Zeitpunkt entgegen, an dem ich endlich bei der KVG anrufen konnte. Gegen 8.30 Uhr rief ich dann endlich an, wurde von der Mitarbeiterin der KVG in Salzgitter an die Mobilitätszentrale am Kornmarkt in Wolfenbüttel verwiesen. Und siehe da, meine Brieftasche befand sich dort!
Die Mitarbeiterin in Wolfenbüttel hatte mich sogar schon zuhause angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Was für eine Erleichterung! Ich machte früher Feierabend und fuhr erneut mit dem Schnellbus nach Wolfenbüttel. Überglücklich nahm ich meine Brieftasche entgegen und spendete noch einen Zehner für die Kaffeetasse, das war das Mindeste. Ein emotionelles Auf und Ab lag hinter mir; Mittwoch vor Weihnachten war somit der schönste Tag seit langem, wie Ihr Euch unschwer vorstellen könnt.
Fehlt jetzt noch nach dem Depri der Aggro. Den hatte ich Heiligabend, und zwar nach dem Aufstehen. Den Freitag hatte ich noch gearbeitet, trotz eines Treffens zum Doko im Come in am Vorabend. Freitag Abend war ich ergo dementsprechend ermattet, aber Samstag früh – Heiligabend – wollte ich zum Frühstück für meine Löwin und mich noch Brötchen und Mett aus dem Einkaufszentrum besorgen.
Klassischerweise nehme ich mein Fahrrad für diese kurze Strecke, aber ich habe die Fitness in den letzten Monaten etwas schleifen lassen. Hinzu kam an diesem Morgen, das ich noch ein Päckchen von Amazon aus der Packstation abholen wollte. DHL hatte das Päckchen natürlich nicht in die von mir gewählte Packstation an der Aral um die Ecke hinterlegt, sondern in die Packstation am Affenfelsen. Anstatt das Päckchen wenigstens in deine der Stationen am Bahnhof zu packen, wo ich jeden Tag problemlos vorbeikomme, stecken sie das Ding in die Hamburger – Ecke Ring – Packstation.
Ganz klar, ich brauchte das Auto. Das Päckchen hatte ich schon 3 Tage in der Packstation liegen lassen, es wurde also Zeit, es abzuholen. Der Inhalt des Päckchens bestand übrigens aus einem Geschenk für den Menschen, der mir am wichtigsten ist – für mich! Aber als erstes würde ich Brötchen und Mett besorgen. Nicht das das Blockmett morgens um halb Neun bereits ausverkauft ist.
Meine Löwin wollte ich nicht zu lange warten lassen, deshalb brach ich überhastet auf. Schnell war ich im Einkaufszentrum und fand auch gleich einen Parkplatz vor der Schule gegenüber. Und groß war dann meine Freude, als mir der Pionier entgegenkam. Mit dem Pionier bin ich mehr als 5 Jahre lang zusammen zur Arbeit gependelt; mit Bus und Bahn nach Salzgitter. Erst als die Taktung des Zuges verbessert wurde und die Abfahrtzeit um 30 Minuten verschoben wurde, trennten sich unsere Fahrwege.
Der Pionier fährt seit einigen Jahren mit dem Bus nach Salzgitter; ich dagegen fahre mit dem Rad zum Bahnhof und dann mit dem Zug. Auf der Arbeit sehen wir uns nie, da der Pionier in einem anderen Amt arbeitet. Umso mehr freute ich mich, ihn am Heiligabend eine frohe Weihnacht wünschen zu können. Er saß schon im Auto und fuhr gerade wieder weg. Auch der Pionier war beim Schlachter und Bäcker gewesen, jetzt ging es für ihn auf dem direkten Weg nach Hause.

Sonntag, 8. Januar 2017

H Lecter: Onkel Hotte 6/x

6
Onkel Hotte und ich soffen uns noch durch ein oder zwei andere Bars, bis wir bei beginnender Dämmerung in den Schluchten der Bettenburgen für die Touristen das Lokal von Günter Siebert anliefen.
"Oscar's Tanzpub" in Playa del Ingles, da dürfte bei jedem Schalke Fan das Herz etwas höher schlagen. Oscar war der Spitzname von Günter Siebert, der in der letzten Schalker Meistermannschaft von 1958 spielte und ab Ende der 60er Jahre jüngster Präsident eines Bundesligisten aller Zeiten war. Ende der 70er und 1988/89 war er noch jeweils für knappe 2 Jahre Präsident von Schalke 04, ehe er sich komplett nach Gran Canaria zurückzog.
Der Eingang befindet sich direkt neben dem Eingang zum 4 Sterne Hotel Dunamar (so heißt der Bau heute, falls Du mal dorthin willst). Das einzigartig pyramidenförmige Gebäude liegt direkt gegenüber dem Playa del Ingles und ist natürlich nichts für den 20jährigen Metalfan. Das war mir nach dem ersten Blick in den Laden sofort klar.
Es versteht sich von selbst, das Günther Siebert sofort auf uns losstürmte, um seinen alten Freund Onkel Hotte persönlich zu begrüßen. Hotte versäumte es auch nicht, mich Günther vorzustellen. Artig gab ich dem ehemaligen Präsidenten des FC Schalke die Hand und schwätzte ein wenig mit dem braungebrannten Ruheständler. Ich weiß zwar nicht mehr, über was wir uns unterhielten, weil ich vom vielen Wodka Lemon schon gut angeschiggert war.
Spätestens jetzt sollte endgültig klar sein, das Onkel Hotte mitnichten nur der ständig besoffene Penner war, der in seiner Stammkneipe in Lebenstedt auch schon mal im Schlafanzug auftauchte. Er war früher halt sehr viel herumgekommen dank seines Jobs, ist aber immer bodenständig geblieben. Bedauerlich finde ich dagegen, das Wastl, der ihn ja am allerlängsten kannte, Onkel Hotte immer nur als fertigen Säufer hinstellte. Dieses Bild wurde Onkel Hotte in keinster Weise gerecht.
Genug geredet, es wurde Zeit, an die Theke zu gehen. Da ich die Sonnenbrille mittlerweile abgesetzt hatte, konnte ich auf dem Weg zur Theke schon einmal die Kneipe checken. Das Musikprogramm bestand aus den üblichen Schlagern, bloß nichts aktuelles, sondern eher 20 bis 30 Jahre altes Zeugs.
Alles zu zweit tanzbar, deshalb war die Tanzfläche auch voll mit Pärchen ab Ende 40, und das ist noch geschmeichelt. Vorsichtig schlängelten wir uns durch die Tänzer durch, denn das war der einzige Weg zur Theke. Wodka Lemon, bitte! Und das reichlich.
Nach kurzer Zeit hatte Onkel Hotte sich mit einer Frau an dieser Theke festgesabbelt, die Drinks hielten das Gespräch am Laufen. Schön, das Hotte in diesem Laden sein passendes Beuteschema gefunden hatte. In den anderen Läden, die wir aufgesucht hatten, war das Alter des Publikums erheblich geringer als hier. Das ist nichts für Onkel Hotte gewesen, solch „junge Dinger".
Bei mir war das logischerweise eher umgekehrt. In den anderen Läden hatte ich die ganze Zeit sicherlich immer auf die Mädels geschaut, aber ich war ja mit Onkel Hotte unterwegs und außerdem eher am Saufen interessiert. Wenigstens konnte ich so meine große Schüchternheit überspielen, die mich seinerzeit immer noch Plätze.
Umso erschrockener war ich deshalb, das ich von einer der anwesenden Damen In „Oscar's Pub" angesprochen wurde. Sie war aber ganz nett und ich wollte Onkel Hotte, der neben mir stand, nicht die Tour vermasseln. Ach Scheiße, nein, ich war breit und die Frau war ganz nett und sah dann wohl doch nicht wie eine Oma kurz vor der Rente aus.
Bestimmt war sie viel jünger, sondern wäre ich auch nicht mit ihr auf die Tanzfläche gegangen, oder? Hatte ich vielleicht doch noch auf dem Klo eine Rakete gezündet, weil der ganze Laden förmlich danach schrie? Für mich war die ganze Szenerie einfach nur suspekt; Die tanzenden Rentner, die hier noch einmal auf blühten und ihren Spaß hatten. Zuhause in Braunschweig wäre ich aus so einem Laden sofort raus gerannt, da hätte ich es nicht einmal auf ein Bier durchgehalten.
Aber hier auf Granni war es etwas anderes, dazu war ich ja mit Onkel Hotte unterwegs. Und er hatte es auch verdient, einmal in einem Laden zu sein, wo er sich wirklich wohlfühlte. In den ganzen „Disco Kneipen" kam er sich wahrscheinlich wie ein Fremdkörper vor und dort sich einfach zu. Sein Sarkasmus half ihm in solchen Läden natürlich weiter. Nur hier bei Günther Siebert fand er adäquate Gesprächspartnerin, wo er auch freiwillig einen schmalen Fuß machte.
Und nicht nur bei Gesprächen an der Theke, nein! Auf der Tanzfläche schob er eine Frau von Nord nach Süd, so wie man es in der Tanzschule gelernt hatte. Außer mir selbstverständlich, denn ich habe nie die Tanzschule besucht. Nicht weil ich Mädchen doof fand, sondern weil ich mich nicht drum gekümmert hatte und meinen Eltern dies egal gewesen war.
Hoffentlich hatte ich der Frau nicht allzu häufig auf die Füße gelatscht, aber ein begnadeter Tänzer war ich sicherlich nicht. Irgendwann war der Alptraum auf der Tanzfläche vorbei und wir fanden uns an der Theke wieder. Ich hatte den festen Vorsatz gefaßt, Onkel Hotte zu unterstützten und hier auszuhalten, auf das er mit der Frau verschwindet und ich mich schnellstmöglich zurück in unser Appartement begeben könnte.
Doch Onkel Hotte hatte nicht wirklich ein Interesse an der Frau, er wollte lieber mit mir durch die Kneipen ziehen. Oscar's Tanzpub hatte er mir ja nun vorgestellt, jetzt aber war es an der Zeit zu gehen, worüber ich nicht unglücklich war. Ich weiß nicht mehr, ob wir hinterher noch im „Pflaumenbaum" waren, aber irgendwo werden wir sicher noch versackt sein.
Lull und lall sind Onkel Hotte und ich dann irgendwann zu nachtschlafender Zeit in unser Appartement getorkelt, wo ich dann noch eine Abschlussrakete steigen ließ, obwohl ich auch ohne diese hätte einschlafen können. Aber es gibt ja Rituale, ohne die geht es nun einmal gar nicht.

Donnerstag, 5. Januar 2017

Hartmudo: Weihnacht 1/3

Weihnachten sollte für mich eigentlich am Dienstag, dem 20. Dezember beginnen. Zum ersten, weil jetzt endlich alles in Sachen Nachlass meiner Mutter in trockenen Tüchern schien. Sprich: Ich musste mich nicht mehr mit meiner Schwester herumärgern, weil jetzt nur noch ein Makler mit dem Wohnungskauf beschäftigt ist und wir keine langwierigen Diskussionen mehr führen müssen.
Und zum zweiten, weil wir uns an diesem Tag um 18.00 Uhr mit den Trantüten auf dem Weihnachtsmarkt Wolfenbüttel treffen wollten. Wie jedes Jahr also das Treffen dort mit den Trantüten. Nach all dem Nerv der letzten Wochen konnte ich mich endlich einmal wieder auf etwas freuen. Was für eine Wohltat!
Auf der Arbeit hatte ich für meine Kollegin den Urlaubsantrag für die Woche vor Weihnachten abgezeichnet. Daher hatte ich den Tag über gut zu tun und freute mich auf den Feierabend wie schon lange nicht mehr. Und das, obwohl ich sogar noch eine Stunde länger als normal arbeitete. Ich wollte schon eine Stunde vor dem Treffen in Wolfenbüttel sein, um noch in Ruhe einen Kaffee zu trinken und an meiner Story über Mutter arbeiten zu können.
Voller Zuversicht und Vorfreude stieg ich am Lebenstedter Bahnhof um zwanzig nach Vier in den Schnellbus nach Wolfenbüttel. Meine Monatskarte nützte mir hierbei nur zum Teil etwas, denn nur die Strecken in Braunschweig und Salzgitter sind damit abgedeckt. Nach Wolfenbüttel musste ich was zuzahlen.
Ich zeigte also dem Fahrer meine Monatskarte aus der Brieftasche und legte diese dann an die Seite auf die Münzablage beim Fahrer, weil ich noch 3 Euro dazulegen musste, um nach Wolfenbüttel gelangen zu können. Das Bargeld trage ich von den Papieren getrennt in einer kleinen Geldbörse, vorne in der Hosentasche, seitdem ich vor 15 Jahren mal beklaut worden war und monatelang Rennereien hatte, um meine verloren gegangenen Papiere neu ausstellen zu lassen.
Nach dem Bezahlen setzte ich mich schnell hin und verschlang die Seiten in „Aurora“, dem Buch, welches ich zur Zeit lese. Am Kornmarkt in Wolfenbüttel stieg ich aus, der Weihnachtsmarkt ist dort gleich um die Ecke. Ich schlich noch blind in der Gegend herum, weil ich eine Kneipe oder ein Cafe suchte, wo ich mich hinsetzen und auch Platz zum Schreiben hätte. Im Cafe am Markt“, an dem ich anfangs schon vorbei gegangen war, fand ich letztendlich noch ein ruhiges Plätzchen.
Ich setzte mich, zog die Jacke aus und schaltete das Tablet ein. Dazu bestellte ich mir einen Pott Kaffee. Am Nebentisch unterhielten sich 2 noch ältere Männer als ich angeregt miteinander. Meine Finger huschten über die Tastatur; die Zeit verging wie im Flug und ich schaffte sogar mehr als eine Seite. Das ist gut für eine Dreiviertelstunde.
Danach holte ich mir ne Bratwurst und einen Apfelpunsch mit Schuss. Ich hatte gerade den ersten Schluck genossen, als meine Löwin anrief. Die anderen Trantüten hatten sich schon alle vor unserem bevorzugten Bräter versammelt. Ich eilte mit dem Punsch dorthin und ab da ging es fröhlich weiter. Mit Charles und Ralle redete ich mich so richtig in Fahrt. Keine Frage, dies war ein schöner Abend.
In der einzigen Hütte mit Sitzplätzen drängten wir uns schließlich an einen Tisch. Noch waren wir nicht alle beisammen – unter anderem meine Löwin fehlte, aber Charles orderte vorsichtshalber ein Stützbier. In der Hütte war es warm, so das ich endlich meine Jacke öffnen konnte.
Wie ihr alle wisst, hat Sheldon Cooper so seine Ticks auf Lager. Zwanghafte Handlungen, die er immer wieder ausführt wie z.B. das dreifache Klopfen an Haustüren mit Ausrufen vom Namen des Bewohners. Mein Tick besteht in der Kontrolle meiner mitgeführten Utensilien. In der Winterjacke taste ich also zuerst nach dem Handy in der linken Tasche, danach folgt die Brieftasche in der oberen Innentasche.
Und was war das? Die Brieftasche war nicht an seinem Platz. Mein Herz schlug sofort schneller, die Atmung beschleunigte sich rasant. Ich kontrollierte alle Taschen meiner Kleidung, und oh Schreck: Die Innentasche, wo die Brieftasche normalerweise beheimatet ist, stand offen und war leer. Auch eine gründliche Untersuchung meiner Bürotasche brachte kein Ergebnis. Mensch, Hartmudo, denk nach!
Hatte mir jemand die Brieftasche aus der Jacke geklaut? Unwahrscheinlich, denn die Jacke war die ganze Zeit über geschlossen. Oder etwa nicht? Hatte ich beim finnischen Glök meine Jacke vielleicht geöffnet, weil ich ja bekanntermaßen ein heißer Typ bin? Eher unwahrscheinlich – also die offene Jacke jetzt. Hatte ich sie nicht irgendwo rausgenommen…
Das Cafe! Da hatte ich die Jacke ausgezogen, vielleicht war die Brieftasche ja am Tisch herausgefallen. Oder ich hatte sie auf die Ablage bei den Urinalen abgelegt, als ich vor dem Verlassen der Lokalität nochmals meine Blase entleerte. Das war die wahrscheinlichste Möglichkeit.
Schnell verließ ich die Hütte, murmelte noch irgendetwas Unverständliches vor mich hin. Das Bier und Charles wie Ralle ließ ich stehen. Wahrscheinlich kreidebleich hastete ich Richtung Cafe, welches typischerweise bereits geschlossen hatte. Auf dem Weg dorthin lief mir meine Löwin über den Weg. Ich raunte ihr nur ein aggressives „Die Brieftasche ist weg“ entgegen. Meine Güte, sie konnte ja nun wirklich nichts dafür.

Sonntag, 1. Januar 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

2
Am Sonntag radelte ich dann mit meiner Löwin in die Klinik Salzdahlumer. Kopfschmerzen hatte ich trotz des Suffs am Vortag mit Detzer und Nelling keine, so dass sich die Fahrt trotz des schwülen Wetters bei stechender Sonne gut bewältigen ließ. Es war wohl auch diese sonnige Wetterlage, die da bereits seit einigen Tagen vorherrschend war., die für Mutters Zusammenbruch verantwortlich zeichnete.
Seit bald zwei Tagen lag Mutter jetzt schon auf dieser Station, zusammen mit zwei anderen älteren Damen. Aber im Vergleich zum Dienstag, an dem ich sie zuletzt gesehen hatte, war sie nicht wiederzuerkennen. Sie sah schon erheblich besser aus. Sie hing ja auch am Tropf und bekam Flüssigkeit eingeträufelt. Sie konnte sogar schon wieder meckern. Über das schlechte Essen hatte sie viel zu erzählen, dazu hätte man sie stundenlang in der Notaufnahme unbehandelt liegen lassen, nachdem sie gestürzt war und dann lange in ihrem eigenen Blut gelegen hätte.
Als ich den Pfleger darauf ansprach, wurde er sofort elektrisch. Er zeigte mir irgendwelche Protokolle, durch die ich eh nicht durchstieg, und versicherte mir hoch und heilig, dass dies nicht so gewesen sein könne und Mutter dies verwechseln müsse. Ich halte es ebenfalls für wahrscheinlicher, dass Mutter noch in ihrer Wohnung hingefallen ist, so schwächlich, wie sie wohl war.
Gebetsmühlenartig versuchte ich ihr beizubiegen, dass sie nicht wegen eines Fehlverhaltens ihres Hausarztes dort eingeliefert werden musste. Dieses fantasierte sie sich zusammen, weil sie eben der Wahrheit schon immer entsagt hatte. Sie war schlichtweg dehydriert und hatte noch dazu kaum etwas gegessen, falls überhaupt. Dazu dann waren im Krankenhaus die Kartoffeln zu hart, das Fleisch war auch nicht richtig und und und. Ich bin ja schon mäkelig, aber Mutter toppt alles.
Meine Löwin und ich versuchten ihr eine Kurzzeitpflege nahe zu bringen. Ein betreutes Wohnen konnte sich Mutter zu diesem Zeitpunkt schon vorstellen, in ein Altersheim wollte sie aber partout nicht. Der soziale Dienst des Krankenhauses sollte sich um die Beantragung einer Pflegestufe kümmern. Derweil versprach ich Mutter, sie am Dienstag wieder zu besuchen.
Und so machte ich das dann auch. Am Dienstag stieg ich wie gewohnt aus dem Zug, ging aber zuerst zu Rossmann, um für Mutter eine Kiste Raffaello mitzubringen. Macht man ja, wenn man jemanden im Krankenhaus besucht. Auch heute stach die Sonne wieder mächtig, als ich dann mit dem Fahrrad in die Klinik Salzdahlumer fuhr.
Mutter sah noch ein Stückchen besser als letztes Mal aus. Die Infusionen mit Flüssigkeit zeigten offensichtlich die erhoffte Wirkung. Das hinderte Mutter natürlich nicht am Meckern. Sie würde die falschen Medikamente bekommen, meinte sie. So zum Beispiel eine blaue statt einer gelben Tablette. Ich formuliere das hier so überspitzt, um zu verdeutlichen, dass Mutter den Unterschied zwischen Wirkstoff einer Medikation und dem Hersteller eines Medikaments nicht wirklich klar ist. Egal ob rund oder eckig, auf den Wirkstoff und die Dosierung kommt es an. Das will sie aber partout nicht verstehen.
Zwischendurch musste ich noch das Zimmer verlassen, weil eine ihrer Zimmergenossinnen den WC Stuhl neben dem Bett benutzen wollte. Das formschöne Teil, in einem dekorativen Dunkelblau gehalten, stand quasi genau vor Mutters Nase. Warum es Mutter im Krankenhaus nicht gefiel, wusste ich jetzt immer noch nicht….
Anschließend die übliche Litanei über das Essen und meine „bösen“ Schwestern. Oder die Nachbarin, die die Treppenwoche nicht machen wollte. Immer, wenn ich versuchte, sie für die Zeit nach dem Krankenhaus zu sensibilisieren, faselte sie von der Nachbarin, dem schlechten Krankenhausessen oder beklagte die Medikation. Sie fühlte sich im Stich gelassen, war aber nicht bereit, sich der Zukunft zu stellen. Oder war sie schon am Anfang der Demenz?
Letzteres würde ich erst einmal verneinen, da sie schon immer wild herumfantasierte, wenn es eng wurde. Das ist für mich nichts Neues.
Jedenfalls fuhr ich hinterher unverrichteter Dinge nach Hause. Der Sozialdienst war immer noch nicht da gewesen. Und bereits zum Wochenende sollte sie wohl entlassen werden, da sie nicht mehr akut gefährdet war und durch die Infusionen etwas aufgepäppelt worden war.
Am Freitag, dem 29.7., schaute ich noch einmal vorbei. Diesmal hatte ich Jaffa Cake dabei. Als ich endlich das Zimmer betrat, schlief Mutter gerade. Ich wollte sie nicht wecken und versuchte mein Glück im Schwesternzimmer.
Und Hurra, der Arzt war da. Ein Dr. Vogel sollte der behandelnde Arzt sein, so hatten es mir meine Schwestern schon im Vorfeld gesagt. Und jetzt hatte ich die Gelegenheit, mich mit ihm persönlich zu unterhalten. Er sagte mir, dass er schon dabei sei, Mutter auf eine Kurzzeitpflege einzustimmen. Für ihn war das Ganze die übliche Routine mit den Geronten, dasselbe gilt sicherlich auch für den Umgang mit den Angehörigen wie mir. Jedenfalls war ich jetzt frohen Mutes, das wir Mutter von der Notwendigkeit einer Kurzzeitpflege überzeugen könnten. Dr. Vogel stimmte mit mir auch darin überein, dass sie sich dort hoffentlich so wohl fühlen möge, dass ein anschließender dauerhafter Heimaufenthalt gesichert wäre.
Uns allen, bis auf Mutter natürlich, war schon längst klar, dass dies der einzig mögliche Weg sein dürfte. In ihre Wohnung im 3. Stock kommt sie schließlich nicht mehr alleine hoch, sie würde ihre Wohnung nie mehr verlassen können. Würde Mutter sich aber dieser Wahrheit auch stellen können, oder würde sie weiter zicken wie ein kleines Mädchen?
Ich war erstaunt, dass sie an diesem Tag einsichtig war. Ihre Gespräche mit Dr. Vogel hatten wohl doch geholfen. Ich bekam ein gutes Gefühl, das es jetzt angehen könnte. Es fehlte nur noch das Engagement des sozialen Dienstes und schon könnte es losgehen. Mutter sperrte sich nicht mehr gegen die Kurzzeitpflege, war allerdings beim Thema einer dauerhaften Unterbringung nicht wirklich begeisterungsfähig.
Wenigstens schien es ihrer Bettnachbarin besser zu gehen. Während meines vielleicht halbstündigen Aufenthaltes im Zimmer benutze sie den WC Stuhl gleich zweimal. Beim zweiten Mal, da war ich eigentlich schon im Aufbruch, kam Mutter ebenfalls mit nach draußen. Sie benutzte den Rollator, den ihr Sunny freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte. Eine Leihgabe von Grace.
Apropos Grace: Kaum war ich hinterher zu Hause, ging es auch gleich weiter nach Dettum zum Hoffest von Frankie und Grace. Unser Kegelverein war ja eingeladen; leider kamen nur noch Berta und Bud mit. Es gab dort wieder Eierlikör satt und gezapftes Bier. Wir hatten dort einen sehr schönen Abend. Meine Schwestern und ich schafften es sogar, nicht über Mutter zu reden. Gut benuschelt (ich, nicht sie) fuhr uns meine Löwin hinterher heim.