Donnerstag, 28. Januar 2016

Hartmudo: Fargo

Als ich im November/Dezember krank darniederlag, startete ich noch schnell mit der zweiten Staffel von Fargo durch. Netflix hatte jeden Mittwoch eine neue Folge eingestellt, und ich war von Anfang an begeistert. Die erste Staffel war ja schon toll, aber diese zweite Staffel brachte nochmals eine Steigerung.
Die zweite Staffel spielt im März des Jahres 1979 im tief verschneiten Fargo, North Dakota sowie in Minnesota und South Dakota. Wir erleben hier ein Wiedersehen mit Lou Solverson, dem Vater des State Trooper Molly Solverson aus der ersten Staffel, allerdings knapp 25 Jahre jünger. Molly taucht lediglich als krabbelndes Baby auf.
Diesmal wird das Ehepaar Peggy und Ed Blumquist unfreiwillig in die blutigen Machenschaften der organisierten Kriminalität hineingezogen. Die deutschstämmige Familie Gerhardt hat das Geschehen in Fargo fest in ihrer Hand und über 2 Generationen ein örtliches Syndikat mit Prostitution und Drogenhandel aufgebaut. Patriarch Otto ist dank eines Schlaganfalls nicht mehr handlungsfähig, so dass seine Frau Floyd als „Grand ole Dame“ die Entscheidungen treffen muss. Ihre 3 Söhne Dodd, Bear und Rye wetteifern derweil um die Nachfolge des Vaters.
Der Schlamassel beginnt, als Rye, der jüngste der 3 Brüder, in einem Wafle Diner ein Blutbad anrichtet und dann von Peggy Blumquist, einer Frisörin mit dem Drang zur Selbstverwirklichung, auf dem Parkplatz überfahren und mitgeschleift wird, weil er nach dem letzten Schuss durch ein vorbeifliegendes UFO abgelenkt wird.
ein Wetter wie in Fargo

Peggy (Kirsten Dunst mit einer steinstarken Leistung) macht das, was eine Frau in so einer Situation als erstes tut: Sie fährt gemütlich nach Hause, parkt den Wagen in der Garage und macht ihrem Mann Ed, einem Schlachter aus Fargo, der davon träumt, das Geschäft seines Chefs zu übernehmen und mit seiner geliebten Peggy eine Familie zu gründen, das Abendessen. Dies kriegt der Zuschauer aber genialerweise erst am Ende der ersten Folge mit, als Ed in der Garage den schwerverletzten Rye totschlägt und dessen Leiche in der Tiefkühltruhe zwischenlagert.
In der Folge suchen nicht nur Dodd und Bear nach ihrem Bruder, sondern auch das Syndikat aus Kansas City, welches ihren Einfluss auf Kosten der Gerhardts weiter ausdehnen möchte. Vor Ort werden hier Mike Mulligan und die Kitchen Zwillinge aktiv. Nachdem die Gerhardts dank eines Hinterhalts einen Trupp des Syndikats auslöschen können, geraten sie langfristig ins Hintertreffen, zumal Mulligan Dodds Tochter Simone vögelt und daher immer gut informiert ist.
Auch die Polizei, vor allem Lou Solverson und sein Schwiegervater Hank Larsson, sind jetzt hinter Rye wegen des Blutbads im Diner her. Derweil steckt dieser schon längst im Fleischwolf von Ed und wird so vollständig entsorgt. Doch nach und nach zieht sich das Netz immer enger um das Ehepaar Blumquist, bis nach einem längeren Showdown in einem Motel fast alle Protagonisten ihr Leben verlieren.
Bei dieser Schießerei wird Lou Solverson lediglich durch ein am Himmel auftauchendes UFO gerettet, so dass er Bear erledigen kann. Ed stirbt auf der Flucht in einem Kühlhaus in den Armen von Peggy, nachdem ihm ganz am Ende endlich klar geworden war, das Peggy nicht wirklich die Frau seines Lebens ist. Peggy hat die Vorgänge nicht wirklich verstanden und wird von Lou verhaftet.
In einem überragenden Ensemble stechen für mich 3 Charaktere hervor. Da wäre zunächst Dodd Gerhardt, dessen Macho Gehabe gepaart mit der Gewitztheit und Brutalität eines Hinterwäldlers von Jeffrey Donovan, der hier einen erfrischend anderen Charakter spielt als in „Burning Notice“, einer leider total unterbewerten Serie des letzten Jahrzehnts. Dieser stechende Blick, die Arroganz zu glauben, dem Syndikat aus Kansas City gewachsen zu sein… Klasse.
Hanzee (gesprochen Hansi), ist die rechte Hand von Dodd und ein Sioux, der von den Gerhardts als Kind aufgenommen wurde und letztlich für die Auslöschung dieser Familie sorgt, einfach weil er alle Weißen hasst. Der Auslöser dieses Hasses bleibt ungewiss, aber diese Coolness und Lässigkeit, mit der er die Leute in die ewigen Jagdgründe schickt, jagt mir einen Schauer über den Rücken. Seitdem gehe ich immer sehr wachsam zu Kaufland, weil der Marokkaner am Kleiderstand davor nicht nur aussieht wie Hanzee, sondern auch so guckt. Hanzee ist einer der wenigen Überlebenden und taucht hoffentlich in der 3. Staffel wieder auf. Dodd knallt er einfach mal so eben ab, weil er ihn nervt.
Und dann ist da noch Mike Mulligan. Bokeem Woodbine spielt diese Figur haargenau wie Samuel L. Jackson in Pulp Fiction, bloß die Koteletten fehlen. Die Kopie von Jackson wäre hier der einzige Kritikpunkt, aber Samuel L. Jackson hatte das seinerzeit so gut hingekriegt, das auch eine Kopie immer noch gut aussieht. Auch Mulligan überlebt das Gemetzel und steigt im Syndikat in der Hierarchie auf. Ironischerweise besteht seine Beförderung in einem kleinen Büro in der Hauptverwaltung des Syndikats. Ein Buchhaltertyp macht Mulligan in deutlichen Tönen klar, das die 70er und die Zeit der offenen und bewaffneten Konflikte vorbei sind, das machen jetzt austauschbare Schläger. Buchhalter sind jetzt gefragt.
Und diese Stelle im letzten Teil der Serie hat mich dann nochmals frösteln lassen, weil so isses ja halt. Es gäbe jetzt noch viel mehr über die 2. Staffel zu erzählen, aber schaut es euch selber an. Wer Tarantino oder auch Rodriguez für gut befindet, egal was sie drehen, der darf sich dieses Highlight nicht entgehen lassen oder hat den Schuss nicht gehört. So wie der Tankwart im letzten Teil, als Hanzee ihn abknallt.
Die letzten beide Teile hatte ich mir witzigerweise 3 Wochen lang zurückgelegt, damit ich sie mir im Flixbus auf der Fahrt nach Berlin zu Urmels Geburtstag ansehen konnte. Das WLAN war zwar leider zu langsam für den Stream, aber ich hatte auf meiner Online Flat noch genügend Reserve, um mir Fargo auf der Hinfahrt reinzuziehen. Die Party von Urmel war übrigens klasse, selbst Kroll war hinzugekommen und half Pocke und mir beim Mümmelmann. Angeregt unterhielt ich mich mit einigen Gästen, die ich gar nicht kannte.
die Stadtmusikanten

Vielleicht liegt meine Lockerheit derzeit auch an der offenbar erfolgreichen Behandlung mit den Metex Spritzen. Ich bin zwar nicht schmerzfrei, aber erheblich beweglicher und sicherer als vorher. Bloß auf die Waage traue ich mich zur Zeit nicht, aber egal. Ich will partout nicht mehr wegen so ner Sch… ins Krankenhaus.
Auf der Rückfahrt reichte es übrigens noch für Clone Wars. Das war wirklich die entspannteste Fahrt nach Berlin seit Ewigkeiten, da kommt die Bahn nicht mit. Mit der Bahn war ich am Tag vor Silvester mit meiner Löwin in Bremen. Bremen selbst hat Spaß gemacht, die Fahrt nicht. Voll war es dort und vor allem laut. Auf der Rückfahrt waren die Klos kaputt und im Bus sitzt man einfach besser. Ist so.
Viel ist passiert zum Jahreswechsel, die beiden Aktionen Bremen und Berlin habe ich wenigstens kurz angesprochen. Nächstes Mal mehr über unsere abgesagte Tour nach Dubai und meine Ängste, mir die Spritzen selbst zu setzen. Die schöne Gartenparty beim ehemaligen DJ meiner Löwin im Schnee will ich nicht vergessen; mit Max und Wittkamp war ich auch noch unterwegs, weil die Weihnachtsfeier Mitte Januar unseres Kegelvereins ausgefallen war.
Gemach, Gemach. Das Jahr ist noch jung.

Samstag, 23. Januar 2016

Special: Contramann – Nur noch kurz die Welt retten

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Auch wenn ich den Kapitalismus in dieser Serie negativ skizziere, eines aber hat dieses Wirtschaftssystem allen anderen in der Geschichte voraus. Es ist das denkbar leistungsfähigste Konstrukt, da dem Menschen die Gier und das Gewinnstreben tief im Innern angeboren ist.
Deshalb ist diese Wirtschaftsform auch in den meisten Bereichen einer Volkswirtschaft die effektivste Möglichkeit, qualitativ hochwertige Produkte zu entwickeln und zu handeln. Je größer auf dem einzelnen Wirtschaftsfeld jeweils die Anzahl der Anbieter ist, desto besser wirkt sich dies für den Kunden aus, da sich ein Verkaufspreis wohl eher auf niedrigem Niveau einpendeln dürfte.
Wenn sich aufgrund des Verdrängungswettbewerbes Oligopole bilden, fängt es an, interessant zu werden. Urplötzlich wird das Produkt teurer, (illegale) Preisabsprachen sind leichter zu organisieren und der Kunde zahlt den erhöhten Preis. Höchstens bei technischen Produkten ist die Chance aber gegeben, dass durch Innovationen oder Erfindungen ein wenig Bewegung in die Gruppe der Anbieter kommt, auf das das Karussell wieder in Bewegung gerät.
Bei Dienstleistungen funktioniert dies leider eher selten bis nie. Insbesondere im Bereich der sogenannten Grundvorsorge können durch Monopole gewaltige Schäden für eine Volkswirtschaft entstehen, wenn der Preis für den „armen“ Kunden nahezu unerschwinglich wird.
Polizei, Feuerwehr, Verwaltung und Schulbildung sind da die großen Klassiker der Grundversorgung oder auch Daseinsvorsorge. Die sind natürlich (noch) in öffentlicher Hand und damit den brutalen Gesetzen des Marktes entzogen. Mal sehen, wie lange dies noch so bleibt.
Zur weiteren Grundversorgung rechne ich jetzt mal den öffentlichen Personenverkehr, die Versorgung mit Strom, Heizung und Wassern sowie die Kommunikation, als da wären Telefonie, Postversand oder auch Rundfunk und Fernsehen. Dies alles ist heute leider größtenteils privatisiert worden, was ich für einen großen Fehler halte.
Es hatte schon seinen Grund, warum die zuerst privaten Eisenbahnbetriebe spätestens in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland verstaatlicht wurden. Der Staat sah sich seinerzeit in der Verpflichtung, ein funktionierendes Verkehrssystem in ganz Deutschland garantieren zu können. Es wäre ja auch Quatsch gewesen, wenn mehrere Firmen eine Verbindung z.B. zwischen Berlin und Hamburg parallel gebaut hätten, am besten noch in verschiedenen Spurweiten.
Da sind wir also schon einmal beim einheitlichen Gleissystem und der Wartung derselben „in einer Hand“. Dies soll ja heuer auch so bleiben, nur sollen jetzt verstärkt konkurrierende Firmen dank des sogenannten Wettbewerbs einzelne Linien betreiben, die vorher die deutsche Bahn in Eigenregie und früher ohne Konkurrenz betrieben hatte.
Dass der Gewinn eines privaten Unternehmens irgendwo herkommen muss (die Fahrpreise bleiben ja unverändert gleich), leuchtet wohl jedem ein. Hier können Gewinne demnach nur über die Personalkosten, sprich schlechter bezahlt und/oder chronisch unterbesetzt, oder aber über schlechter gewartetes technisches Equipment erzielt werden.
Die Sinnhaftigkeit erschließt sich mir hierbei nicht. Der einzige Mehrwert, der hierbei erzeugt wird, kommt irgendwelchen anonymen Firmen und evtl. deren Aktionären zugute. Das Ganze auf Kosten der Belegschaft oder der Kunden. Ein besseres Produkt wie z.B. schnellere und komfortablere Züge wird damit jedoch nicht einmal angestrebt. Oder sind andersfarbige Waggons allein schon ein Fortschritt?
Erwähnen zum Beispiel Bahn möchte ich wenigstens noch die allererste Staatsbahn Deutschlands anno 1838, die Herzoglich Braunschweigische Staatseisenbahn. Für wen so etwas interessant ist, bitteschön:
https://de.wikipedia.org/wiki/Herzoglich_Braunschweigische_Staatseisenbahn
Die zunehmende Aufweichung der erwähnten staatlichen Monopole gefährdet vielleicht nicht den Zusammenhalt und das allgemeine Funktionieren unserer Gesellschaft, birgt aber Risiken für alle.
Wenn ein privatisiertes Staatsunternehmen wie die Bahn oder Post die für einen Betrieb notwendigen Gewinne dadurch maximieren, indem sie die „Wartung“ ihres Betriebes vernachlässigen, wirkt sich das langfristig negativ auf die Infrastruktur aus.
Irgendwann lohnt sich der Betrieb nicht mehr, weil die Flickschusterei bei Reparaturen zu teuer wird. Dann soll der Staat den maroden Laden zurückkaufen und wieder selbst betreiben, natürlich mit voller Wiederherstellung einer optimalen Infrastruktur. Und wenn diese immensen Kosten für die Allgemeinheit dann ausgegeben worden sind, dann kann man ja wieder privatisieren…
Vollkommener Blödsinn ist eine Privatisierung jedenfalls dann, wenn ein staatliches Monopol einfach nur zu einem privaten Monopol umfunktioniert wird. Das Paradebeispiel hierfür sind die privatisierten Regionalbahnen im Eisenbahnverkehr.
Private Firmen wie Erixx oder Metronom haben im Ausschreibungsverfahren Linien der Deutschen Bahn zugesprochen bekommen. Als Alleinbetreiber der jeweiligen Strecken, zum Beispiel Uelzen – Braunschweig oder auch Braunschweig – Goslar, bewirtschaften sie als Nachfolger der deutschen Bahn dieselbe Kundschaft zu von der deutschen Bahn festgelegten Preisen.
Da müssen sie sogar Sparangebote der Bahn übernehmen, ja selbst auf Abfahrzeiten oder Umsteigemöglichkeiten haben Erixx oder Metronom keinen Einfluss. Für den Kunden ändert sich hierbei rein gar nichts. Nur die Zugfarbe ist anders. Doch das zusätzlich erforderliche Abrechnungswesen zwischen Bahn und bspw. Erixx bei einer Fahrt mit Umstieg in eine andere „Firma“ ist sicherlich auch nicht umsonst, wenn auch unnötig.
Wie bereits erwähnt: Nicht zwei Linien auf derselben Strecke treten gegeneinander an, was ja eine gewünschte Konkurrenz zur Belebung des Geschäfts für den kleinen Kapitalisten in mir wäre, sondern ein Monopolist ersetzt den anderen. Raider heißt jetzt Twix; Gespart wird höchstens am Personal oder an der Technik.

Dienstag, 19. Januar 2016

Udorallala: Nikki Hill

Warum auch immer, aber am Nachmittag des Silvestertages bin ich auf Nikki Hill gestoßen. Eine Empfehlung auf irgendeiner Seite, also hörte ich per Youtube mal rein. Schon bei den vielen Cover Versionen fielen mir Ac DC (Whole lotta Rosie / Rocker) oder auch Rod the Mod (sweet little Rock `n Roller) auf. Und DU hast Recht, wenn Du sagst, das das ein Song von Chuck the Duck ist. Glaubst DU etwa, das wüsste ich nicht? Sieh Dir das Video auf YouTube an, bzw. HÖR da mal rein, dann verstehst Du es.
Überhaupt erinnert mich der Sound insgesamt an die Faces, als ich dann die Songs von der neuen CD „Heavy Hearts, hard Fists“ hörte, musste ich endgültig an die erste Platte der Black Crowes denken, insbesondere bei den Eigenkompositionen. Es gab gerade Anfang der 90er noch mehr in dem Sound, die London Quireboys oder Company of Wolves fallen mir dabei ein.
Doch bei meinen Recherchen las ich nirgends von diesem Vergleich, was mich in meiner Meinung bestärkt, das die heutigen Musikjournalisten von der Geschichte der Rockmusik absolut unbeleckt sind. Ist ja auch kein Wunder, da sich Rockmusik, die diesen Namen auch verdient, sich spätestens seit Anfang der 90er nicht mehr verkauft.
Seit einem Vierteljahrhundert leidet die Rockmusik darunter, das die meisten Bands weder Songs schreiben noch arrangieren können. Klar gibt es da Ausnahmen, aber ein durchgängig gutes Album von hoher Qualität ist da eher selten. Gin Wigmore oder auch die erste von den Fratellis fallen mir da als angenehme Ausnahme ein, doch die sind in Deutschland weitgehend unbekannt geblieben. Diese ewigen Britbands mit den nölenden Sängern oder selbst die Schweden mit ihrem Garagensound kann ich mittlerweile nur noch schwer ertragen. Aber bleiben wir bei Nikki Hill. Vergleiche mit Tina Turner, Wanda Jackson und Etta James wegen der rauchigen Stimme sind ja in Ordnung, aber die eigentliche Granate für mich ist ihr Ehemann, Gitarrist Matt Hill. Der Gewinner des Blues Music Award 2011 für sein Debüt Album schrammelt auf seiner „abgeranzten“ Telecaster genial zur Stimme seiner Frau.
Der erste Treffer bei Google in Deutsch für Nikki Hill führte mich zu einer Konzertkritik der Südwest Presse aus Ulm über ein Konzert im letzten November in Ulm. Auch hier schreibt wieder einer, der die Rockmusik nicht wirklich verstanden hat. Der Journalist vermisst bei Nikki Hill die Eigenständigkeit, sie sollte dem „Genre etwas hinzufügen“. Häh? Die Rockmusik ist wahrscheinlich älter als dieser Schreiber, der bestenfalls in den 90ern aufgewachsen sein dürfte, ansonsten würde er so einen Mist nicht schreiben.
Und das Bassist und Drummer hier lediglich eine Statistenrolle einnehmen, unterschreibe ich so nicht. Ein Blick auf das von mir verlinkte Video sollte Dich eigentlich vom Gegenteil überzeugen. Zur Ehrenrettung des Journalisten möchte ich noch anmerken, das er ansonsten Nikki Hill in seiner Rezension positiv bewertet hat; nur mit dem Sinn und Zweck von Rockmusik im Allgemeinen könnte er Schwierigkeiten haben.
Bleiben wir mal beim klassischen Produkt, der Scheibe oder auch seit 30 Jahren dem Silberling. Eine Platte ist dann gut, wenn die Songs, und auch alle bis auf ein bis zwei Songs vielleicht, eine einheitliche Stimmungslage rüberbringen können. Das ist bei den Ramones eine andere als bei Joy Division, aber beiden ist die Intensität dieser Stimmung gemeinsam.
Damit die Songs auch „zünden“, sollten Komposition und Arrangement stimmen. Überladener Britpop oder metallisches Gitarrenfideln fällt nicht in diese Kategorie. Einfach aber gut, das ist und bleibt Rockmusik, das ist die Stärke dieses Musikstils, der Millionen Menschen durchs ganze Leben begleitet hat und selbst alte Säcke wie mich oder den Wirt meiner Stammkneipe immer noch begleitet.
Zusammen mit einer fesselnden Bühnenpräsenz, die Nikki Hill zweifelsfrei auch hat, haben sich so manche Bands oder Musiker unsterblich gemacht. Das Ehepaar Hill kommt mit diesem Sound für meine Wenigkeit 25 Jahre (Black Crowes) zu spät, Pocke wird hierzu gerne noch etwas über die Faces erzählen, wenn Du ihn triffst.
Aber Scheiß auf Originalität, die Band ist einfach geil drauf und schreibt dazu gute Songs, die sich vor den Covern nicht verstecken müssen. Wenn ich nochmal 15 wäre, hätte ich den Starschnitt von Nikki Hill an der Wand.

Donnerstag, 14. Januar 2016

Hartmudo: Onehundredandeighty

Um den Jahreswechsel herum hatten meine Löwin und ich ein Faible für Darts entdeckt. Auf
Sport 1 lief die Darts WM der PDC (Professional Darts Federation) live. Die Einschaltquoten sind erstaunlich hoch, man könnte hier von einem Boom sprechen.
Die WM findet alljährlich im Londoner Alexandra Palace – liebevoll „Ally Pally“ genannt – statt. 3000 Zuschauer drängen sich in dem Saal an Biertischgarnituren, der Pidger kostet umgerechnet 27,- €. 4 Pints holt man da heraus und dementsprechend gut ist die Stimmung. Während oben auf der Bühne das Game stattfindet, wird unten im Saal gegröhlt und gesungen, das es eine wahre Freude ist.
Die Zuschauer, meist in Gruppen angereist, überbieten sich hierb ei in fantasievollen und vor allem lustigen Verkleidungen. So sieht man eine Horde Klon Krieger aus Star Wars neben den Schlümpfen im Publikum, auch sind verschiedene Nationalitäten anwesend. Zu unserer Belustigung ertönte dann auch bei Spielen mit holländischer Beteiligung ein unüberhörbares „Ohne Holland fahrn` wir zur EM“ durch den Saal.
Überhaupt waren die Holländer die einzigen Spieler, die den Briten etwas entgegensetzen konnten. Deshalb waren wir auch sofort Fan von Raymond van Barnefeld. „The Man“ läuft zu seinen Matches immer zur Musik von Survivor (Eye of the Tiger) in den Saal und wird von seinen Fans, der „Barney Army“, immer lautstark unterstützt. Der bald 50jährige Holländer hat ungefähr meine Figur und immer einen Tigerkopf auf dem Rücken seines Shirts.
Bevor ich weiter ins Schwärmen gerate, möchte ich noch erwähnen, das der Hype um diesen Sport erst seit kurzem besteht. So wurde der PDC erst 1992 als Abspaltung von der BDO von den damalige Top Spielern gegründet, weil die TV Einschaltquoten in den Keller gingen und die Spieler herausgefunden hatten, warum sich die Sender zurückzogen.
So war es derzeit üblich, auf der Bühne zu rauchen und das eine oder andere Pint einzusaugen. Für mich kein Hinderungsgrund, aber viele Fernsehzuschauer fühlten sich von den angesoffenen Speckbacken auf der Bühne abgestoßen. Heuer trinken die Stars auf der Bühne Wasser, geraucht wird im ganzen Saal nicht mehr. Geblieben sind die untersetzt wirkenden Akteure, denen man ein hartes körperliches Training nun wirklich nicht ansieht.
Wie beim Boxen marschieren die jeweiligen Kontrahenten zu ihrer Musik ein, egal ob AC DC oder was Poppiges, die Menge fängt schon da an zu toben. Auf der Bühne vor der Dartscheibe tanzen dazu noch 4 Go Go Girls, was die Festsaalstimmung nochmals in die Höhe schnellen lässt. Ganz wichtiger Mann ist übrigens der Ansager, der nach jeder Wurfsequenz die erzielte Punktzahl ins Mikro gröhlt.
Das Aus kam für Barney im Halbfinale

Am besten hierbei gefiel mir der Typ mit dieser Schlägervisage, der tatsächlich trotz seines Anzugs derart schräg aussieht, als hätte er mehr Jahre als die mögliche Höchstpunktzahl im Kittchen abgerissen. Wir sprechen hier über die 180, nur zu erreichen über die Triple 20.
Mit seiner knarzenden Stimme, die nach Whiskey und Roth Händle Ohne klingt, singt er die erzielten Punkte förmlich in die Menge. Vor allem bei „One- hundred- annd-eiiigh-tyyy!“ gehen im Publikum automatisch die Zettel mit der 180 hoch, begleitet von hymnenartigen Gesängen wie im Stadion. Es ist mir unbegreiflich, wie die Spieler bei dem Krach so ruhig und konzentriert bleiben können. Diese Jungs haben wirklich Nerven aus Stahl.
Das wohl schönste Spiel des Turniers, welches ich bis zum Ende erleben durfte, war das holländische Duell zwischen Michael van Gerwen (Mighty Mike) und Raymond van Barneveld (Barney). Der Altmeister Barney gewann gegen den Weltranglistenersten und haushohen Favoriten denkbar knapp mit 4:3 Sätzen und hatte sogar einen Matchball gegen sich abwehren können. Sein explosiver Freudensprung nach dem entscheidenden Doppeltreffer zeigte den Druck und die Anspannung, die in dieser Sekunde von ihm abfielen. Leider war dann im Halbfinale für Barney gegen „Jackpot“ Adrian Lewis Schluss.
Lewis, der übrigens zu „Papa`s got a brand new Pigbag“, einem zu Unrecht vergessenen Independent Hit einläuft, verlor dann das Finale gegen den „Flying Scotsman“ Gary Anderson, der bereits im Vorfeld zum engsten Favoritenkreis zählte, in einem packenden Finale mit 5:7. Hier war Lewis, der augenscheinlich unter Bluthochdruck leidet und dessen Haut rosa glänzte wie ein Schweinchen (Pigbag?), im Endeffekt chancenlos, weil er zu viele Chancen auf Spielbälle ungenutzt ließ. Hier war der Flying Scotsman unerbittlich, er haute Lewis eine 180 nach der anderen um die Ohren.
Einen Spieler gilt es noch zu erwähnen, dessen riesige Fanschar größer ist als seine Spielkunst: Peter Wright. „Snakebite“ hat immer ein anderes, quietschebuntes Shirt an und trägt einen Iro, dessen Farbe er auch jedes Mal verändert. Die rasierten Stellen seines Schädels sind ebenfalls in knallenden Farben bemalt. Man möchte meinen, das dieser Papagei gleich zu flattern anfängt, wenn dem mittvierzigjährigen Schotten nicht der jahrelange Biergenuss im Gesicht stehen würde. Seine technoartige Einlaufmusik kenne ich nicht, aber im Viertelfinale war für ihn Schluss. Trotzdem – der Mann ist eine Augenweide.
Das uns dieser Sport so fasziniert ist wirklich verwunderlich, aber dieser krasse Gegensatz zwischen totaler Konzentration der Spieler und dem lauten und angesoffenen Publikum ist nur hier zu sehen. Wir freuen uns schon aufs Jahresende, wenn die nächste Weltmeisterschaft im Ally Pally stattfindet.
Ansonsten verlief der Jahreswechsel relativ ruhig. Jenny und Kroll schauten am 2. Weihnachtstag zum Doppelkopf vorbei und auch mit Phil Heiligabend sowie Danny samt seiner Familie mit Schweizer Background am „Zweiten“ hatten wir viel Spaß. Silvester machten wir das übliche Geballere nicht mit und hatten einen gemütlichen Spieleabend mit Berta und Bud, bloß keine Aktion. Urmel und Ilka waren zwar bei Pocke und Patti zu Besuch, aber meine Löwin und ich waren nicht so in Partylaune. Das hängt übrigens nicht mit dem Metex zusammen, welches ich 2 Tage vor Weihnachten zum ersten Mal spritzte. So „musste“ ich bereits Heiligabend die von Phil geschenkte Wodkaflasche mit ihm leeren. Sei es drum, Neujahr gingen wir mit Pocke und Gästen um den Südsee.
Frische Luft genug, um den Alkohol des Silvesterabends aus der Birne zu kriegen und den Tod von Lemmy zu verarbeiten. Da ist ein „Großer“ von uns gegangen, wobei ich nach all den Jahren, in denen ich ihn hören und sogar zweimal live erleben durfte, eben auch bemerken muss, das es sich bei ihm ähnlich verhält wie bei Snakebite. Seine Bedeutung für die Rockmusik resultiert wohl eher aus seinem legendären Ruf und dem konsequent durchgezogenen Lebensstil. Da ist wahrlich kein Nachfolger in Sicht.
Und trotzdem: Prost, Lemmy.
Wir sehen uns.

Freitag, 8. Januar 2016

H Lecter: Angie 7/x

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In jenen Jahren mit Angie war bei uns irgendwie immer was los. Dank der Taxenkutscherei, die ich noch vor meinem Sozialpädagogikstudium angefangen hatte, war ich fast täglich, d.h. an meinen 4 freien Abenden der Woche, im Gambit gegenüber. Angie verdiente ja im Altenheim auch ihr Geld, die Miete war gering und die Küche im Gambit reichte uns soweit hin, das zu Hause kaum gekocht werden musste.
Es war auch zu jeder Zeit unseres Zusammenlebens üblich, dass die jeweiligen Freunde uns beide besuchten. Außer in den Momenten, in denen sie sich mit ihrem jeweiligen Freund (soo viele waren es auch nicht) verständlicherweise zurückzog. Der Fernseher lief in jenen 3 Jahren unserer Wohngemeinschaft sehr selten, vielleicht mal zum Fußball.
Viel Zeit verbrachten wir in der Küche am runden Tisch, das Quasselkraut immer am Wickel. Unsere Wohnung war ja dank der Lage auch ständig Anlaufpunkt für den Freundeskreis beim Besuch des Gambit. In der Regel gingen wir dann auch mit, für den einen oder anderen Steinkrug, denn Angie spuckte ja wirklich nicht ins Glas.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir anfangs fast ständig Violent Femmes gehört hatten. Angie stand da richtig drauf; diese ruhige, melancholische Musik. Für mich ist das heute kaum noch zu fassen, wie wir da so abgehangen hatten. Mukke von Platte statt Fernsehen – na gut, RTL und SAT 1 waren noch nicht ganz am Start. Aber ich denke, die meiste Zeit waren wir dann doch woanders.
Zuhause war da fast nur noch Räucherstube. Ach ja, Tee und Kaffee tranken wir auch viel. Ich selbst rauchte ca. 2 Schachteln Camel ohne am Tag, Angie war da auch nicht untätig, bloß mit Filter. Und dann natürlich noch die anderen, etwas größeren Zigaretten. Bis zu 5-6 Blättchen waren da manchmal nötig.
Gerne erinnere ich mich da an das kleine metallische Purpfeifchen, mehr aber natürlich an die wunderschöne Graniniflasche, die wohl Udo, der alte Bastler, in akribischer Bastelei „gangbar“ gemacht hatte. Insbesondere mit Jürgen trainierte ich dort mein Lungenvolumen, aber die eine Geschichte mit Kroll fällt mir in dem Zusammenhang wieder ein.
Nebenan in der Ekbertstr. kannte Angie eine erlesene Riege von Althippies, die dort wie üblich im obersten Geschoss hausten. Zusammen mit 2 Schäferhunden hausten sie dort, typischerweise waren Bett und Hundekörbchen eine Symbiose eingegangen. Auch ansonsten waren Mensch und Tier schwer voneinander zu unterscheiden…
Aber genug davon. Wir rauschten dort ein, weil wir Nachschub brauchten. Der Tag ließ sich ganz angenehm an, bis einer der langhaarigen Fliesenleger die Graniniflasche rausholte und sie zur Benutzung fertigmachte. Das beeindruckende Gerät hatte den wohl größten von mir jemals gesehenen Pfeifenkopf.
Ob das der Grund war, weswegen ich mich von dem Mundstück fernhielt? Ich weiß aber noch, dass Kroll vor seinem tiefen Zug noch äußerst agil unterwegs war; wie Angie und ich eben auch. Doch urplötzlich, nach zwei bis drei tiefen Zügen, begab sich Kroll in die Horizontale.
Wir hatten erhebliche Mühe, ihn wieder wach zu kriegen und mussten ihn beim Hinausgehen aus der Wohnung stützen. Das einzusaugende Luftvolumen der Flasche war allerdings dermaßen riesig, das in Kombination mit der „Oktanzahl“ eine Veränderung von Krolls` Straßenlage unvermeidlich war. Das Bier hatte er jedenfalls nicht mehr ausgetrunken, er wollte wohl einfach nur noch schlafen.
Diese schlechte Erfahrung hinderte Kroll aber nicht daran, mich später mal während eines weiteren Versorgungsengpasses bei einem Besuch der Hippie WG zu begleiten. Wir klingelten unten an der Tür und warteten. Unser Besuch war angekündigt, deshalb waren wir verwundert, das niemand öffnete. Ich ging auf die Straße zurück, damit die Mannschaft sehen konnte, das Besuch da war.
Wahrscheinlich war das falsch, denn ich konnte noch erkennen, wie in dem betreffenden Stockwerk (3. Stock) die Gardine bewegt wurde. Offenbar war doch jemand da, aber die seinerzeit allgegenwärtige Paranoia hinderte die Bewohner am Öffnen der Wohnung. Hatte ich später nie mehr so erlebt.
Da mussten Kroll und ich wohl oder übel unverrichteter Dinge wieder abziehen. Ob wir woanders etwas besorgen konnten, weiß ich heute gar nicht mehr. Aber ich kann mich noch erinnern, dass wir seinerzeit niemals längere Zeit auf dem Trockenen saßen. Wenn alle Stricke rissen, dann fuhren wir halt mit Angie nach Gifhorn.
Dort kannte sie ja nicht nur Harry, sondern auch ne Menge anderer Leute, die mir glücklicherweise heuer nicht mehr über den Weg laufen. Für das Purpfeifchen hatten wir jedenfalls immer reichlich Munition.Wenn ich grad noch an diesen süßlich metallischen Geschmack denke…. Gesund war das sicher nicht.
Die blaue Giraffe hatte ich dann aber erst später, als Angie schon längst woanders wohnte. Das Ding ist ja bis heute legendär, passt hier aber nicht in die Storyline.

Mittwoch, 6. Januar 2016

Contramann: kurz gesehen im Januar

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wie-deutschland-seine-politische-mitte-verliert-kommentar-a-1067438.html
Meine Güte, was für ein ärgerlicher Kommentar. Hier webt der Autor Alexander Neubacher wieder an der Legende einer Querfront, einem Begriff aus der Weimarer Republik, in der seinerzeit die Linken wie die Rechten gleiche Interessen hatten. Und dies soll unsere Demokratie gefährden mit der Folge, das sich hinterher wieder ein faschistisches Regime etabliert.
Diese Angst teile ich sogar noch, aber ansonsten macht der Autor denselben Fehler wie seinerzeit die Medien und demokratietreuen Intellektuellen der Weimarer Republik. Neubacher verwechselt hier Ursache und Wirkung. Denn es sind die Regierungsparteien dieses Landes der letzten 25 Jahre, die die Mittelschicht pulverisieren und durch ihre Entscheidungen zugunsten der Wirtschaftslobby überhaupt erst das Klima schaffen, in dem mehr und mehr Leute erkennen bzw. sich fragen müssen, was ihnen die Demokratie noch bringt, wenn es ihnen über die Jahre eher schlechter geht und einige wenige Privilegierte es sich gut gehen lassen auf Kosten derer, die sich Tag für Tag zur Arbeit schleppen.
Das es dazu überhaupt kommen musste, ist zugegebenermaßen auch Schuld des Großteils der Wähler, die sich schon immer nur fürs Fressen, Ficken, Fernsehen interessiert hatten und politisch immer den Status Quo gewählt hatten, ohne sich mal für Hintergründe von Machtverhältnissen zu interessieren.
Solange diese Leute nicht aufwachen, segelt das Schiff der Demokratie immer schneller auf die Klippen zu, bis es zu spät ist. Davor – und vor solchen Idioten wie Alexander Neubacher – habe ich Angst.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-in-deutschland-die-grosse-aufgabe-der-integration-a-1069830.html
Und hier zum Jahreswechsel kurz vor Silvester noch schnell die Beruhigungspille von Spiegel Online. Der Spiegel hat hier 4 verschiedene Punkte ausgemacht und versucht sogar zu erklären, wie „wir“ es schaffen können.
So sollen die Flüchtlinge dank Sprachkursen integriert werden, eine Ausweitung des Angebots wird hier gefordert. Das hören die Bildungsträger a la Teutloff oder Oskar-Kämmer sicher gern, winken hier doch Chancen auf gute Geschäfte. Ich erwähne die beiden Firmen, weil diese sich schon in der Vergangenheit dank unterbezahlter und/oder schlecht qualifizierter Lehrkräfte eine goldene Nase verdient haben. Das Ganze am besten noch – wie bei den „Hartzern“ üblich – in achtwöchigen Crash Kursen.
Über 200000 schulpflichtige Kinder und noch jüngere Kids müssen beschult, in Kindergärten integriert werden etc. Pensionierte Lehrer und Seiteneinsteiger sollen das nun stemmen, was ja auch vernünftig wäre. Allein… auch das kostet Geld, was sofort investiert werden müßte und schon in den letzten Jahren für dringend benötigte Unterstützung der normalen Jugendarbeit nicht zur Verfügung stand. Und jetzt soll das auf einmal gehen? Contramann nennt so eine Argumentation verlogen.
In Deutschland stehen zwar 1,7 Millionen Wohnungen leer, aber leider nicht in den Ballungsräumen, in die die Flüchtlinge bevorzugt drängen. Deshalb sollen mit den Mitteln des sozialen Wohnungsbaus dort neue Wohnungen entstehen, sogar für die in den letzten Jahrzehnten von dort vertriebene einheimische Bevölkerung. Ja ist denn hier ein Wunschkonzert? Flüchtlingen in der Not zu helfen ist richtig und notwendig, aber wo in den mit teuren Eigentumswohnungen zugeschissenen Ballungsräumen soll denn noch gebaut werden? Wenn dafür die bisherigen Innenstadtbewohner wie Pädagogen, Ärzte oder Werbefuzzis (hier nur beispielhaft für wohlsituierte Bildungsbürger) nach Riesa oder Cottbus ziehen, dann soll mir das natürlich recht sein.
Ausbildung, Arbeit und Studium. Ausgerechnet Studium, die Autoren sagen es auch noch selbst, das die Hochschulen überlastet sind. Und die Mär von dem Facharbeitermangel kann ich nicht mehr hören. Nicht bei den hohen Arbeitslosenzahlen der vergangenen Jahre. Hier werden nur billige Arbeitssklaven produziert. Als ob allein durch ein größeres Angebot an Arbeitskräfte die Arbeit aus dem Boden wächst. Lachhaft.
Eins noch abschließend hierzu: Was heißt hier überhaupt Integration? Die Flüchtlinge sind hier, weil sie in ihrer Heimat dank eines auch mit deutschen Waffen befeuerten Bürgerkrieges vorübergehend nicht leben können. Und weil die UN-Mittel zum Leben in den Flüchtlingslagern auf Null gefahren wurden. Die wollen wieder zurück, wenn Ursula von der Leyen in Syrien mit den deutschen Tornados aufgeräumt hat. Mehr als 3-4 Jahre kann das ja wohl nicht dauern, oder? Und dafür soll hier so eine Welle geschoben werden?
Ich glaub, ich bin im falschen Film hier.

http://www.stern.de/politik/deutschland/syrien-einsatz--der-krieg-gegen-den-islamischen-staat-ist-falsch-6600276.html?utm_campaign=politik&utm_medium=rssfeed&utm_source=standard
Das es unter Journalisten noch Leute mit Hirn und Mut zur unbequemen Wahrheit gibt, zeigt dieser Stern Kommentar zum völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien.
So lieferten die deutschen Waffen nach Saudi Arabien und Katar, die zu den Menschenrechten eine ähnliche Einstellung wie der IS hat. Vom brutalen Einsatz dieser Waffen der Saudis in Jemen liest man merkwürdigerweise in den deutschen Qualitätsmedien wenig. Das Syrien im Übrigen eine legal gewählte Regierung hat, die einzig Russland um Hilfe gebeten hat, weshalb sich nur die russische Armee dort zu Recht aufhält. Die Nato dagegen hält sich völkerrechtswidrig in Syrien auf, das gilt dann auch für die deutschen Tornados. Nach dem Grundgesetz könnte man allerhöchstens Polizeieinsätze im Ausland rechtfertigen, aber Polizisten sind noch nicht einmal dort.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/frank-walter-steinmeier-stuetzt-sigmar-gabriels-reformthesen-a-1042048.html#ref=rss
„Mittiger, wirtschaftsfreundlicher, innovativer und möglichst ohne den Ruf nach Steuererhöhungen“ möchte der Siggi seine SPD neu aufgestellt wissen. Und der Steinmeier springt ihm noch bei, da haben sich die beiden Richtigen gefunden. Contramann ist nur leicht amüsiert, weil er in Gesprächen mit Leuten aus der SPD Basis „vor Ort“ immer wieder feststellen muss, das dort immer noch Begriffe wie Arbeitsplatzsicherheit und Verteilungsgerechtigkeit vorherrschend sind. Bei Siggis SPD muss es sich demnach um eine andere SPD handeln.
 

https://www.contra-magazin.com/2015/07/ttip-das-eu-parlament-als-willfaehriger-erfuellungsgehilfe/
Nochmal zur Erinnerung: TTIP dient nur den großen Konzernen und ihre Erfüllungsgehilfen der großen Parteien in Europa werden es durchwinken. Die paar Linken oder Grüne, die dagegen sind, werden es nicht richten können, zumal (leider) auch rechte Parteien dagegen sind. Dadurch werden natürlich kritische Stimmen zu TTIP pauschal diskreditiert und allein deshalb wird das europäische Parlament TTIP durchwinken.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/die-linke-ist-angela-merkels-machtgarant-kommentar-a-1039417.html#ref=meinunghp
Ja, es stimmt. Die Linke hat die SPD in den vergangenen Jahren entscheidend schwächen können, so dass die Macht der CDU nicht mehr gefährdet ist. Das allerdings die Linke durch ihre „Verweigerungshaltung“ bei der Zusammenarbeit mit der SPD einen Regierungswechsel verhindert, liebe SPON Schreiber, erinnert mich fatal an Argumentationslinien der Medien des 3. Reiches oder der DDR.
Will sagen, seit wann soll es falsch sein, wenn man zu seinen Aussagen steht und die Politik auch macht, die man propagiert hat und für die man gewählt wurde. Zumal die SPD ständig erklärt, mit der Linken nicht zusammenarbeiten zu wollen. Tatsachen derart zu verdrehen war in der Vergangenheit ein Merkmal der Medien von DDR wie drittem Reich.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/torsten-albig-spd-braucht-keinen-kanzlerkandidaten-a-1045090.html
Die Überschrift allein reicht schon.
Mann, Mann, Mann. Wenn selbst der SPD Ministerpräsident eines Bundeslandes nicht mehr an einen Machtwechsel zugunsten der SPD glaubt…

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/cannabis-legalisierung-freigabe-sinnvoll-kommentar-a-1045082.html
Yo, Bruder. Das sag ich schon seit über 30 Jahren: Legalize it und verkauft es über Apotheken, erhebt eine Steuer drauf und gut ist. Wobei… kontrollierte Legalisierung…
Das wird dann so ablaufen wie mit Stevia. Die großen Konzerne werden wieder das Geschäft machen. Cannabis ratiopharm oder Hasch Forte von Hexal werden das Rennen machen. Die Coke Dope werden wir trinken und auch Tschibo wird eine entsprechende Kaffeemischung anbieten.
Auf die Ritter Sport Dröhn-Mix freue ich mich aber jetzt schon.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kommentar-die-acht-stunden-luege-13717631.html
Aah, die FAZ! Es mag ja sein, das viele Leute heute nicht mehr in einem Acht Stunden Arbeitstag denken (können). Führungskräfte wie sonstige „Leistungsträger“, die klassischen Konsumenten der FAZ, werden bei diesem Artikel zustimmend nicken.
Die Aldi-Verkäuferin oder der „Bandaffe“ lesen traditionell nicht die FAZ und könnten hier auch nicht zustimmen. Es ist bezeichnend für die „Eliten“ dieses Landes, das sie an den Großteil der Bevölkerung nicht mehr denken können (oder wollen?).

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45572/1.html
Zum Abschluss heute noch eine andere Lüge, die digitale.
Geiles Ding von Telepolis, das mir so was von aus der Seele spricht. Aber so was von. Die digitale Bildung für Kinder ist eine Lüge, das ist auch seit Jahren meine Meinung. Die Kinder verblöden höchstens und lernen zu daddeln, aber Sozialverhalten und Rechnen im Kopf liegen nicht mehr drin.
Lembke und Leipner haben hier wohl ein klasse Buch geschrieben und sich wissenschaftlich mit dem Problem auseinandergesetzt. Das Interview dazu auf Telepolis lege ich denen wärmstens ans Herz, die kleine Kinder haben und meinen, diese schon früh an den Rechner oder auch ans Handy gewöhnen zu müssen.

Sonntag, 3. Januar 2016

Uncle Fester: grad gelesen Januar 2016

Stephen Baxter - Ultima
Nach Proxima habe ich endlich die Fortsetzung und Abschluss dieser epischen Saga vor mir und wurde nicht enttäuscht. Ultima knüpft nahtlos an Proxima an. Das heißt aber auch, dass es sich hierbei eher um die zweite Hälfte des Romans handelt.
Denn am Ende von Proxima landeten Stef und Yuri in einem Paralleluniversum, in dem das römische Reich nicht untergegangen ist und die Menschheit in den Weltraum hinausführt. Auf der Erde gibt es noch den britisch-normannischen Block, die Brikanti, sowie die asiatische Macht namens Xin.
In diesem Universum landen auch Penny, Stefs unerwartete Schwester, sowie Erdschein, die letzte überlebende künstliche Intelligenz der alten Erde. Das Raumschiff Tatania konnte gerade noch von der explodierenden Erde fliehen, woran Erdschein nicht ganz unschuldig war. Wenigstens rette er noch Penny auf die Tatania.
In dieser von Römern beherrschten Kultur müssen sich die Neuankömmlinge erst einmal zurechtfinden.Der Xin Chu transportiert die Kiste mit Erdschein permanent mit sich herum.Der Druide Ari zeugt mit Penny die Tochter Mardina und der Zenturio Quintus wird uns auch bis zum Schluss begleiten.
Erdschein schafft es wieder, diesmal auf dem Mars, den Kernel (das ist die Energiequelle) einer Luke auf dem Mars zum Explodieren zu bringen, so dass auch dieses Universum kollabiert. Im nächsten ist die Lage erneut anders.
Hier hat sich die Inka Kultur auf der Erde durchgesetzt und lebt nunmehr in einer riesigen Raumstation im Orbit der Erde. Alle Menschen werden dort als Sklaven behandelt und terrorisiert, auch die Leute des überlebenden römischen Raumschiffs. Auch hier, also ab der Hälfte des Buches, sind die Helden der Geschichte mit dabei.
Yuri und Stef landen hierbei irgendwie wieder auf Per Adua. Von Yuri hört man im Verlauf der Geschichte über lange Zeit nichts, bis er schließlich lapidar stirbt. Sehr unspektakulär.Egal wie, jedenfalls landet der Rest der Mannschaft nach Zerstörung auch dieses Universum in der Endphase des Universums und überhaupt.
In einer bewegenden Schlusssequenz landen Mardina, Chu und ihr Baby (?) wiederum in einem neuen Universum, während doch eigentlich das Ende von Allem gekommen sein sollte. Hhm, ist halt schon etwas her, seitdem ich das Buch gelesen habe. Jedenfalls ist es packend geschrieben und jedem Geschichtsinteressierten wärmstens zu empfehlen.
Baxter schreibt es einfach nur noch gut.

                                           

Peter F. Hamilton – Der unsichtbare Killer
Hammer. Ich brauchte fast 2 Monate für diesen 1100 Seiten langen und eng beschriebenen Wälzer. Und überaschenderweise handelt es sich nicht um 5 oder 6 unabhängige Handlungsstränge, die am Schluss zusammengeführt werden. Nein, wir haben es mit lediglich 2 Strängen zu tun. Und ein kleiner Nebenstrang, noch einer…
Ein bestialischer Mord in Newcastle im Januar 2143 ruft den Detective Sid Hurst auf den Plan. Zusammen mit seinem Partner Ian Lanagin haben sie es mit der Leiche eines Mitglieds der übermächtigen Familie North zu tun, die im Fluß gefunden wurde. Dem Opfer wurde das Herz förmlich herausgerissen, was an einen 20 Jahre zurückliegenden Mord auf dem tropischen Planeten St. Libra erinnert.
Seinerzeit wurde ein führendes Mitglied der Familie North zusammen mit allen Partygästen samt Personal ermordet; die einzige Überlebende Angela Tramelo wurde für das Verbrechen eingesperrt, obwohl sie selbst unter Folter immer wieder ihre Unschuld beteuert hatte. Sie war halt ein Bauernopfer, denn eine bisher unbekannte Alienrasse konnte und wollte man der Öffentlichkeit nicht präsentieren.
Denn im frühen 22. Jahrhundert hatte sich die Menschheit dank sogenannter Gateways, die z. B. von Newcastle aus die Erde direkt mit St. Libra verbinden, in der Galaxis breit gemacht. Befeuert wird das Ganze durch den Brennstoff Bioil, der zu über 80% auf St. Libra aus vermodernden Sumpfpflanzen gewonnen wird. Und hier hat natürlich die Familie North die Hand drauf, so dass der Arm dieser Familie weit ins gesellschaftliche Leben der Menschheit hineinreicht, auch Politik und Verwaltung müssen auf die Familie Rücksicht nehmen.
Eine außerirdische Lebensform namens Zanth bedroht die menschlichen Siedlungswelten. Es handelt sich bei dieser Lebensform eher um einen biologischen Pils, der sämtliche Materie einfach in Brei umwandelt. In mehreren „Kriegen“ konnten die Menschen die von Zanth befallenen Sonnensysteme lediglich vom Netz der Gateways isolieren, eine Strategie zum Besiegen der Zanth wurde aber nicht entdeckt.
Und nein, nach 1100 Seiten auch noch nicht und überhaupt spielen die Zanth in der Handlung keine Rolle. Sie existieren lediglich zur Erklärung einer starken militärischen Präsenz der Armee in dieser zukünftigen Gesellschaft. Dieser Aufwand ist für Hamilton eher ungewöhnlich, fällt aber bis zum Ende hin nicht weiter negativ auf.
So kommt die Story so langsam ins Rollen, obwohl das Tempo auf den ersten Seiten schon hoch ist. Während Sid in Newcastle in akribischer Polizeiarbeit nach und nach der Lösung näher kommt, begleitet die aufgrund des neuen Mordes rehabilitierte Angela eine Expedition in den bislang unerforschten Dschungel von St. Libra, um dort die Alienrasse aufzuspüren, die wohl für die Morde verantwortlich ist und eine Gefahr für die gesamte Menschheit darstellt.
Sid kann in Newcastle schließlich das Monster – den unsichtbaren Killer – stellen und wird dabei fast getötet, aber das Monster wird von den North gefangen und zu einer ihrer Weltraumstationen verbracht. Dies 200 Seiten vor Ende des Romans, so das dieser Handlungsstrang hier schon zu Ende ist und nichts mehr weiter zur Handlung beisteuert. Habe ich so auch noch nicht erlebt, hat aber was. Hamilton trau ich als Schriftsteller vieles zu.
Die Geschichte der Expedition trägt das Buch auch alleine. Um es vorwegzunehmen: Es gibt gar keine Alienrasse. Dieses Alien auf St. Libra wie auch das Monster in Newcastle sind Manifestationen des Planeten St. Libra, der in grauer Vergangenheit von irgendeiner Zivilisation mit Leben per Terraforming versehen wurde. Und der Planet fühlt sich – nicht zu Unrecht – durch den Raubbau der Natur seitens der Menschen bedroht.
Durch Beeinflussung der Sonne des Systems (Sirius) erzeugt das Alien einen permanenten Winter auf dem Planeten, auf das die Expedition sich unversehens auf einer unübersichtlichen Eis- und Gebirgswelt wiederfindet und sich durch den sterbenden Dschungel zur Hauptbasis durchkämpfen muss. Bei widrigen Wetterverhältnissen bringt das Alien einen nach dem anderen um, wohl wissend, das die Expedition ein für das Leben von St. Libra tödlichen Virus mit sich führt.
Schließlich kann Angela mit Hilfe ihrer Tochter, die natürlich auch Mitglied der Expedition ist, das Alien stellen. Am Ende dieser Geschichte wird alles gut. Die Menschen beenden ihr Engagement auf St. Libra und die dortige Lebensform hat sogar noch ein Mittel gegen die Zanth parat. Hier haben wir dann doch die Zanth; jetzt aber bitte keine Fortsetzung.
Atmosphärisch dicht erzählt Hamilton diese Geschichte, die man auch in 300 Seiten hätte packen können. Aber die Nebenstränge sind für sich schon lesenswert, hinzu kommen noch längere Rückblenden einzelner Hauptpersonen, die eine Fernsehserie mit 8 Staffeln möglich machen würden. Wenn man nur wollte.
Für mich wäre eine Serie dagegen nichts mehr, weil ich die Story jetzt gelesen habe und der Überraschungseffekt einfach weg ist, wenn mir die Story nochmal vor die Glüsen kommt. Das hier gezeigte Universum bietet zwar noch Potential wegen der Zanth, aber Hamilton hat mit seinen Commonwealth Romanen schon ein Aufsehen erregendes Drama geschaffen. Das sollte reichen, zumal ich da noch 2 dicke Dinger von ihm liegen habe…

Hugh Howey – Unser Leben dort
Dies ist wohl sein wirklicher Erstling. In der Danksagung am Ende dieses mit 300 Seiten kurzen Buches erklärt er dies auch, 2009 hat er es hingeschrieben. Und auch wenn der Grundtenor von „Silo“ schon zu erkennen ist (Menschen sind in einer feindlichen Umwelt gefangen), so erkennt man hier auf Anhieb den Unterschied zu einem alten Hasen wie Hamilton. Der hätte aus dieser Story mühelos über 1000 Seiten herausgeholt.
Ein nicht näher bezeichneter Planet wird kolonisiert, dabei geht irgendetwas schief. Von den standardmäßigen 500 Kolonisten überleben nur knapp über 100. Wegen eines Brandes muss „Kolonie“, der allmächtige Computer des Projekts, die in Tanks herangezüchteten Menschen schon nach 15 statt nach 30 Jahren wecken.
In der Folge entwickelt sich eine Auseinandersetzung zwischen 2 Gruppen, was dann doch ganz gewaltig nach Krieg der Knöpfe ausschaut. Der Ich Erzähler Porter flieht aus dem von Hickson (klingt schon wie Hitler) diktatorisch geführten Lager mit seiner Freundin Tarsi und einer weiteren Handvoll Gefährten in die unbekannte Wildnis.
Hickson soll im Auftrag von Kolonie eine Rakete bauen, welche ein von Kolonie entwickeltes Patent sichern soll, welches sämtliche Kolonisierungen überflüssig machen würde. Diesem Projekt müssen sich die Menschen des Lagers bedingungslos unterordnen; Es herrschen Zustände wie in einem Konzentrationslager. Am Ende kann Porter das grausame System zerstören und mit dem Aufbau der menschlichen Besiedelung beginnen. Ohne Technik.
Eine schöne Parabel, hat was. Insgesamt sind die Charaktere etwas zu holzschnittartig geraten, aber bei Silo hat Howey das ja überwunden.
Nett.

Freitag, 1. Januar 2016

Hartmudo Spezial: Die dicke Wade 4/17

Ich zwängte mich in mein Shorty - T-Shirt mit kurzem Pyjamahöschen - und legte mich aufs Bett. Blut war mir schon während der Prozessur in der Notaufnahme abgenommen worden, das blieb mir also erspart. Das Abendessen kam auch gleich. Das Graubrot quälte ich mir mit Butter rein, die Scheibe Wurst nahm ich auf die Faust. Tee ging noch, aber Pudding oder Obst oder was auch immer da noch drauf war, ließ ich liegen.
"Ich geh jetzt mal besser. Ich den schon, Du bist voll mit Die selbst beschäftigt." Das sagte sie mir nach wenigen Minuten und sie hatte leider Recht. Gern hätte ich ihr zugehört, allein... es ging nicht, ich war wie vernagelt. An diesem Punkt werde ich noch arbeiten müssen, meine Löwin hat nun wirklich mehr Aufmerksamkeit verdient. Dann war sie weg mit meiner Fahrradtasche.
Damit war ich mit Heinz und Horst allein im Zimmer. Zeit also, um sich näher kennenzulernen. Heinz röchelte ein wenig; mit ihm unterhielt ich mich anfangs, aber nach kurzer Zeit schlief er ein. Ihm ging es irgendwie nicht so gut. Horst brauchte etwas, aber dann war er nicht mehr zu stoppen.
Nunmehr 80 Jahre alt, war er als Maschinenschlosser bei VW beschäftigt gewesen und machte sich etwas Sorgen um eine Frau, die dank einer feuchten Makula vor einer Erblindung steht und ohne Brille lediglich Konturen wahrnehmen kann. Viel erzählte er mir von seiner schwierigen Jugend in den Kriegsjahren.
Er überlebte wohl nur, weil seine Mutter ihn in den letzten Kriegsjahren zu Verwandten südlich des Ostharzes gebracht hatte. Er erzählte von Bombenangriffen auf Braunschweig, die er als kleiner Knirps noch selbst erlebt hatte, derweil der Vater an der Front oder auch schon in Kriegsgefangenschaft war.
Horst selbst wurde eingeliefert, weil er diese Schmerzen im Bauchbereich verspürte. Die Diagnose lautete auf Nierensteine, und mir fiel auf, das Horst genau so ängstlich und nervös war wie ich. Wir laberten die ganze Zeit über, wobei Horst die erheblich größeren "Spielanteile" hatte.
Wir warteten auf unsere Injektionsampullen, schließlich war bei uns jeweils ein Zugang gelegt worden. Für mich sollte es, wie bereits erwähnt, Penizillin sein. 2 Pullen Flüssigkeit - Wasser - waren für Horst vorgesehen, damit die Nieren ordentlich durchgespült werden konnten. Kleinere Nierensteine würden sich so von alleine lösen, was eine komplizierte Operation unnötig machen würde.
Wir versuchten nebenbei, unsere Kopfhörer auszutesten. Es gab lediglich einen Flatscreen für uns Drei an der gegenüberliegenden Wand. Ton gab es gar nicht dazu, es sei denn, man schloss einen Kopfhörer an das Multifunktionsgerät an, welches auch als Telefon diente.
Horst hatte sich seine Hörer bei der Anmeldung gekauft und sie funktionierten überhaupt nicht. Meine vom MP3 Player brachten nur einen ganz leisen Ton raus, da machte das Zuhören null Spaß. Also ließen wir es und laberten immer weiter.
Irgendwann zwischendurch wurde an meiner Wade noch ein kühler und feuchter Wickelverband angelegt. Dazu erhielt ich den Befehl, das Bein die ganze Zeit hoch zu lagern, damit die Einlagerungen abfließen konnten. Dies war nur kurz bequem, aber was muss das muss, oder? Ich gewöhnte mich irgendwann daran.
Gegen 23.00 Uhr, so sagte die Nachtschwester, würden wir unsere Infusionen bekommen. Kurz nach Mitternacht war immer noch nichts passiert und Horst wurde müde. Er legte sich zur Seite und drömmelte so vor sich hin. Ich dagegen schnappte mir mein Buch und wartete ab.
Gegen halb eins war es dann soweit. Der nunmehr etwas angesäuerte Horst ließ es über sich ergehen und auch ich musste es schließlich aushalten. Meine erste Infusion wurde von der polnischen Ärztin der Nachtschicht, die ich bei der Notaufnahme schon kennenlernen durfte, durchgeführt und dauerte 20 Minuten. Unangenehme 20 Minuten, aber hinterher schlief ich dann endlich ein.
Beim Einschlafen achtete ich krampfhaft darauf, die rechte Wade oben zu lagern und nicht wie sonst unten, weil ich eher auf der rechten als der linken Schulter nächtige. Trotzdem konnte ich schlafen, meine Maske hatte ich in Betrieb.
Die Nachtschwester weckte mich morgens um 6.00 Uhr. Fröhlich lächelnd, denn gleich würde sie Feierabend haben, gab sie mir die nächste Infusion. Nach einer halben Stunde schaute sie nochmal vorbei. Die Flasche war vielleicht zu einem Drittel in meinen Blutkreislauf gepladdert, mir war dies zu langsam.
Außerdem schob ich einen Affen; ein nerviger, brennender Schmerz brachte mich fast um den Verstand. Eine sehr nervige Angelegenheit war das und ich wollte, das es schnell zu Ende geht. Die Schwester drehte den Hahn nochmal auf und ward daraufhin nicht mehr gesehen.
Endlich war die Pulle dann durch gelaufen, aber ich hing immer noch an der Infusion. Jetzt pissen! Ich betätigte die Klingel und die Schwester schaute noch mal rein. Sie wies mich darauf hin, das gleich Übergabe sei. Anschließend würde es losgehen.